Der bessere Mensch. Georg Haderer
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Название: Der bessere Mensch

Автор: Georg Haderer

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Schäfer-Krimi

isbn: 9783852187044

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СКАЧАТЬ waren auch dort?“

      „Ja … letzte Woche …“

      „Freiwillig?“

      „Wie man’s nimmt … auf jeden Fall ist Ignorieren und Wegschauen auch eine Form der Wiederbetätigung, oder?“

      „Wie wahr … bis morgen“, sagte Schäfer und drückte die Wagentür auf.

      „Ja, bis morgen“, erwiderte Bergmann mit einem gezwungenen Lächeln.

      Gleich nachdem er die Wohnung betreten hatte, schlüpfte Schäfer aus seinem Laufdress und stellte sich unter die Dusche. Doch die Schwermut, die auf ihm lastete, ließ sich nicht abwaschen wie die Salzkrusten auf dem Gesicht. Mit einem Glas Wasser und einem überreifen Pfirsich setzte er sich auf den Balkon. Ihm war übel und er war froh, als sein Nachbar auf den Balkon trat.

      „Müde?“

      „Ja … war ein anstrengender Tag …“

      „Soll ich Sie massieren?“

      „Wie bitte?“

      „Ich bin Heilmasseur … klassische Massage, psychoenergetische, Shiatsu …“

      Schäfer wollte ablehnen; er fühlte sich wie ein gestrandeter Wal in seinem Liegestuhl; andererseits: Tun Sie sich etwas Gutes, Herr Schäfer.

      „Na ja … wenn es Ihnen keine Umstände macht …“

      „Überhaupt nicht … ich muss ohnehin wieder langsam in Übung kommen …“

      „Na gut … soll ich zu Ihnen hinüberkommen?“

      „Wäre am besten, da haben wir den Tisch“, meinte Wedekind und ging in die Wohnung, um Schäfer die Tür zu öffnen.

      Die Einrichtung war noch etwas karg, aber durchaus geschmackvoll. Fast weiblich, dachte Schäfer, als er die orange- und türkisfarbenen Wandteppiche betrachtete. Wedekind ließ die Jalousien herunter. Schäfer solle sich auf den Tisch legen, Bauch nach unten, Hände neben das Gesäß. Langsam und gleichmäßig atmen, ganz entspannt liegen. Während Schäfer tat, wie ihm geheißen, legte sein Nachbar eine CD mit indianischer Musik ein. Heya, heya, heya, heyayaya … wo bin ich denn hier gelandet, dachte Schäfer, während Wedekind mit dem Handballen sanft auf seinen Nacken einzudrücken begann. Als er das Gleiche bei Schäfers Steißbein tat, bekam er völlig unerwartet eine Erektion.

      „Ihre Libido ist blockiert“, meinte Wedekind nüchtern, wobei Schäfer genau den gegenteiligen Eindruck hatte.

      Doch womöglich hatte sein Nachbar recht. Isabelle hatte er zuletzt vor vier Wochen gesehen. Und wenn er es sich recht überlegte: Wann hatte er denn zuletzt mit einer Kellnerin geflirtet oder auch nur einer Frau hinterhergesehen? Er hatte keine Lust, das war es wohl; auf dem Beipackzettel ebenfalls als Nebenwirkung angeführt; doch mit dieser hatte Schäfer nicht gerechnet.

      Mit einem leisen „Danke“ teilte Wedekind dem fast schon schlafenden Schäfer nach einer knappen Stunde mit, dass die Behandlung beendet sei. Doch er solle noch so lange liegen bleiben, bis er wieder ganz bei sich sei.

      „Chmm“, machte Schäfer und zwang sich nach ein paar Minuten, die Augen zu öffnen und aufzustehen.

      „Sie sind gut in Form, aber ziemlich verhärtet.“ Wedekind hielt Schäfer eine Tasse hin.

      „Ich fühle mich aber gerade ziemlich weich … das war eine Wohltat, danke.“

      „Gern geschehen … wann immer Sie möchten.“

      „Nur wenn ich Ihnen dafür den üblichen Stundensatz zahlen darf“, sagte Schäfer und trank das lauwarme Ingwergetränk in einem Schluck.

