Название: Der mondhelle Pfad
Автор: Petra Wagner
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783867779579
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Da rief Afal auch schon: „Hiermit gebe ich dir den Namen ‚Gabe der Götter‘! Achte das Leben und hüte die göttlichen Gaben!“ Mit diesen Worten reichte er das nasse Schwert an Amaturix zurück.
Silvanus stieß Loranthus an und flüsterte: „Hast du gesehen, wie präzise sie das Schwert parallel zu sich halten und nur mit den Fingerspitzen berühren?“
„Jetzt, wo du es sagst …“, wisperte Loranthus zurück. „Warum machen sie es so umständlich?“
„Wenn man es anders berührt, oder die Schwertspitze auch nur ein kleines bisschen zu dem einen oder anderen hinzeigt, kann das derjenige schon als Provokation deuten.“
„So ein Schwachsinn“, zischte Loranthus leise. „Das ist Afal, der da vorne steht! Ist dir das noch nicht aufgefallen?“
„Kein Schwachsinn, Loranthus. Egal wer es ist, Ausnahmen werden nur bei Kindern gemacht. Und jetzt still! Viv ist dran.“
Viviane beugte ihr Haupt und hielt ihr Schwert exakt zwischen sich und Afal, der es ihr ganz vorsichtig abnahm und ins Steinbecken tauchte. Loranthus dachte an Namen wie: die Unbesiegbare, die Unbeugsame, die Erhabene, die Kühne, die Gerechte, die Glorreiche …
Er war total perplex, als Afal rief: „Hiermit gebe ich dir den Namen ‚Der mondhelle Pfad‘! Achte das Leben und hüte die göttlichen Gaben!“
Was sollte das heißen: Der mondhelle Pfad?! Wollte Viviane aus ihrem Schwert einen Wanderstock machen für einen lauschigen Spaziergang mit Silvanus bei Mondschein?! Doch kein Krieger nannte sein Schwert so, wie es Loranthus erwartet hatte. Und als sie wieder vom Heiligtum herab schritten, erklärte es ihm Viviane selbst, denn nun war der offizielle Teil vorbei und jeder lief, wo er wollte.
„Du musst den Namen fühlen, Loranthus. Das können Wünsche sein oder Versprechen, wichtige Ereignisse in deinem Leben oder andere Dinge, die dir Kraft spenden. Diese Kraft soll mit dem Namen auf dein Schwert übergehen. Es ist dein Beschützer, dein Freund, das Beste was du hast! So ähnlich wie ein Hilfsgeist bei einem Geisterflug. Verstehst du?“
„Deshalb hat Wahedon sein Schwert ‚Für das Leben‘ genannt?“
„Ja, weil sein Weib und sein Sohn ihm alles bedeuten.“
„Du hast beiden das Leben gerettet, Viviane“, bemerkte Loranthus und winkte sofort ab, um ihren Protest zu unterdrücken. „Ich weiß schon! Es stand in deiner Macht. Also. Wann macht man so eine Schwertweihe? Ich meine: Du hast dein Schwert doch schon länger und Amaturix auch und all die anderen Krieger.“
„Das kann jeder machen, wie er will. Jede Sommersonnenwende bekommt man die Gelegenheit dazu. Es kommt nur darauf an, wann du den Namen in dir hörst. Zum Beispiel, wenn sich in deinem Leben etwas Wichtiges ereignet.“ Sie betrachtete ihn schelmisch von der Seite. „Du könntest dein Schwert zum Beispiel …“.
Sie machte eine Kunstpause, die Loranthus lachend nutzte.
„ … Elektra nennen?“
„Warum nicht?“ gluckste Viviane. „Aber es sollte sich geheimnisvoller anhören. Wie ‚Sonnenstrahlendes Mondhaar‘ oder so ähnlich.“
Loranthus lachte laut auf.
„Wenn ich jemals mehr als ein Holzschwert führen sollte, dann nenne ich es ‚Verbindung zweier Bänder, die eins waren‘.“
„Wie kommst du denn auf den Namen?“
Loranthus sah sie ernst an und wiegte den Kopf.
