Weiterglauben. Thorsten Dietz
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Название: Weiterglauben

Автор: Thorsten Dietz

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961400485

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      33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn „wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen“? (Jesaja 40,13.) 35 Oder „wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm zurückgeben müsste?“ (Hiob 41,3.) 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen (Röm 11,33-36).

      Diese Erkenntnis ist uralt und vielfach formuliert. Vorbildlich hat die christliche Kirche des Westens diese Einsicht im 4. Laterankonzil im Jahr 1215 in einer Weise formuliert, die bis heute als grundlegend angesehen werden kann.

      „Zwischen Schöpfer und Geschöpf lässt sich keine so große Ähnlichkeit feststellen, dass zwischen ihnen nicht noch eine größere Unähnlichkeit festzustellen wäre.“20

      Zunächst drückt diese Aussage die Überzeugung aus: Wir können über Gott reden, weil es zwischen Gott und Mensch so etwas wie eine Ähnlichkeit gibt. Wenn Gott den Menschen zu seinem Bilde geschaffen hat, dann ist Gott uns nicht total und völlig fremd. Dann können Menschen mit menschlichen Worten, Bildern und Gedanken über Gott reden, dann können sie Gott als Vater und Mutter, Herr und Freund, Quelle und Licht bezeichnen, wohl wissend, dass Gott noch einmal anders und mehr ist, aber: Es besteht eine Ähnlichkeit zwischen dem, was wir sagen, und Gott selbst. Aber: Es gibt nicht nur diese Analogie, diese Ähnlichkeit, sondern eben auch eine Unähnlichkeit; und die ist größer. Wer von Gott spricht, kann dies zuversichtlich wagen – und zugleich auch nur in aller Demut.

      Ein solches Verständnis des Glaubens wendet sich gegen zwei Missverständnisse: Wir haben Gott nie im Griff. Wir stehen aber auch nicht vor einem absoluten Rätsel. Diese doppelte Abgrenzung ist natürlich eine Zumutung, denn die beiden anderen Lösungen sind sehr viel griffiger. Entweder wir sind uns unserer Sache sicher; weil die Kirche es so lehrt, weil die Bibel es so sagt – dann können wir klar und eindeutig bekennen, Klartext reden. Wenn das nicht möglich ist – dann sollte man vielleicht besser ganz verstummen. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein schrieb einmal: „Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.“21 Auch das wäre eine klare und eindeutige Lösung.

      Das wäre gut und schön, wenn es nicht um Gott ginge. Von Gott reden – das bringt uns Menschen in eine heikle Situation. Wenn Gott sich mitteilt, wenn er von Anfang an das Wort bei sich hat (Joh 1,1 ff.), kann es keinen Verzicht auf Denken und Erkenntnis geben. Die biblischen Texte sind nicht irrational und vernunftfeindlich. Christen können und sollen sich gemeinsam verständigen über das, was sie glauben. Die Bekenntnisse der Kirchen sind der geronnene Ausdruck dessen, was Christen gemeinsam zu verstehen glauben und was sie miteinander bezeugen.

      So wenig die Christenheit auf gemeinsames Zeugnis verzichten kann, so wenig darf sie die Differenz zwischen ihrem Bekennen und der Wirklichkeit Gottes kaschieren.

       4. Gott ist größer – Gott ist näher

      Gott ist größer als alle unsere Gedanken über ihn, er entzieht sich all unserem Begreifen – und zugleich kommt er uns ganz nah. Im Grunde ist das unstrittig. Als der Jerusalemer Tempel eingeweiht wird, spricht der König Salomo ein Gebet, das diese Spannung schön auf den Punkt bringt: „Sollte in Wahrheit Gott bei den Menschen wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen“ (1Kön 8,27). Beides muss gesagt werden. Gott ist größer als alles, was ihn umfassen soll. Kein Tempel, kein Vergleich und keine Theorie können ihn vollständig erfassen. Und doch wird dieser Gedanke zur Falle, wenn ihm nicht die andere Wahrheit zur Seite steht: Er will in Wahrheit bei uns wohnen, er ist uns näher als wir selbst. Er ist nicht einfach restlos unverfügbar, unsagbar, undenkbar. Nur beides miteinander wird Gott gerecht. Das meint Geheimnis: Gott ist unergründlich und gut; er ist Liebe – und wohnt in einem unzugänglichen Licht. Er übersteigt alle unsere Worte und lässt sich doch fassen in Kindergebeten und -reimen.

