Der junge Häuptling. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Der junge Häuptling

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783957840080

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СКАЧАТЬ zeitraubende Handelsgeschäfte mit erbeuteten Winterpelzen abzuwickeln. Die meisten der Indianer machten schon auf den ersten Blick den Eindruck von Halbzivilisierten. Sie trugen bunte Kopftücher, schlechte Kattunhemden, schlugen billige Wolldecken um die Schultern, und der Ausdruck ihrer Augen war verschwommen. Einige schienen am frühen Morgen schon betrunken zu sein. Die vier Reiter trieben ihre Pferde rücksichtslos durch die Lagernden hindurch. Wer nicht umgeritten werden wollte, musste schnell zur Seite springen.

      Das Fort selbst, bei dem die Reiter anlangten, war, wie sich schon von außen erkennen ließ, viel größer, geräumiger und besser befestigt als die Station am Niobrara. Die Atmosphäre der ständigen Gefährdung in der Wildnis, in der noch die Flinten, Pfeile und Messer der Dakota herrschten, bestand hier nicht mehr. Jedermann bewegte sich mit Selbstverständlichkeit und Sicherheit. Die Reiter erreichten das Tor. Pitt mit der verstümmelten Nase war der Wache bekannt, und die Kuriergruppe wurde sofort eingelassen. Im Innern der Fortanlage konnten die Ankommenden die aufgestellten Geschütze bewundern. Die Kuriere meldeten sich in einer Wachstube an und rechneten damit, dass sie warten müssten, da es noch sehr früh am Morgen war. Überraschend schnell wurden die Männer jedoch zu einem Leutnant mit Namen Roach befohlen, und nach wenigen Minuten schon standen sie in einem geheizten, komfortabel ausgestatteten Raum, der recht ungewohnt auf sie wirkte.

      Der junge Leutnant saß hinter einem Schreibtisch auf einem Stuhl mit Armlehnen. Er nahm aus Pitts Hand dasjenige Schreiben in Empfang, das an den Kommandanten von Fort Randall gerichtet war, und öffnete es auftragsweise ohne Bedenken. Während er las, hatte Pitt Zeit, ihn näher zu betrachten. Dieser Leutnant Roach stand dem Stummelnasigen auf irgendeine Weise näher als der weltfremde und pflichteifrige Major Smith. Der Leutnant lehnte sich beim Lesen lässig zurück. Seine Uniform war private Schneiderarbeit und saß tadellos. Sein Haar war mit Sorgfalt gescheitelt und mit Pomade geglättet. Die Fingernägel waren gepflegt. Dieser Leutnant hatte also Schwächen, an die ein geschickter kleiner Mann vielleicht anknüpfen konnte.

      Die Mundwinkel des Leutnants verzogen sich, während er den Brief des Majors las.

      »Vollkommen klar.« Er faltete das Schreiben wieder zusammen. »Ihr braucht Verstärkung, Munition und einen tüchtigen Offizier. Wo habt ihr das zweite Handschreiben, das nach Yankton an Oberst Jackman gerichtet ist?«

      Pitt holte bereitwillig auch dieses Schreiben, das mehrfach versiegelt war, aus der Brusttasche und wies es vor. Der Leutnant nahm es und drehte es ein paarmal in der Hand. Zu öffnen wagte er in diesem Falle nicht. »Der Inhalt wird der gleiche sein«, bemerkte er schließlich. »Ich reite sowieso nach Yankton und werde das Schreiben dort Oberst Jackman persönlich übergeben. – Also gut!«, schloss er ab. »In ein paar Tagen! Ich bespreche das mit unserem Kommandanten und mit Oberst Jackman selbst in eurem Sinne.«

      Der elegante junge Offizier erhob sich, und weder Pitt noch ein anderer Rauhreiter fühlte das Bedürfnis, noch ein Wort zu sagen. Wozu auch? Die Mission hatte über alles Erwarten Erfolg gehabt. Auf den ersten Anhieb schon wurden die Verstärkungen versprochen, auf die man am Niobrara seit einem Jahr vergeblich gewartet hatte. Was wollten die Boten noch mehr? Die Ruhetage lockten, besonders nach einem solch unerwartet schnellen Erfolg. Pitt, Bill, Josef und Tom zogen sich in bester Laune zurück. Ein Bursche des Leutnants hatte schon Anweisung, für die vier zu sorgen.

