Im März färbte sich der Frühling braun. Manfred Eisner
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Название: Im März färbte sich der Frühling braun

Автор: Manfred Eisner

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783961455188

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СКАЧАТЬ und dazu guten Appetit!«

       *

      Als sie später beim Kaffee in der ›Guten Stube‹ des geräumigen Bauernhauses gemütlich zusammensitzen, bemerkt Heinrich Stöver: »Frau Masal, ich beneide Sie wirklich um Ihre prächtige Familie. Wie gern hätte ich auch so eine gehabt!«

      »Wieso, Herr Kriminaloberrat, sind Sie denn alleinstehend?«, fragt Omi Clarissa.

      »Ach, wissen Sie, gnädige Frau, auch wir wurden das Opfer der vermaledeiten Nazis. Zwar keineswegs mit Ihrem Schicksal zu vergleichen, aber dennoch wurden auch wir gegen Kriegsende vom Hass der polnischen Nachbarn in Oberschlesien gejagt und verfolgt. Ich kann es ihnen keineswegs verdenken, zu viel Unrecht und Tod haben Deutsche den Polen in jenen bösen Jahren zugefügt, das ist wahr, aber auch wir – die nichts Unrechtes getan hatten – mussten dafür bitter büßen. Als damals Willy Brandt in Warschau auf den Knien um Vergebung bat, hätte ich mich am liebsten neben ihn gekniet. Es war für mich eines der tiefsten Erlebnisse meines Lebens. Jedenfalls, kurz bevor die Russen einmarschierten, wurde mein Vater, in dritter Generation Inhaber einer Ziegelei in Kochlowitz bei Katowitz, von einigen dort unter schmählichen Bedingungen schuftenden KZ-Insassen erschlagen. Durch das energische Eingreifen eines polnischen Vorarbeiters erlaubte man meiner Mutter und uns vier Kindern, unsere Siebensachen auf einen Pferdewagen zu laden, und jagte uns davon. Wir schlossen uns einem Treck von Flüchtlingen an und entkamen glücklicherweise der stets vorrückenden Roten Armee um eine Nasenlänge. Ich war der Jüngste, aber meine älteste Schwester erfror unterwegs und meine Mutter zog sich eine Lungenentzündung zu und starb, kurz nachdem wir endlich in dem zerbombten Deutschland angekommen waren. Auch eine meiner beiden verbliebenen Schwestern hat nicht mehr lange gelebt, die andere ist in Honigfleth verheiratet, deren Ehe blieb aber kinderlos. Ich hatte Glück und wuchs in Marne bei einem entfernten Verwandten meiner Mutter auf. Mein Abitur machte ich dann in Itzehoe und schlug daraufhin die Polizeilaufbahn ein. Ich war nur kurz mit einer sehr lieben Frau verheiratet, die leider bei der Geburt unseres ersten Sohnes starb. So bin ich allein geblieben, habe mich aber daran gewöhnt.«

       *

      Als Nili und Waldi am frühen Abend den Kriminaloberrat wieder nach Itzehoe zurückbringen, stehen zu seiner Verabschiedung alle an der Haustür und winken dem Passat hinterher.

      »Das ist also Nilis berühmt-berüchtigter ›Hein Gröhl‹? Mir kam er eher ruhig und angenehm vor«, meint Ima Lissy.

      »Möglich. Aber ich denke, jetzt lassen sich seine gelegentlichen schroffen Ausbrüche besser nachvollziehen«, urteilt Abuelita.

       3. Aus Nilis Tagebuch

      Nili nimmt sich mal wieder ihr Tagebuch vor, denn sie will darin die letzten Ereignisse festhalten. Sie tut es damit ihrer Abuelita Clarissa gleich, die schon in früher Jugend die bedeutenden und intimsten Gedanken ihren Tagebüchern anvertraut hat und gelegentlich Tochter und Enkelin auch daraus vorliest. Nili erfährt dadurch immer wieder interessante Begebenheiten aus ihrer Familiengeschichte und von den ereignisreichen Tagen der Flucht der Großeltern Heiko und Clarissa, ihrer Mutter Lissy und Onkel Oliver aus Nazi-Deutschland sowie aus ihrem bolivianischen Exil. In ihrem ersten Gymnasialjahr in Hamburg begann sie mit den Einträgen und hielt in unregelmäßigen Abständen alle jene erwähnenswerten Erlebnisse handschriftlich fest, die ihr bedeutend erschienen. Nach Antritt ihrer polizeilichen Karriere in Hamburg und anlässlich des schmerzhaften Endes einer Affäre mit einem Mann unterbrach sie diese Gewohnheit für längere Zeit und begann erst Jahre später damit – bereits zur Kriminaloberkommissarin befördert und nach Oldenmoor zurückgekehrt –, ihre interessantesten Fälle festzuhalten. Inzwischen tippt sie ihre Aufzeichnungen auf dem Laptop und speichert sämtliche Berichte auf einer separaten, nur dafür bestimmten Festplatte.

