Der mondhelle Pfad. Petra Wagner
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Название: Der mondhelle Pfad

Автор: Petra Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783867779579

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      „Apropos Sonne!“, rief Loranthus und klatschte sich auf die Schenkel. „Die römischen Kaiser sehen immer durch geschliffene Brillanten hindurch, damit sie die Sonne nicht blendet. Das hier hätte sicher den gleichen Effekt!“

      Silvanus sah ihn nachdenklich an, ließ sich von Lavinia das Glas geben, warf seine langen Haare zurück und erhob sich.

      „Etwa so, Loranthus?“

      Er machte ein überhebliches Gesicht, stolzierte auf und ab, winkte würdevoll in die Runde und hielt den Daumen hoch oder runter.

      Alle lachten. Loranthus wusste jedoch nicht so recht, wie er darauf reagieren sollte, schließlich machten sie sich immer über sein römisches Bürgerrecht lustig. Aber Arminius klopfte ihm gutmütig auf die Schulter und so schmunzelte auch er. Als sich Silvanus graziös auf der Kuhhaut ausstreckte und sich ein zweites Glas vor das andere Auge klemmte, musste er sich schon den Bauch halten. Wie er versuchte, sein Wasser im Liegen zu trinken und gleichzeitig noch zu winken, grölte Loranthus sogar lauter als die anderen und schubste Arminius von der Decke.

      Sie waren gerade dabei, sich die letzten Lachtränen aus den Augen zu wischen, als die Hörner erklangen und sie mit schmerzenden Kieferknochen dem abgebrannten Opfer entgegenliefen.

      Afal erwartete sie schon, gestützt auf seinen Druidenstab, wie ein müder Schäfer seine behäbigen Schäfchen.

      „Nachkommen des Cernunnos!“, rief er entgegen dieser äußeren Erscheinung mit ungeahnt lauter Stimme und zeigte in die Runde. „Die Götter haben uns ihre Gunst bewiesen. Lasst uns diesen besonderen Tag ehren, unser Haupt gen Osten neigen und die Weihe vollziehen.“

      Loranthus wollte schon niederknien, doch alle reihten sich der Rangordnung nach hinter Afal ein.

      Das ging so schnell, als würden sie es jeden Tag üben. Er jedoch stand mitten im Gewühle, drehte sich unschlüssig hin und her … mit einem Ruck zuckte sein Kopf zurück.

      Wie gebannt starrte er auf Afal oder genauer, auf dessen seltsame Kopfbedeckung. Eine höchst skurrile Kopfbedeckung. Ein Riesending von Kopfbedeckung.

      Es war ein glänzender Hut, mindestens eine Elle hoch, und er verjüngte sich nach oben wie ein langgezogener Kegel, nein, eher wie ein Finger. Dieser fantastische Hutfingerkegel schien ganz aus Gold zu sein. Seltsame Zeichen waren darauf eingraviert: Kreise, Striche … So etwas hatte er schon gesehen. Aber wo und wann? Vielleicht erst gestern, aber wieso konnte er sich an so etwas Herausragendes, im wahrsten Sinne des Wortes, nicht er … Da kam Silvanus, schnappte seinen Arm und zog ihn zu Arminius und den anderen Bauern.

      Loranthus hastete zwar neben ihm her, seine Augen klebten aber immer noch an Afals goldenem Hut. Hinter dem glänzenden Riesenfinger hatten sich der König und die anderen Druiden aufgereiht. Viviane stand neben Amaturix, beide in weiße Gewänder gehüllt. Wann hatte sich Viviane umgezogen?

      Silvanus schob Loranthus energisch hinter Tarian in die Reihe und stellte sich daneben, was ihn wieder auf seine eigenen Angelegenheiten aufmerksam machte.

      „Wo ist Hanibu?“

      „Die läuft hinter Lavinia und Robin.“

      „Ah, ja. Jetzt sehe ich sie“, sagte Loranthus nach hinten gekehrt und war sichtlich zufrieden, dass seine Sklavin nicht mit den anderen Sklaven an letzter Stelle laufen musste.

