Weiterglauben. Thorsten Dietz
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Название: Weiterglauben

Автор: Thorsten Dietz

Издательство: Автор

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783961400485

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СКАЧАТЬ doch bitte alle Menschen guten Willens einfinden mögen. Im schlimmsten Fall ist das auch wieder eine fundamentalistische Sehnsucht. Kein dritter Weg ist die Lösung, sondern die Freiheit zu dritten Wegen: Wege, auf denen Gläubige miteinander ringen und diskutieren, aufeinander hören und voneinander lernen, wo sie nicht vorschnell Einigung suchen auf Kosten der Gründlichkeit, aber auch im Gespräch bleiben, solange sie einander nicht wirklich begreifen. Viele Fragen der gegenwärtigen Christenheit werden nicht auf dem Niveau und in der Atmosphäre diskutiert, wie es angemessen und hilfreich wäre; siehe die Freischwimmer-Debatte. In diesem Sinne möchte ich in diesem Buch dazu beitragen, einige Konflikte zumindest zu versachlichen und diskutierbar zu machen.

      Im achten Teil der Star-Wars-Reihe wurde diese Einsicht so formuliert: „Nur so können wir siegen: nicht bekämpfen, was wir hassen, sondern retten, was wir lieben.“ Fundamentalismus und Relativismus sind Versuchungen, denen man auch nicht in Form ihrer Bekämpfung erliegen darf. Die Extreme stabilisieren sich gegenseitig, vor allem durch den Blick auf ihr jeweiliges Gegenbild. Oder mit Nietzsche gesagt: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“17

      Besser streiten lernen, darum muss es heute in vielen christlichen Kreisen gehen. Zwischen radikaler Totalkritik der jeweils anderen und großer Gleichgültigkeit bzw. Kontaktvermeidung gibt es einen weiten Raum, in dem Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Voraussetzungen Fragen stellen und diskutieren können. Diesen Raum wieder zu vergrößern ist heute eine Aufgabe, die nur von mehreren Seiten gleichzeitig angegangen werden kann.

       II. Gott gehört uns nicht

      Glaube ist heute ein heißes Thema. Inhalte und Stile des Glaubens verbinden Menschen miteinander – aber trennen sie auch. So war es immer, und nichts spricht dafür, dass sich das grundsätzlich ändern lässt. Aber nicht jeder Unterschied muss als Gegensatz aufgefasst, nicht jede Veränderung gleich als Durchbruch gefeiert oder Verrat beklagt werden. Im Glauben bekommen wir es mit Gott zu tun. Das macht Glaubensfragen so gravierend. In diesem Kapitel möchte ich einige grundlegende Überlegungen anstellen, wie man einen etwas gelasseneren Umgang mit Glaubensunterschieden gewinnen kann. Denn wenn wir es im Glauben auch mit Gott zu tun bekommen, so bleiben Gott und unser Glaube doch immer zweierlei. Denn Gott gehört uns nicht. Keinem von uns.

       1. Der Gott zum Anfassen

      Das 2. Buch Mose (Exodus) berichtet vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Gott befreit sein Volk, er führt es hinaus aus dem Sklavenhaus und schenkt ihm einen neuen Anfang in Freiheit. Die biblischen Texte beschreiben die großen Zeichen und Wunder, die Gott auf diesem Weg tut. Und man möchte meinen: Wer so was mal erlebt hat, wer Gottes Macht so eindrücklich erfahren hat – der kann nie wieder an der Realität Gottes zweifeln. Doch, kann man. Die Wege in die Freiheit werden lang und länger. Die Wanderung des Volkes Israel führt nicht direkt und zügig in das verheißene gelobte Land, in dem Milch und Honig fließen, sondern in die Wüste. Am Sinai schließt Gott einen Bund mit seinem Volk, er gibt ihm die Zehn Gebote als Ordnung für das neue Leben. Aber das Volk erfährt Gott mehr und mehr aus zweiter Hand, vermittelt durch Mose. Für viele im Volk wird Gott immer ungreifbarer. Schließlich begibt sich Mose auf den Berg Sinai, um die Gebote Gottes zu empfangen. Als seine Rückkehr auf sich warten lässt, wird das Volk Israel kurze Zeit nach dem ungeheuren Aufbruch aus Ägypten immer unruhiger (Ex 32,1 ff.). Wo ist Gott? Wo ist Mose – und was ist sein Plan?