      „Beim nächsten Mal … dieses Mal geht aufs Haus.“

      „Na, dann sage ich doppelt Danke … und jetzt werde ich mich wohl hinlegen … gute Nacht, Herr Nachbar.“

      „Gute Nacht, Major.“

      Obwohl Schäfer wie erschlagen war, gelang es ihm nicht, einzuschlafen. Diese Ausstellung … der Blick auf das Plakat hatte wie ein Schlag unterhalb der Kniescheibe funktioniert, das Entsetzen war nach oben geschnellt; die alltäglichen Leichen, egal in welchem Zustand, vermochten diesen Reflex nicht mehr auszulösen … aber Kinder, wie konnte jemand so mit Kindern umgehen? Er wälzte sich ein paarmal herum und stand schließlich auf, um sich vor dem Fernseher abzulenken. Bei einem Verkaufssender, auf dem ein vorgealterter, solariumoranger Mann unter Aufputschmitteln einen Universalmixer anbot, blieb Schäfer hängen. Zuerst landeten die üblichen Gemüsesorten in verschiedenen Plastikaufsätzen … ein Knopfdruck und Suppe. Doch als der Verkäufer einen Avocadokern und dann eine Handvoll Betonschutt in den Mixer warf und dieser alles zu feinem Staub verarbeitete, richtete sich Schäfer auf und sah der Präsentation mit wachsendem Interesse zu. Zu guter Letzt schrieb er sich den Namen des Geräts auf einen Notizzettel, stellte den Fernseher auf lautlos und nahm das Telefon. Er suchte die Nummer seiner Nichte aus dem Adressbuch und drückte die Wähltaste. Er ließ es läuten, bis die Mailbox kam, und legte auf, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Dann eben ihren Vater.

      „Hallo Jakob … Wieso soll ich nicht schlafen können, darf ich meinen Bruder nicht mehr anrufen … Gut, dir? Hast du Dienst? … Wer ist denn gestorben? … Bienenfeld? Nein, sagt mir nichts … Okay, natürliche Ursache? … In seiner Ordination? Und da hat ihm niemand geholfen? … Verstehe, wie alt war er? … Trotzdem früh … Wie geht’s Lisa? … Habt ihr wieder gestritten? … Nein, bestimmt nicht … Vielleicht zieht sie ab und zu an einem Joint … Aber nie in dem Ausmaß, wie wir das betrieben haben, liebes Brüderlein … Natürlich ist das mit den eigenen was anderes, aber … Behaupte ich auch gar nicht … Aber im Vergleich zu den Jugendlichen, die ich hier so mitbekomme, fällt Lisa in die Kategorie brav bis spießig … Also mach dir nicht zu viele Sorgen … Ja, ich rede mit ihr, versprochen … Na dann, entspannten Dienst noch und bau keinen Kunstfehler … Grüß Lisa von mir … Und natürlich auch Monika … Servus.“

      Schäfer legte das Telefon weg und musste über die Sorgen seines Bruders lächeln. Wenn alle Mädchen in diesem Alter so wie Lisa wären, müsste man sich keine Sorgen um die Zukunft der Welt machen. So liebenswürdig, feinfühlig und großzügig – wenn er selbst je eine Tochter bekäme, würde er sich wünschen, dass sie so wie Lisa wäre. Er ging in die Küche und durchsuchte die Anrichte nach Schokolade oder anderen Süßigkeiten. Nichts. Wo war denn die Familienpackung Mannerschnitten hingekommen, die er vor ein paar Tagen gekauft hatte? Er zog das T-Shirt hinauf, packte mit beiden Händen das Fettgewebe unterhalb seines Nabels zwischen Daumen und Zeigefinger und zog daran. Er musste wirklich Obacht geben.

      5.

      Den Kopf umwölkt von den Traumresten einer unruhigen Nacht, erschien Schäfer im Kommissariat. Sollte er seinem Therapeuten am Nachmittag von der Ausstellung auf der Baumgartner Höhe erzählen? Dass er sich freiwillig gemeldet hatte, die Schulklasse dorthin zu begleiten? Sie sollten sich nicht noch zusätzlich zu ihrer Arbeit dem Schrecken des Todes aussetzen – etwas in der Richtung würde ihm der Therapeut vorwerfen, zu dem er inzwischen nur mehr alle zwei Wochen ging. Was sollte er denn tun? Nicht hinsehen war auch eine Form der Wiederbetätigung, wie Bergmann treffend bemerkt hatte. Außerdem hing doch alles zusammen: die Mörder und ihre Opfer, die eine Grausamkeit mit der anderen; und wenn man den Tod einmal zum Reiseleiter gewählt hatte, musste man sich nicht über die Orte wundern, an die er einen führte. Er warf dem Psychiater ja auch nicht vor, СКАЧАТЬ