       Nachdem Waldi und ich KOR Stöver vor seinem Gästehaus in der Itzehoer Dorfstraße abgeliefert hatten, fuhren wir gleich weiter nach Kiel. Wir hatten uns erstaunt gezeigt, dass Stöver seit seiner Ankunft immer noch keine eigene Wohnung oder ein Haus bewohnt. Er meinte, für ihn hätte dies als Allleinstehender kaum einen Sinn. Er fühle sich sehr wohl bei seinem gastfreundlichen Wirtsehepaar Winter, das ihn mit allem Benötigten versorge. Waldi war der Meinung, dass er nach allem, was Stöver uns von sich erzählt hatte, viel besser nachvollziehen könne, weshalb dieser derart launisch sei und gelegentlich cholerische Ausbrüche habe. »Er ist allein und unglücklich, und diese Verbitterung macht ihn eben zu dem, was er ist!«, sagte er. Ich erwiderte, dass Stöver meines Erachtens in der letzten Zeit mit seinen Mitarbeitern etwas milder umginge, dies sei mir von denen auch mit Verwunderung berichtet worden und ich hätte ihnen scherzend empfohlen, ihm einen neuen Spitznamen zu geben. Waldi nickte bestätigend: »Daran hast aber du wesentlichen Anteil, weil du ihn besser zu nehmen weißt und er dich respektiert!«

      Den Rest des Wochenendes verbrachten wir in Waldis gemütlicher Wohnung und genossen ausgiebig unsere Zweisamkeit. Er hat das ehemalige Kapitänshaus des Großvaters nach dem Tod seiner Eltern in zwei Wohnungen aufgeteilt und eine davon selbst bezogen, wobei Kollege Lutz Krause vom KTI die andere mit seiner Familie bewohnt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich festhalten, dass unsere vormalige KTU im LKAvor allem wegen ihres in den letzten Jahren erlangten hochgradigen Spezialisierungsniveausvor Kurzem in den Rang eines Kriminaltechnischen Instituts gehoben wurde und unter der Gesamtleitung eines renommierten Kriminalisten und Akademikers steht.

       Gerade als wir es uns am Sonntagnachmittag mit einem duftenden schwarzen Tee und den restlichen Weihnachtskeksen am Kamin gemütlich machen wollten, klopfte es an der Wohnungstür. Es war Lutz’ Ehefrau Marion, die uns spontan zum Abendessen einlud. Ebenso bereitwillig sagten wir zu. Als wir wieder allein waren, meinte Waldi scherzend, dass die Krauses ihn unwissentlich vor dem Dilemma bewahrt hätten, was er mir denn zum Abendessen anbieten solle. Ein wenig verlegen gestand er, dass der Kühlschrank leer und fast alle übrigen Vorräte aufgebraucht seien, da er in der letzten Woche ständig unterwegs und so gut wie nie zu Hause gegessen hätte. Familie Krause und ihre Söhne Jan und Tim entpuppten sich als sehr angenehme Gastgeber und wir vertilgten genüsslich Marions schmackhaften Nudelauflauf mit geräucherten Putenbruststreifen, glasierten Maronen und Datteln. So wurde dieser Abend zu einem sehr angenehmen Sonntagsausklang.

       Am nächsten Montagmorgen setzte mich Waldi nach unserer Joggingrunde bei meinem turnusmäßigen Judotraining ab. Es war wirklich furchtbar, denn ich war längere Zeit ferngeblieben und total aus der Übung. So landete ich dementsprechend öfter auf der Matte. Erst als unser japanischer Trainer Sakai San sich meiner persönlich erbarmte, um mich wieder in die richtige Stimmung zu versetzen und gezielt meine offensichtlich vorübergehend fehlende Konzentrationsfähigkeit wiederherzustellen, gelang es mir, immerhin die drei letzten Kämpfe zu gewinnen. Dennoch habe ich einige Striemen und einen gehörigen Muskelkater davongetragen. Da mein Cross Polo in Oldenmoor geblieben war, kasteite ich mich selbst und machte mich auch noch zu Fuß auf zu meiner Dienststelle beim LKA. Während ich in Richtung Mühlenweg ging, klingelte mein Handy. Es war Robert Zander, der nach mir fragte. Wenig später traf ich im Büro ein.

      »Gut, dass Sie da sind, Nili. Die Elmshorner Reviervorsteherin hat uns eine Zweitschrift der Akte Baumann zugeschickt. Dann gibt’s auch Neuigkeiten aus Itzehoe über den Fall Heide Mertens, die Sie wissen sollten, und schließlich hat unser Dezernatsleiter, Kriminaloberrat Andreas Heidenreich, unser Team zur Besprechung um 14:30 bei sich einbestellt.«

      Nili dankt Robert für den kurzen Bericht. »Irgendeine Ahnung, worum es geht?«

      »Nein, tut mir leid, hat man uns nicht gesagt!«

      »Nun gut, wir werden es ja erfahren.« Nili bereitet sich einen Becher Kaffee zu und sieht schließlich ihre beiden Kollegen herausfordernd an. »Na dann schießen Sie СКАЧАТЬ