Der bessere Mensch. Georg Haderer
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Название: Der bessere Mensch

Автор: Georg Haderer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Schäfer-Krimi

isbn: 9783852187044

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      „Wie ist man denn hier in der Nachbarschaft Herrn Borns politischer Arbeit und seinen Ansichten gegenübergestanden?“

      „Ach, Herr Inspektor … Politik ist Politik und Schnaps ist Schnaps, wenn ich das so burschikos formulieren darf … sehen Sie: Mein Mann war selbst lange Zeit im Ministerium, allerdings bei den Sozialdemokraten … und bis auf ein paar kleinere Scharmützel wurde das immer eher sportlich gesehen.“

      Nach einer Dreiviertelstunde entschied sich Schäfer dafür, die Befragung zu beenden. Ihm war heiß und seine Konzentration ließ nach. Er trank sein Glas leer, bedankte sich bei Frau Varga für ihre Mithilfe und verabschiedete sich. Bevor er ans nächste Interview ging, setzte er sich auf eine Bank im Schatten einer riesigen Ulme, um die eben erhaltenen Informationen zu überdenken und seine Mitschrift zu ordnen. Eine schwarze Limousine … dass so etwas in dieser Gegend hier überhaupt auffiel … bei einem alten Opel, ja … Schäfers Telefon unterbrach seinen Gedankenfluss.

      „Bergmann, was ist? … Ich mache gerade eine Nachdenkpause … Und? Haben Sie den Anrufer ermittelt? … Ich hasse Wertkartenhandys … Ja … Sicher … Hat die Spurensicherung irgendwas Neues? … Bis jetzt nicht wirklich. Eine schwarze Mercedeslimousine mit getönten Scheiben soll immer wieder mal bei der Einfahrt hinein … Was die Born betrifft: Zu der haben Sie sicher den besseren Draht. Können Sie die nochmals befragen? … Sehr gut … Na ja, ihre Nachbarin hat auch das Landhaus am Semmering erwähnt, in dem Frau Born die letzten paar Tage war … Ich möchte wissen, wann sie in den letzten Monaten nicht in Wien war … Da fällt Ihnen schon etwas ein, Sie sind ja eh so diskret … Was treibt die Knechtschaft? … Sehr gut … Nein, im Moment fällt mir nichts ein … Laufen? … Ja, gerne … Muss ich eigentlich nicht, Sie können mich direkt zu Hause abholen … Gut, bis später, Bergmann.“

      Schäfer drückte auf die Abbruchtaste und legte sein Handy auf die Bank. Born hatte einen Anruf erhalten; etwa drei bis vier Stunden vor seinem Tod, von einem Wertkartentelefon mit österreichischer Nummer. Natürlich musste das nichts heißen, aber sie würden den Anrufer ermitteln müssen. Eine Aufgabe, in die sich Schreyer verbeißen konnte, dachte Schäfer und stand auf, um zur Villa gegenüber zu gehen.

      Kurz vor sieben beschloss er, genug geleistet zu haben. Fünf Befragungen, dazu drei Nachbarn, die er wohl am nächsten Tag aufsuchen musste, da sie nicht zu Hause gewesen waren. Die Antworten, die er erhalten hatte, waren fast auffällig deckungsgleich. Niemand wollte Born etwas Schlechtes nachsagen, keiner konnte sich erklären, wer zu so einer Tat fähig sei … die Diskretion, mit der Schäfer in den vergangenen Stunden konfrontiert gewesen war, ähnelte schon der Verschwiegenheit, auf die er in der Wiener Unterwelt immer wieder stieß. Dennoch: Immerhin zwei der Befragten gaben auf seine Nachfrage an, dass ihnen die schwarze Limousine aufgefallen war, konnten aber keine genaueren Angaben dazu machen. Hoffentlich würde ihm Borns Witwe darüber Klarheit verschaffen können – zu viele unbekannte Variablen machten Schäfer nervös.

      Er stieg in den Wagen, fuhr bis zur nächsten Umkehrmöglichkeit und machte sich auf den Nachhauseweg. Als er auf dem Gürtel im Stau stand, überlegte er, ob er nicht doch ins Kommissariat fahren sollte, um mit seinen Mitarbeitern die ersten Ermittlungsergebnisse zu besprechen. Doch dann würde er das Laufen streichen müssen. Schauen Sie auf sich, hatte ihm sein Therapeut geraten. Schäfer bog vom Gürtel ab und parkte zwanzig Minuten später vor seinem Wohnhaus.

      4.

      Kurz vor acht läutete Bergmann an der Haustür. Schäfer bat ihn herauf, da er sich noch nicht fertig umgezogen hatte. Während er im Wäschekorb nach einem halbwegs sauberen Laufdress suchte – wann würde er sich endlich eine Putzfrau suchen? –, wärmte sich Bergmann im Vorraum mit Dehnungsübungen auf.

