Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte. Johannes Hofmann
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       2.5.1 Die Anfänge

      Nach der Beschäftigung mit den verfassungsgeschichtlichen Entwicklungsprozessen, die zum dreigestuften kirchlichen Amt führten, stellt sich die Frage, ob in altkirchlicher Zeit auch Frauen in Ämtern und Diensten in christlichen Gemeinden wirken.

      Bereits die Evangelien berichten von Frauen, die Jesus bis zu seiner Kreuzigung folgen und auch seine Auferstehung bezeugen. Lukas erwähnt ausdrücklich, dass Ihn neben den Zwölf auch Frauen bei seinen Wanderungen durch Galiläa begleiten und Ihn und seine Jünger mit dem unterstützen, was sie besitzen (Lk 8,3). Jesus hat offensichtlich etwas Besonderes an sich, das eine Reihe von Frauen zu diesem unüblichen Verhalten motiviert. Tatsächlich pflegt Jesus einen für damalige Verhältnisse einzigartigen Umgang mit Frauen. Äußerst anstößig wirkt auf seine jüdischen Zeitgenossen, dass Er sich in seiner engsten Gefolgschaft mit Frauen umgibt. Selbst seine männlichen Jünger „wunderten sich, dass Er mit einer Frau redete“ (Joh 4,27). So umschreibt Johannes die Reaktion der Jünger auf das Gespräch Jesu mit der Samariterin. Jesus lässt aber nicht nur hier, sondern auch sonst Begegnungen mit Frauen zu. Er unterhält sich mit ihnen, hilft ihnen, heilt sie, redet gut von ihnen, erwähnt sie als handelnde Personen in Gleichnissen und akzeptiert ihre Begleitung und ihren Dienst. Angesichts der patriarchalischen Gesellschaft Palästinas muss dieses Verhalten Jesu eine Initialzündung ausgelöst haben für das Heraufziehen einer neuen gesellschaftlichen Stellung der Frau in der Jüngergemeinde und darüber hinaus. Mit einzigartiger Souveränität überschreitet Jesus die von der zeitgenössischen Gesellschaft gesetzten Schranken und führt die Frauen hinaus in eine attraktive Weite.

      In diesem Licht verwundert es nicht, dass sowohl in der Urgemeinde von Jerusalem als auch in den Anfängen der christlichen Mission Frauen genannt werden. So wissen die Bücher des Neuen Testaments von Frauen zu berichten, die sich in den Gemeinden als Prophetinnen, karitativ Engagierte, theologische Lehrerinnen (Apg 18,26), missionarische Mitarbeiterinnen und Förderinnen hervortun. In Joppe sorgt Tabita für hilfsbedürftige Witwen; in Jerusalem stellt Maria, die Mutter des Markus, ihr Haus der Gemeinde zur Verfügung; in Philippi nimmt die Purpurhändlerin Lydia Paulus und seine Begleiter in ihr Haus auf, wie auch in 1 Kor 11,4 von prophetisch redenden und betenden Frauen und Männern die Rede ist. Schließlich richtet sich auch 1 Kor 14,34 nicht grundsätzlich gegen das Prophezeien und Zungenreden von Frauen, wenn es an dieser Stelle heißt: „Die Frauen sollen in der Versammlung schweigen.“ Denn entweder handelt es sich hier um eine spätere judenchristliche Interpolation oder es wird einzelnen, ofensichtlich etwas undisziplinierten Frauen ungestümes Dazwischenreden verboten, um dadurch die damals ohnehin etwas gefährdete Ordnung des charismatisch bewegten Gottesdienstes aufrechtzuerhalten. Diese Interpretation legt jedenfalls die Tatsache nahe, dass christliche Frauen z.B. in kleinasiatischen Gemeinden des 1. und 2. Jahrhunderts keineswegs geschwiegen haben.

      DASSMANN (wie S. 12) 172f. (Frauen bei Jesus und in der frühen Kirche).

      SCHÜRMANN, Heinz, Das Lukasevangelium (= Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 3/1) Freiburg Basel Wien 1969, 446f. (Verhältnis Jesu zu Frauen).