      „Wohin gehen wir jetzt, Silvanus?“

      „Zu unserem Heiligtum.“

      „Das ist oben auf dem höchsten Punkt vom Uhsineberga, stimmt’s?“

      „Nicht das Heiligtum. Wir gehen zum Kalendarium.“

      „Verstehe“, sagte Loranthus, doch seine Miene strafte ihn Lügen. „Und wieso verneigen wir uns nach Osten?“

      „Und das fragt einer, der sich mit dem Morgenland auskennt“, gluckste Silvanus und tat so, als ob er ihn besonders argwöhnisch musterte. Da Loranthus aber immer noch wie ein Schaf guckte, sagte er ganz langsam: „Weil bald im Osten die Sonne aufgeht. Wir begrüßen die Sonne nach ihrer Sommerwende.“

      „Aha! Geht ihr zur Wintersonnenwende auch zum Kalendarium und verneigt euch nach Osten, wenn die Sonne aufgeht? Ist es dann nicht viel zu kalt?!“

      „Zugig und rutschig hast du vergessen. Im Winter schneit es immer ordentlich“, fügte Silvanus noch hinzu und sah, wie Loranthus prompt eine Gänsehaut bekam. Vergnügt rieb er sich die Hände. „Du machst dir ja keinen Begriff, Loranthus! Das wird sogar klirrend kalt und der Atem gefriert einem im Mund und die Zähne klappern wie irre. Wenn man nicht aufpasst, bricht man sich einen ab. Deshalb sollte man durch die Nase atmen. Wenn man Glück hat, bekommt man keinen Schnupfen, sonst gefriert der Rotz und die Nase ist dicht. Dann muss man wieder den Mund aufmachen … Ja, das ist wirklich alles gar nicht so einfach … Was soll der neu geborene Sonnenkönig von uns denken, wenn wir dastehen mit abgebrochenen Zähnen und ellenlangen Eiszapfen an der Nase … Deshalb bleibt man lieber zu Hause und verbringt die Nacht im Stillen. Wenn der alte König stirbt, ist alles still, wie es sich gebührt. Alle warten.“

      „Was? König Gort stirbt?“

      „Nein. Niemand stirbt wirklich, Loranthus. Ich meinte den Sonnenkönig als Symbol für die Wintersonnenwende. Denk an den Tanz von Elektra und Viviane. Sie haben doch auch nur die Mondgöttin symbolisiert.“

      „Und König Gort hat mit Pfeil und Bogen den Sonnengott verkörpert.“

      „Ja, genau. Die Wintersonnenwende ist die geweihte Nacht, wenn die Sonne ihren Jahreslauf beendet und einen neuen Umlauf beginnt. Symbolisch stirbt der alte König und der neue wird geboren. Alles beginnt von vorne, ein ewiger Kreislauf.“

      „Puh, und ich dachte schon …“

      Silvanus klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

      „Nicht denken, Loranthus! Beobachten, erkennen, wissen.“ Er lachte auf. „Fragen geht natürlich schneller.“

      „Deshalb bin ich hier“, seufzte Loranthus und reckte den Kopf, damit er den goldenen Hut von Afal besser im Blick hatte. Der oberste Druide schwenkte gut sichtbar von der Wiese ab auf einen breiten Weg. Alle folgten ihm wie die Schafe zu einer anderen Weide. Loranthus musste sich das Lachen verkneifen und fragte deshalb: „Ist das dieser Königsweg, der vom Uhsineberga zum Dietrichsberg führt?“

      Silvanus nickte, deutete aber seitwärts in den Wald hinein.

      „Wir folgen ihm nur ein kurzes Stück und zweigen gleich zum Kalendarium ab. Aber keine Bange, der Trampelpfad ist gut gangbar.“

      „Etwas anderes hätte ich auch nicht erwartet“, murmelte Loranthus mit Blick auf den goldenen Hut, der nach rechts ausscherte.

      Als er kurz darauf selbst vom Wege abbog und einem gewundenen Pfad folgte, gab er es auf, ständig den Hals zu recken. Fasziniert betrachtete er mächtige Tannenbäume und ausladende Kronen riesiger Buchen oder Ahorne. Zwei Männer hätte man gebraucht, um diese Stämme zu umfassen, vielleicht sogar drei.

      Ohne es zu bemerken, ging sein Kopf immer weiter in den Nacken und er staunte wie ein kleines Kind, als hätte er noch nie einen Wald gesehen. Das war natürlich Schwachsinn, aber er hätte es nicht benennen können … Er hörte die Stille, obwohl sich die Leute gedämpft unterhielten. СКАЧАТЬ