      „Das werden Sie auch nötig haben“, meinte Schäfer und schnupperte an einem zumindest äußerlich sauberen T-Shirt, „letztes Mal sind Sie ja ganz schön eingegangen.“

      „Schlechten Tag gehabt“, entgegnete Bergmann mit angespannter Miene, „heute überrunde ich Sie.“

      „Wenn ich Ihnen eine Runde Vorsprung gebe, vielleicht.“ Schäfer schob seinen Assistenten aus der Wohnung und versperrte die Tür.

      Auf der Fahrt zu den Steinhofgründen tauschten sie sich über die Ermittlungsergebnisse aus, die noch nicht einmal im Ansatz auf einen Verdächtigen hinwiesen. Schreyer war auf die Telefonnummer angesetzt, Strasser wühlte sich durch Borns Geschäftsverbindungen, Leitner war mit Befragungen beschäftigt. Gab es irgendwelche Ergebnisse von den Forensikern oder aus der Gerichtsmedizin?

      „Nichts, was auf ein gewaltsames Eindringen hinweist … die Alarmanlage war deaktiviert, die Kameras ebenfalls … sieht tatsächlich so aus, als hätte Born seinen Mörder freiwillig ins Haus gelassen. Von Koller ist noch nichts Neues gekommen …“

      „Verstehe … da vorne ist ein Parkplatz frei …“

      Bergmann stellte den Wagen an der Mauer ab, die die Steinhofgründe umgab, legte die Lenkradsperre ein und stieg aus. Sie liefen sich ein und steigerten dann langsam ihr Tempo, bis ihnen das Reden schwerfiel. Für ein effizientes Training waren sie zu schnell unterwegs, das war ihnen beiden klar – doch seit Schäfer wieder regelmäßig Sport trieb, hatte sich auch wieder der Wettkampfcharakter ihrer gemeinsamen Laufrunden eingestellt. Als sie an der Otto-Wagner-Basilika vorbeikamen, sah Schäfer das Plakat, das auf die Ausstellung in einem der Pavillons der psychiatrischen Anstalt hinwies. Das Telefonat mit Isabelle, so schließt sich der Tageskreis, dachte er beim Anblick des ausgezehrten Mädchens, das von einem amerikanischen GI mit Rotkreuz-Binde aus dem Gebäude getragen wurde. Hier hatte der Arzt gewütet, dem jetzt am Internationalen Gerichtshof in Den Haag der Prozess gemacht wurde. Dass dieser über sechzig Jahre nach seinen Verbrechen ausgeliefert werden konnte, war auch dieser Ausstellung zu verdanken. Zwei deutsche Journalisten hatten sich nach deren Besuch auf die Spur des Folterers gesetzt und ihn schließlich in Buenos Aires gefunden. Wie war jemand zu so etwas fähig? Und wer bringt es fertig, diesen Wahnsinn heute noch zu verteidigen, gedachte Schäfer des jüngst verblichenen Hermann Born.

      Ein Mann mit ungepflegtem Vollbart, in Socken und in einem hellblauen Schlafanzug kreuzte ihren Weg, unverständlich vor sich hin murmelnd und gierig an einem erloschenen Zigarettenstummel saugend. Ein Patient der Psychiatrie, war sich Schäfer sicher und wurde von einer in letzter Zeit sehr seltenen Schwermut befallen. Dieser riesige wilde Park, durch den sie liefen, ein einziger bipolarer Zustand, wo sich die zahlreichen Obstbäume der herrschenden Hoffnungslosigkeit in der Klinik entgegenzustemmen schienen, indem sie im Frühjahr wie manisch erblühten, größer, duftender und üppiger als anderswo. Und wie nah war Schäfer selbst vor Kurzem diesem Zustand aussichtsloser Verzweiflung gewesen. Hatte sich schon als einer der tragisch in sich gekehrten Menschen gesehen, die ihm beim Laufen regelmäßig unterkamen. Die Depressiven, Schizophrenen, Suchtkranken, deren Zustand ihnen meist nicht einmal erlaubte, ihre Kleidung dem Wetter anzupassen. So zogen sie barfuß durch den Schneematsch, hüllten sich im Juli in dicke Jacken, zwischen den Fingern erloschene Zigarettenstummel, an denen sie gierig saugten. War es schlicht Glück gewesen, das ihn vor einem derartigen Schicksal bewahrt hatte? Doch was wäre es schon gewesen im Vergleich zu dem, das den Hunderten Kindern während des Krieges hier heroben widerfahren war. Schäfer hielt an einem Brunnen und hielt den Kopf unter das fließende Wasser.

      „Gesund ist das nicht“, ermahnte Bergmann ihn.

      „Aber das geringere Übel.“

      Bevor sie zurück zum Wagen gingen, machten sie an einem Holzzaun ein paar Dehnungsübungen, schweigsam und auf das Ziehen in den Muskeln konzentriert.

      „Ist irgendwas?“, wollte Bergmann wissen, als sie langsam den Wilhelminenberg hinabfuhren.

      „Nein СКАЧАТЬ