Der bessere Mensch. Georg Haderer
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Название: Der bessere Mensch

Автор: Georg Haderer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Schäfer-Krimi

isbn: 9783852187044

isbn:

СКАЧАТЬ … die Maklerin hat gemeint, dass ich mich hier sehr sicher fühlen werde, weil … ja …“

      „Ich bin bei der Mordkommission, kein Leibwächter … außerdem ist das doch eine ziemlich sichere Gegend hier …“

      „Wahrscheinlich … ich bin ein ängstlicher Mensch, das gebe ich zu …“

      „Na dann … ich muss mich um mein Abendessen kümmern … bis demnächst.“

      „Ja … hat mich gefreut … Herr … Major …“

      Schäfer ging ins Bad, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Dass er einen neuen Nachbarn bekommen würde, hatte er gewusst. Und nachdem er mit der lebenslustigen Studentin, die zuvor neben ihm gewohnt hatte, bis auf ein paar sporadische Faustschläge gegen seine Schlafzimmerwand immer gut ausgekommen war, hatte er der Ankunft eines neuen Nachbarn mit einer gewissen Spannung entgegengesehen. Und jetzt dieser paranoide Geranienfreund; der beim ersten Sturm, der an den Balkonmöbeln rüttelte, an Schäfers Tür hämmern und ihn bitten würde, in seinem Bett schlafen zu dürfen … mit der Pistole unter dem Kopfkissen. Er trocknete sich ab, zog Shorts und ein T-Shirt an und ging in die Küche, um das Abendessen zuzubereiten. Als er fertig war, horchte er auf den Balkon hinaus. Nichts. Er nahm seinen Teller, ein Stück Weißbrot und eine Flasche Bier und setzte sich damit an den kleinen Balkontisch. Langsam kauen, ermahnte er sich, genießen. Nachdem er fertig gegessen hatte, ließ er sich in den Liegestuhl fallen, nahm einen Schluck aus der Bierflasche und schaute über die Häuserdächer. Wie ein abgeschnittener Fingernagel sah der Mond aus. Aus der Nebenwohnung hörte er seinen neuen Nachbarn Möbel verrücken. Das Folgetonhorn eines Polizeiautos. Er hörte ihm zu, bis es sich irgendwo in den Außenbezirken verlor. Nichts, das ihn etwas anging. Schäfer stellte die leere Bierflasche auf den Boden und zupfte ein Blatt vom Basilikumstrauch, der in der Ecke stand. Ein Geschenk von Isabelle. Die erste Pflanze auf seinem Balkon; mittlerweile hatte er ihr einen Lavendel und einen Oleander zur Gesellschaft gebracht. Und Isabelle? Sie würde nach Den Haag gehen, an den Internationalen Gerichtshof. Eine Berufung, die sie auf keinen Fall ablehnen durfte. Aber sie hätte Nein gesagt, das wusste Schäfer. Er hätte Nein sagen können. Und sie wäre geblieben. Stattdessen … stattdessen hatte er sich dahinter verschanzt, dass sie ihre Entscheidung allein treffen müsse; er wolle ihr auf keinen Fall im Weg stehen, wenn es um ihr berufliches Weiterkommen ging; wozu solle sie es denn bringen in Wien, in diesem bornierten Männerverein; er hatte ihre Rolle als emanzipierte Frau gegen sie ausgespielt, um nicht zugeben zu müssen, dass er zu feige war, sich auf eine feste Beziehung einzulassen. Denn dass sie das wollte, war ihm klar. Und er? Kinder? Zwanzig Jahre war er jetzt Polizist; und dieser Gedanke kam ihm vor, als schlüge ihm jemand in einem Wiener Wirtshaus vor, frittierte Vogelspinnen zu probieren. Was? Jetzt gleich? Hier? Natürlich war dieses Bild noch irgendwo in seinem Kopf: er mit einer kleinen Tochter auf dem Schoß, im Garten, auf einer Holzbank an der Hausmauer sitzend, den rechten Arm um sie gelegt, die linke Hand an der Stirn zum Schutz vor der Sonne, ui, lag da gar noch ein Hund neben ihnen? Doch dieses Bild war auf altem Fotokarton, mit dem typischen Sepiaton der Verklärung, archaisch und schwer in die Wirklichkeit zu holen, wo das Böse Tag für Tag in echten Farben über die Bildschirme lief. Wie sollte er das ertragen, sein eigenes Kind in dieser Welt zu wissen; doch er wollte Isabelle nicht verlieren, auf keinen Fall; morgen würde er sie anrufen, irgendwie würden sie das schon hinkriegen, bestimmt. Er zerrieb das Blatt zwischen seinen Fingern und roch daran. Basilikum, eindeutig. Er lächelte. Wie er sich im Augenblick fühlte … Glück wollte er dazu nicht sagen. Aber wie sonst sollte man es denn nennen.

      3.

      Es war die Amsel, nicht der Wecker. Dennoch stand Schäfer gleich nach dem Erwachen auf – so konnte er den Tag mit einem langen Frühstück auf dem Balkon beginnen und in aller Ruhe mit Isabelle telefonieren. Er ging ins Bad, rasierte sich, duschte. Mit einem Handtuch um die Hüfte und der Zahnbürste im Mund stellte er sich auf die Waage. Drecksding, hämisches Mistvieh, fluchte er leise, putzte seine Zähne fertig und ging in die Küche, um aus den Einkäufen vom Vortag ein ausgiebiges Morgenmahl zu bereiten.