       2.5.2 Ein frühes Beispiel: Christliche Frauen als Autoritäten kleinasiatischer Gemeinden des 1. und 2. Jahrhunderts

      Das Wirken früher Christinnen als Autoritäten kleinasiatischer Christengemeinden des 1. und 2. Jahrhunderts ist ohne den Kontext der zeitgenössischen kleinasiatischen Gesellschaft nicht denkbar. Wie Inschriften dieser Ära bezeugen, sind Frauen dieses Raums in Handel und Gewerbe selbständig tätig und verwenden einen Teil ihres Vermögens bisweilen für Projekte, die in ihrer Heimatstadt ihrem Sozialprestige dienen. So treten beispielsweise in Ephesus Frauen als Wohltäterinnen auf, indem sie auf eigene Kosten prachtvolle öffentliche Gebäude errichten lassen. Darüber hinaus steigen kleinasiatische Honoratiorentöchter des 2. Jahrhunderts in ihren Heimatstädten zu höchsten öffentlichen Ämtern auf. Nollé erklärt dieses Phänomen mit den personellen Engpässen dieser Familien, die zur Behauptung ihrer Position darauf angewiesen sind, auch weibliche Familienmitglieder auf der politischen Bühne ihrer Heimatstadt agieren zu lassen, zumal z.B. im kleinasiatischen Selge „der Familienclan [der Plancii Magniani] weitgehend mit der als politische Körperschaft agierenden Stadt identisch [war]. Die Stadt war zum überdimensionalen Haushalt (oikos) dieser Familie geworden. Damit schwächt sich natürlich das Anstößigste an der Amtsführung von Frauen, [nämlich] das Heraustreten aus dem Oikos, merklich ab. Die Frauen blieben, folgen wir dieser Betrachtungsweise, gewissermaßen doch im Oikos, in einem Oikos, der [… freilich] an Größe und damit auch an Bedeutung gewonnen hat.“41 Außerdem ist die damalige Bevölkerung Kleinasiens den Anblick öffentlich fungierender Frauen in priesterlichen Ämtern gewöhnt. Denn in vielen kleinasiatischen Städten sind Göttinnen die ersten Stadtgottheiten und ihre erstrangigen Kultdienerinnen sind folglich Frauen, während männliche Priester einer solchen Göttin oft nur als Gehilfen einer Frau amtieren (vgl. Abb. 12).

      Mag die geschilderte Öffnung der kleinasiatischen Gesellschaft für öffentlich tätige Frauen auch in erster Linie die Frauen der dortigen Mittel- und Oberschicht betreffen und mag diese Öffnung auch die Grenzen des antiken Oikos nicht überschreiten, so dürfte das zugehörige Milieu doch einen gut vorbereiteten Boden für die nicht zuletzt die Frauen aufwertende Botschaft Jesu darstellen. In diesem Licht ist es jedenfalls besser verständlich, warum das wohl im kleinasiatischen Raum entstandene Johannes-Evangelium eine Gemeinde des ausgehenden 1. Jahrhunderts spiegelt, in der eine Frau namens Maria Magdalena im Auftrag Jesu und mit Billigung der Gemeinde die Auferstehung Jesu öffentlich bezeugt, in der eine Samariterin die Frohe Botschaft Jesu empfängt und mit Erfolg in ihrer Heimatstadt verkündet und in der eine Frau namens Martha als Repräsentantin der Gemeinde das Messiasbekenntnis ablegt.

      Des Weiteren wirken hier von der Mitte des 1. bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts eine Reihe von Christinnen, die man zweifellos als Gemeindeautoritäten bezeichnen kann. Denn seit den christlichen Anfängen lassen sich in Kleinasien bis in die Mitte des 2. Jahrhunderts einige Prophetinnen nachweisen. So gelten die im 1. Jahrhundert in Ephesus und Hierapolis lebenden Töchter des Philippus noch der kleinasiatischen Kirche des ausgehenden 2. Jahrhunderts als Autoritäten apostolischer kirchlicher Überlieferung. Ammia wirkt in der ersten Hälfte oder in der Mitte des 2. Jahrhunderts in der Gemeinde von Philadelphia als Prophetin und erfreut sich noch im Kleinasien der 60er Jahre des 2. Jahrhunderts eines hohen Ansehens. Wie am Beispiel dieser Prophetinnen deutlich wird, sind es also nicht zuletzt Frauen, die das zu den urchristlichen Gemeindeautoritäten zählende Prophetentum bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts in der kleinasiatischen Kirche aufrechterhalten.42 Die Ursache für ihr fortan beobachtbares Verschwinden dürfte in dem allmählich zum Abschluss kommenden Ausbauprozess der kleinasiatischen Kirchenorganisation zu suchen sein, in der das im Urchristentum übliche charismatische Prophetentum keinen Platz mehr hat.

      Abb. 12 Am Prunktor von Perge befindet sich eine Statue der Plancia Magna, die als Priesterin des städtischen Kaiserkults ein Diadem trägt, das mit den Büsten von Mitgliedern des Kaiserhauses geschmückt ist.

      Neben Prophetinnen lassen sich in Kleinasien auch christliche Lehrerinnen СКАЧАТЬ