      Schließlich hilft das Volk sich selbst – mit einem Gott zum Anfassen. Die Götter der Antike waren sichtbar. Die Zumutung des unsichtbaren Gottes lastete offenbar schwer auf Israel. So nötigt das Volk Moses Bruder Aaron zur Herstellung eines Goldenen Kalbes, gewissermaßen die Materialisierung der allgemeinen religiösen Ungeduld im Volk. Das Goldene Kalb, ein typisches Symbol dieser Zeit, macht Gott endlich sichtbar, konkret und greifbar (Ps 106,19-20). Als Mose zum Volk zurückkehrt, ist er zutiefst erschüttert. Er zertrümmert die Tafeln mit den Zehn Geboten, der Weg Gottes mit diesem Volk scheint am Ende angekommen zu sein.

      Nun könnte man sagen: Tragisch, dass das Volk nicht noch ein wenig warten konnte. Aber vielleicht ist das auch verständlich. Ist es doch erheblich, was Gott ihm an Geduld und an Vertrauen abverlangt. Mose, möchte man meinen, ist da in einer ganz anderen Lage. Der kennt Gott nicht nur aus zweiter Hand, heißt es doch, dass Gott mit ihm „von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freund redet“ (Ex 33,11). Mose allein geht zu Gott auf den Berg Sinai, Mose allein darf eintreten ins Heiligtum dieser Zeit, ins Zelt der Begegnung, und die Begegnung mit Gott ist so real, dass alle im Volk den Glanz auf seinem Gesicht sehen können, immer wenn er mit Gott geredet hat (Ex 34,35). Mose allein hat einen solchen direkten Kontakt zu Gott. Kein Wunder, dass das Volk zu zweifeln beginnt und Mose nicht. Wirklich? Nein: Auch Mose hat seine Krise. Nach den Auseinandersetzungen um das Goldene Kalb berichtet die Exoduserzählung Folgendes:

      12 Und Mose sprach zu dem HERRN: Siehe, du sprichst zu mir: Führe dies Volk hinauf!, und lässt mich nicht wissen, wen du mit mir senden willst, wo du doch gesagt hast: Ich kenne dich mit Namen, und du hast Gnade vor meinen Augen gefunden. 13 Hab ich denn Gnade vor deinen Augen gefunden, so lass mich deinen Weg wissen, damit ich dich erkenne und Gnade vor deinen Augen finde. Und sieh doch, dass dies Volk dein Volk ist. 14 Er sprach: Mein Angesicht soll vorangehen; ich will dich zur Ruhe leiten. 15 Mose aber sprach zu ihm: Wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf. 16 Denn woran soll erkannt werden, dass ich und dein Volk vor deinen Augen Gnade gefunden haben, wenn nicht daran, dass du mit uns gehst, sodass ich und dein Volk erhoben werden vor allen Völkern, die auf dem Erdboden sind? 17 Der HERR sprach zu Mose: Auch das, was du jetzt gesagt hast, will ich tun; denn du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. 18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! (Ex 33,12-18)

      Auch Mose ringt mit Gott. Ja, Gott redet mit ihm, Mose hat mit ihm viel erlebt, viel Großes, aber auch Niederschmetterndes. Aber auch Mose ist an einem Punkt angekommen, wo er nicht mehr einfach weitermachen kann. Ja, Mose hat den Gott des Exodus erfahren, er hat den Gott des Sinai gehört. Aber er merkt, dass nun eine neue Aufgabe auf ihn wartet. In seinem Gespräch mit Gott geht es immer wieder um dasselbe: Zeige dich, Gott. Ja, du sagst, ich habe Gnade gefunden, du kennst mich. Aber was bedeutet das für den Weg, der vor mir liegt?

       2. Der offenbar verborgene und verborgen offenbare Gott

      Dreimal bittet Mose Gott, er möge sich ihm und dem Volk neu zuwenden und sich zeigen, und dreimal antwortet Gott ihm. In der dritten Antwort setzt Gott dreimal an:

      „19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will ausrufen den Namen des HERRN vor dir: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. 20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir hersehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen“ (Ex 33,19-23).

      Die Antwort ist paradox. Ja, Gott antwortet Mose abermals. Ja, Gott bekräftigt seine bisherigen Zusagen an Mose. Und mehr noch: Gott will und wird sich Mose noch einmal offenbaren. Gott sagt ja, ja und noch einmal ja. Und mittendrin sagt Gott auch einmal: Nein. Ausgerechnet dem zentralen Wunsch Mose, „zeige dich, lass mich deine Herrlichkeit sehen“, verweigert sich Gott: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen“ (33,20).

      Was bedeutet diese paradoxe Antwort, dieses Ja und Nein? Zunächst einmal dies: Gott СКАЧАТЬ