      Nach einem Joghurt mit frischen Erdbeeren, einer Schinkensemmel, einer Marmeladesemmel und einem weichen Ei setzte er sich mit einer Tasse Tee in den Liegestuhl und nahm das Telefon zur Hand. Den Daumen schon auf der Kurzwahltaste, sah er die Zeit: nicht einmal halb sechs – das konnte er nicht bringen. Sah er eben dem glühend roten Sonnenball zu, wie der sich, unbeirrbar und ganz der souveräne Himmelsriese, der er war, über den Horizont schob und an die Arbeit machte. Nicht schlecht für dein Alter, grüßte Schäfer das Gestirn mit erhobener Teetasse, gab sich noch ein paar Minuten den Strahlen hin und holte dann seinen Laptop aus dem Wohnzimmer. Mal sehen, ob Borns Geist schon in der virtuellen Welt angekommen war. Nachdem Schäfer dessen vollen Namen in eine Suchmaschine eingegeben hatte, bestätigten die ersten beiden Ergebnisse seine Vermutung: Zwei Tageszeitungen brachten die Geschichte als großen Aufhänger auf der Startseite. Der Verräter ist immer der Gärtner, kam es Schäfer in den Sinn, als er sich durch die Bildergalerie klickte. Zuerst ein Porträt des Opfers, dann gleich ein Foto, das einen der Forensiker beim Verlassen der Villa zeigte – um die Gasmaske in seiner linken Hand hatten die Bildbearbeiter einen roten Kreis gezogen. Dass Born vielleicht ganz unspektakulär seinen Kopf in den Gasherd gesteckt haben könnte, kam in den Mutmaßungen des Reporters nicht vor. Hier wurde gleich über Viren und biochemische Kampfstoffe spekuliert. Gut, Schäfer wusste, dass die Zeitspanne zwischen einem unübersehbaren Auftreten der Polizei und einer entsprechenden Pressemeldung die Boulevardmedien und ihre Leser ungleich mehr erregte als Tatsachen – die geile Kluft zwischen Fiktion und Fakten. Was Schäfer tatsächlich überraschte, war, dass sein Handy noch kein einziges Mal geläutet hatte. An der Uhrzeit konnte es nicht liegen. Bei den zahlreichen Gefallen, die er ein paar Journalisten schuldig war, hätte er sich über einen Anruf um halb sieben nicht einmal ärgern dürfen. Am besten, er blockierte rechtzeitig aktiv die Leitung.

      „Guten Morgen … Natürlich … Ich auch gerade … Die haben keine Semmeln? … Soll ich dir welche schicken? … Auch wieder wahr … Wie geht’s dir? … Das verstehe ich … Na ja, ich bin schon lange nicht mehr umgezogen … Einen alten Baum … Das war ein Scherz, ich fühle mich gut, bis auf … Ja, hab ich … Bis gestern noch ruhig … Hermann Born … Genau der … Dem hat einer Phosphorsäure über den Kopf gegossen … Wenn ich das wüsste, könnte ich den Fall abschließen … Ja, den Namen hab ich schon einmal gehört … Sechsundneunzig? Und der soll den Prozess überleben? … Nein, sicher bin ich dafür, dass so einer verurteilt wird, was glaubst du … Sicher kenne ich die Baumgartner Höhe, ist meine Laufstrecke … Ja, in der Ausstellung war ich vorigen Monat mit einer Schulklasse, habe ich dir eh erzählt … Natürlich … Kommst du am Wochenende? … Verstehe … Ja, stress dich nicht … Ich denke nicht, dass wir den in den nächsten Tagen schnappen … Wäre schön, ja … Ist gut … Jederzeit, und wenn du was brauchst … Mach ich … Du auch … Bis bald.“

      Er legte das Telefon weg, atmete tief durch und legte sich die linke Hand aufs Herz. Wie bei einem Teenager, lächelte er wehmütig. Und noch mindestens zwei Wochen … vielleicht konnte er ja eine falsche Spur nach Den Haag legen. Isabelle arbeitete dort gerade an der Anklage gegen einen neunzigjährigen Arzt, der vor ein paar Monaten von Argentinien ausgeliefert worden war. Während des Zweiten Weltkriegs hatte er in einer Klinik auf der Baumgartner Höhe unter dem Vorwand medizinischer Forschung Hunderte Kinder malträtiert, sie mit Pockenviren, Masern und anderen schweren Krankheiten infiziert und dann kontrolliert sterben lassen. Bitte führt die Guillotine wieder ein! Jetzt beherbergte das Klinikgelände eine der größten psychiatrischen Einrichtungen Österreichs – und seit einem Jahr auch eine Ausstellung, die sich den ermordeten Kindern widmete. Vor gut einem Monat hatte Schäfer im Rahmen eines Schulprojekts eine Oberstufenklasse dorthin begleitet. Der anschließende Vortrag, den er penibel vorbereitet hatte, war völlig misslungen. Die Bilder der Toten im Kopf, die verzweifelten Blicke der ausgezehrten und schwer kranken Kinder, wie hätte er da noch sachlich und souverän über die Beweggründe von Schwerverbrechern referieren sollen. Morgen verdorben, dachte er und warf den Rest der Semmel СКАЧАТЬ