      Christen glauben so, sie wissen eigentlich, dass sie das glauben. Aber sie vergessen so leicht, dass sie diese Spannung niemals auflösen dürfen. Rechtes Reden von Gott wäre kenntlich an der Stimmung. Unsere Worte wären getragen von einer Mischung aus Zuversicht und Demut. Die großen Gegensätze unserer Zeit − die Formen fundamentalistischer Religion, in der „der Glaube“ in einer völligen Objektivität gegeben und einfach zu akzeptieren und umzusetzen ist; und die individualistische Patchwork-Religion, wo man nur akzeptiert, was sich gerade jetzt gut anfühlt − sind einander viel ähnlicher, als beide voneinander glauben. Auf den ersten Blick erscheinen sie völlig gegensätzlich, einmal völlig subjektivistisch, einmal ganz objektivistisch. Und doch ähneln sie einander. Beide kennen im Grunde nur eine Gefahr. Beide Modelle setzen auf das unmittelbar Einleuchtende, entweder auf das persönlich Ansprechende oder auf das vermeintlich objektiv Vorgegebene. In beiden Modellen verzichtet man auf die produktive Spannung zwischen dem Gegebenen und seiner persönlichen Verarbeitung. Reifer Glaube ist nicht „einfach“, weder im subjektivistischen noch im objektivistischen Sinn. Reifer Glaube setzt sich auseinander mit der Tradition, den überlieferten Geschichten der eigenen Erzählgemeinschaft – und ist sich der Herausforderung bewusst, dass echtes Verstehen immer etwas Neues ist.

      Worum es m. E. geht, möchte ich abschließend im Gespräch mit dem Buch Metaphorische Wahrheit, der Doktorarbeit des katholischen Theologen Johannes Hartl, klären. In ausführlicher Auseinandersetzung mit wichtigen theologischen und philosophischen Strömungen der Gegenwart geht es Hartl letztlich um die Einsicht, die im Zentrum dieses Kapitels steht: Von Gott reden können wir gar nicht anders als metaphorisch, also zeichenhaft, symbolisch, vermittelt über Bilder und Geschichten.22 Hartl beschreibt, dass es sich dabei um eine herausfordernde Einsicht handelt. Im Theologiestudium habe er gemerkt, dass sich viele darauf einlassen – und dabei nach und nach merken, dass ihr bisheriges wörtliches oder buchstäbliches Bibel- und Glaubensverständnis naiv und unreflektiert war. Nicht wenige verlieren über dieser Einsicht jegliche Glaubenszuversicht. Und ja, so würde ich aus meiner Erfahrung bestätigen, das gibt es, dass TheologInnen lernen, über religiöse Kommunikation zu reflektieren, und darüber fast verlernen, selbst religiös zu denken und zu sprechen. Das Reden über religiöses Reden kann bis in die religiöse Sprachunfähigkeit führen. Auf der anderen Seite sieht Hartl eine andere problematische Reaktion: Für eine andere „Gruppe von Menschen gefährdet die Theologie den Glauben eher, als dass sie ihm dient. Wahrer Glaube ist in dieser Glaubensweise gerade nicht von rationaler Reflexion geprägt, sondern vom Vertrauen auf die Bibel, die Tradition, das Lehramt. Diese Sicht könnte man als ‚verteidigte erste Naivität‘ bezeichnen: eine Weltsicht, die naiv ist, weil sie sich nicht hinterfragen lassen möchte. […] Im Bereich des Religiösen entspricht ihr etwa der Glaube an die wortwörtliche Wahrheit der Bibel und der Dogmen, die völlig fraglose Einteilung der Welt in wahre und falsche Aussagen mit den Aussagen der religiösen Sprache als eindeutig zu den wahren gehörend. Eine solche Haltung geht einher mit dem festen Glauben an gewisse moralische Prinzipien und religiöse Handlungen.“23

      Hartl lässt keinen Zweifel daran, dass er eine solche Haltung für theologisch unzureichend hält. Die kritischen Einsichten der Theologie, dass alle unsere Gedanken über Gott eben unsere Gedanken sind, unsere Bilder und Deutungen, kann im schlimmsten Fall das Vertrauen auf Gott, die persönliche Hingabe, untergraben. Es wäre verheerend, die vermeintliche Naivität der Frömmigkeit einfach nur aufzulösen. Entscheidend sei daher die Einsicht, dass man von Gott gar nicht anders reden kann als metaphorisch oder symbolisch und dass solche Rede von Gott ganz und gar biblisch und angemessen ist. Nötig sei daher eine zweite Naivität, ein neuer Glaube an die alten Bilder und Geschichten der Bibel. Eine solche „(metaphorische) Theologie lädt ein zu einer Hermeneutik des Vertrauens. Sie ermöglicht einen rational verantwortbaren Wiedereinstieg in die religiöse Bildwelt – wissend, dass es sich um eine Bildwelt handelt, doch darob ohne Scham. Und trotz allem in neuem, festem Glauben an die Wahrheit dieser Bilder.“24

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