      »Der Herr Leutnant schmiert sich bei uns an«, flüsterte Tom dem Hahnenkampf-Bill zu. »Der will wohl unseren alten ehrlichen Major aus dem Sattel heben!«

      Bill, Pitt und Josef teilten Toms moralische Bedenken nicht. »Was geht’s uns an? Hauptsache, wir kriegen ein paar Tage lang zu fressen, zu saufen und zu rauchen. Der Roach, das ist unser Mann.«

      »Auch wenn er nach Pomade stinkt. Lasst ihm seinen Spleen.«

      Der Bursche des Leutnants war umgänglich und schien Langeweile genug zu haben, um sich den Ankömmlingen aus der fernen Wildnis zu widmen. Er steckte ihnen die Taschen voll Rauchzeug, verschaffte ihnen reichlich Essen, Branntwein mit Maßen und machte zum Schluss noch auf einen besonderen Anziehungspunkt aufmerksam: Vor den Toren des Forts sollte gerade an diesem Tag ein Stockball-Wettspiel der dort lagernden Indianer stattfinden. Stockball – dem Hockey gleich – war ein bei den Stämmen der Prärie, speziell den Dakota, heimisches und sehr beliebtes Spiel, das schon die Indianerjungen übten. Der Kommandant hatte sich herbeigelassen, einen Geldpreis zu stiften, in der Meinung, den Wetteifer der Halbzivilisierten dadurch anzuspornen und seiner gelangweilten Truppe die erwünschte Unterhaltung noch spannender zu gestalten. Mit der Aussicht auf das Wettspiel wurden die vom Niobrara mit ihrem Kollegen Pitt vorläufig sich selbst überlassen.

      »Wird was Rechtes sein, wenn die lumpenbehangenen roten Schweine auf dem Rasen durcheinanderrennen!«, schätzte Pitt.

      »Können wir Wetten abschließen?«, interessierte sich der schmierige Josef. »Wenn nicht gewettet werden kann, geh ich lieber saufen.«

      Hahnenkampf-Bill schaute sich suchend um. »Dort – nein, dort drüben – siehst du noch immer nichts? Schmieriger Knabe Josef, siehst du nichts? Die beiden dort mit dem Bauchladen, schon mitten drin im Gewimmel! Die scheinen Wetten anzunehmen!«

      Ohne weitere Abrede setzten sich die vier gleichzeitig in Bewegung und steuerten auf eine Gruppe zu, deren Mittelpunkt zwei große Gestalten bildeten. Der eine, ein wahrer Hüne, massig, fett, mit schütterem Haar, war schon mit einigen Wettkunden beschäftigt. Er zog die Aufmerksamkeit der vier Rauhreiter weniger an als der zweite Händler und Wetteinnehmer, ein schwarzhaariger Kerl, der etwa vierzig Jahre alt sein mochte und sich laut als reelles Wettbüro anpries. Wenn er den Mund aufmachte, war zu sehen, dass er schon alle Zähne verloren hatte.

      »Ben!«, rief der Hahnenkampf-Bill ihn an. »Zahnloser, verdächtiger Geselle! Bist du auch wieder im Jagdrevier?«

      »Wie du siehst, vielfacher Hahnenkämpfer. Wollt ihr Wetten abschließen?«

      »Gib uns einen Tipp, Ben!«, suchte Bill seinen alten Bekannten zu überreden. »Einen guten Tipp! Welche Partei siegt?«

      »Was weiß ich! Ihr müsst wetten! Nicht ich.«

      »Alter Gauner!«, Bill war erbost. »Du wirst schon wissen, auf wen du setzt, aber uns sagst du nichts, damit wir nicht deine Quote drücken.«

      Die gesamten, von den Wettern eingezahlten Beträge wurden unter Abzug eines Prozentsatzes für den Wetteinnehmer an diejenigen ausgezahlt, die auf den Sieger gesetzt hatten. Je weniger Wetter also den Einsatz auf den Sieger gemacht hatten und je mehr Wetter ihr Geld verloren, desto höher war im Verhältnis zum Einsatz der Betrag, der an die Gewinner ausgezahlt wurde.

      »Gib uns einen Tipp!«, versuchte jetzt auch Pitt den Wetteinnehmer zu überreden. »Können dir dafür schöne Grüße bestellen von deinem alten Blockhaus am Niobrara, wo du mal so gut verdient hast – bis vor zwei Jahren.«

      »Es steht immer noch«, ergänzte Tom.

      »Müsste ich mir beinahe mal wieder ansehen! Habt ihr noch keinen neuen Wirt?«

      »Keinen Wirt, zurzeit nicht mal Brandy!«

      »So, so. Ich werde mir das beschnuppern. Aber wie steht’s jetzt? Wettet ihr?«

      »Gibst du uns einen Tipp?«

      »Hab doch keinen!«

      Die Reiter wurden ärgerlich. Pitt hatte während des Gesprächs umhergespäht. »Kommt! Ich seh einen Freund von mir, einen besseren als diesen zahnlosen Gauner hier!«

      Pitt steuerte, von seinen Gefährten gefolgt, auf einen in bunt gesticktes Tuch gekleideten kleinen Kerl zu. Die lebhaften СКАЧАТЬ