„Ich weiß nicht genau, Viviane. Aber in letzter Zeit kommt mir immer öfter der Verdacht, dass mich viel mehr mit deinem Volk verbindet, als meine Liebe zu Elektra.“ Er raufte sich die Haare und stöhnte. „Was soll ich nur machen, Viviane? Ich will sie nicht verlieren, sie kann nicht von hier weg, mein Vater erwartet mich … unsere Händlerdynastie … ich bin sein einziger Erbe …“
Viviane zog seine Hände herunter.
„Jetzt warten wir erst mal vor Tinnes Haus, damit auch die kleine Germania ihre Weihe bekommt. Dann bringen wir unsere neue Statue an ihren angestammten Platz. Viele von uns werden dort eine Bitte an Sünna richten und ihr ein Opfer versprechen, wenn sie unsere Wünsche erfüllt. Vielleicht hast auch du einen Wunsch? Weißt du, Loranthus: Ich habe lange überlegt, bis ich einen Namen für mein Schwert gefunden habe und als ich am wenigsten daran dachte, war er einfach da. Vielleicht ist es ja bei dir genauso. Es gibt so viele Möglichkeiten … Warte einfach auf die richtige.“
Loranthus stöhnte wieder auf und Viviane tätschelte ihm die Schulter.
„Bald, Loranthus, bald.“
Die Zeit geht vorbei, ob bei Spiel oder Arbeit
Wenn es Loranthus an diesem Tag auch nicht geglaubt hatte: Die Zeit bis zu Lugnasad verging schneller als geahnt.
Das lag wohl daran, wie gut er sich schon in Vivianes Familie fügte.
Er harkte die Gemüsefelder, ohne Blasen an den Händen zu bekommen. Seine Arme taten ihm beim Korn mahlen mit der Drehmühle nicht mehr weh und er hämmerte sogar manchmal unter dem wachsamen Blick von Arminius auf dem Amboss herum. Ein Federmesser, ein Feuereisen sowie drei Halter für eine Dachrinne hatte er schon eigenhändig gefertigt, letzteres für das neue Haus von Viviane und Silvanus. Oder vielleicht doch lieber nur für den Schuppen der beiden, weil er die Sache mit dem Feingefühl immer noch nicht richtig raus hatte. Wolle kämmen war dagegen das reinste Kinderspiel.
Mittlerweile konnte er schon eggen, säen und wusste, wann das Gemüse reif zum Ernten war. Um das Schlachten von Viehzeug hatte er sich zwar bis jetzt noch erfolgreich herum gedrückt, aber dafür hatte er das Häuten und Gerben, den Gebrauch einer Sense und das Reusen bauen genauso schnell erlernt wie spinnen und Wolle färben. Flora war richtig stolz, als er das Färber-Wau mitsamt der Wurzel ausriss und wusste, dass man damit ein kräftiges Gelb bekommt. Seine Lieblingsfarbe war allerdings Blaubeere in allen Nuancen.
Das lag daran, dass man das Abfallprodukt nach dem Saftpressen noch so schmackhaft verwerten konnte. Jedenfalls war das Großmutter Maras Überzeugung, weil er so gerne Molke oder Buttermilch mit ausgepressten Blaubeeren trank. Am liebsten zwirbelte er alles höchstpersönlich durcheinander und mit besonders viel Elan, wenn Conall und Tarian in der Nähe waren.
Eines Tages hatte er es mit diesem Getränk dermaßen übertrieben, dass er fast den ganzen Tag zwischen der Töpferscheibe, dem Brennofen und dem Abort hin und her rannte. An letzterem Ort machte er sich darüber Gedanken, warum Flora ihm getrocknete Blaubeeren in den Mund geschoben hatte, damit der Durchfall aufhörte. Sie schmeckten grässlich, aber wirkten. Und, egal ob frisch oder getrocknet, schienen sie auch seinen Geist zu beeinflussen, denn nebenbei formte er mit dem Ton einen abstrakten Tierkörper aus Stier, Hirsch und Bär, der ihm in Gesicht und Frisur erstaunlich ähnlich sah.
Bei den letzten Feinheiten entwickelte er derartiges Geschick, dass sogar Großmutter Mara ihr wiederholtes „Hab ich’s dir nicht gesagt?!“ vergaß, als er das vierte Mal vom Abort kam und СКАЧАТЬ