Название: Im Januar trug Natasha Rot
Автор: Manfred Eisner
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783960085959
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„Nein, Nili, vorerst bleibe ich noch im Drogendezernat. Wünsch dir alles Gute bei der 22. Hoffentlich knackst du ebenso viele Wirtschaftsdelinquenten wie hier Drogenmafiosi!“
„Danke, Waldi!“
Draußen vor der Tür murmelt er leise: „Heute Abend bei dir?“
Nili nickt und wirft ihm ein Küsschen in der Luft zu. Dann geht sie mit gemischten Gefühlen hinüber zu ihrem neuen Arbeitsgebiet.
Mit Neugier mustert Nili ihren neuen Vorgesetzten. Kriminaloberrat Hajo Friedrichs ist ein etwas blasser und asketisch wirkender Fünfziger, gut gekleidet mit blauweiß gestreiftem Hemd, blauer DGzRS-Krawatte, Jeans und Blazer. Sein etwas schütteres, ergrautes Haar ist von einem akkurat auf der linken Seite des Schädels gezogenen Scheitel durchtrennt. Mit den stahlgrauen Augen erforscht auch er durch seine Nickelbrille seine neue Mitarbeiterin. „Na denn, herzlich willkommen bei uns, Frau Hauptkommissarin Masal. Die Berichte über Ihre Tüchtigkeit und Einsatzfreude eilen Ihnen voraus, also bin ich mir sicher, dass ich auch hier auf Ihren vollen Einsatz hoffen darf.“
„Selbstverständlich, Herr Kriminaloberrat. Ich muss mich natürlich erst einmal in diese für mich ganz neue Materie einarbeiten. Mit Wirtschaft hatte ich bisher wenig oder besser gesagt gar nichts zu tun.“
„Ich zweifle nicht daran, dass Ihre Intelligenz und Ihr besonders ausgeprägtes Einfühlungsvermögen Ihnen dabei eine wertvolle Hilfe sein werden. Ich begleite Sie also jetzt zu Ihrem neuen Arbeitsplatz.“
Sie gehen den langen Gang entlang. Dann öffnet Friedrichs eine Tür und lässt Nili den Vortritt. „Guten Morgen!“, grüßt er in den Raum hinein. „Darf ich vorstellen? Dies ist unsere neue Mitarbeiterin, Hauptkommissarin Nili Masal.“ Zu Nili gewandt fährt er fort: „Sie arbeiten hier erst einmal mit Oberkommissarin Anne Engel zusammen. Sie verfügt über große Erfahrung auf diesem Gebiet und wird Sie einweisen. Ihr bisheriger Partner, Oberkommissar Wenzel, verstarb leider vor zwei Monaten an einem Krebsleiden. Also, an die Arbeit, meine Damen, und viel Erfolg!“
Nili geht auf die neue Kollegin zu und sie begrüßen einander. Anne Engel ist eine hübsche junge blonde und blauäugige Frau, mittelgroß, schlank und mit rosa Pulli und blauem Faltenrock gekleidet. „Na denn, herzlich willkommen, Frau Hauptkommissarin!“
„Ich bin Nili, okay? Oder ist man bei euch immer so förmlich?“
„Nee, Nili, keineswegs.“ Anne Engel grient belustigt. „Und ich bin Anne. Freue mich auf die Zusammenarbeit! Trinkst du auch gern einen Kaffee? Oder lieber Tee?“
„Das ist mir ziemlich gleich. Hauptsache heiß, denn mir ist kalt.“
Nili stellt ihren Cross Polo neben Melanies VW-Cabrio in der Tiefgarage ihrer Zweitbleibe im Wohnhaus der Familie Westphal ab. Sie geht hinauf in das Erdgeschoss und läutet an der Wohnungstür der Westphals. Nichts rührt sich. Melanie ist wohl mit ihrem Hund spazieren gegangen, denkt sie. Dann steigt sie eine Treppe höher und betritt ihr jetziges Einzimmerapartment. Nach der Rückkehr von ihrem Südamerikaabenteuer war sie von dem vormaligen Zimmer des verstorbenen Ralph in diese plötzlich frei gewordene möblierte Wohnung im Hause der Westphals umgezogen. Der 18 Quadratmeter große Wohnraum ist behaglich und hell, grenzt an eine winzige Küche und an das schöne Badezimmer mit Duschbad sowie ein separates WC. Die Möbel sind modern, das Bett breit und mollig. Sie öffnet die Balkontür, um etwas frische Luft hereinzulassen. Vor allem im Frühjahr und Sommer ist der Blick vom kleinen Balkon erfreulich, er geht auf den sehr gepflegten Garten an der nach Westen gerichteten Rückseite des dreistöckigen Gebäudes. Jetzt zeigt er sich allerdings saisonbedingt ziemlich trist. Nili schließt die Tür wieder und stellt den Heizungs-Thermostaten höher, denn ein Blick auf das Thermometer zeigt magere 15 Grad Celsius. Sie legt ihren Laptop auf den Schreibtisch und schließt ihn an die Steckdose an. Da sie das Gerät während der letzten Tage nicht benutzt hat, ist der Akku leer und das Hochfahren dauert etwas länger als üblich.
Plötzlich klopft es an ihrer Tür. „Komm rein, Melanie, ich hatte schon bei euch geläutet. Erst einmal ein glückliches und gutes neues Jahr, meine Liebe!“
Beide Frauen umarmen sich. Sie kennen sich seit ihrer gemeinsamen Schulzeit am Hamburger Heilweg-Gymnasium, wo sie beide das Abitur gemacht haben und auch danach stets in Kontakt geblieben sind.
„Hattest du ein schönes Neujahrfest?“, fragt Nili.
„Na ja, wie man’s nimmt. Zu Hause ist die Stimmung wegen Ralphs Tod noch immer sehr betrübt. Also haben wir, wie schon an Heiligabend, sehr ruhig und besinnlich und mit vielen Tränen in den Augen das neue Jahr in Empfang genommen. Du hattest sicher wieder ’ne tolle Silvesterfeier in Oldenmoor, nicht wahr?“
Nili seufzt. „Stell dir vor, ich bin erst am Sonnabendnachmittag von hier losgekommen, hatte noch sehr viel zu erledigen. Es regnete Hunde und Katzen und es war ein richtiges Sauwetter zum Fahren. Als ich endlich abends zu Hause ankam, saßen alle schon inmitten ‚Dinner for One‘.“
„Das war auch das einzig Lustige für uns an diesem Silvesterabend“, bemerkt Melanie.
„Na ja“, führt Nili fort, „wir hatten den alljährlichen Trubel. Die ganze Familie, Freunde und Nachbarn, sogar meine Cousine Annette aus Berlin ist gekommen. Und dann, plötzlich, als Oma, Mutti und ich in der Küche unsere traditionellen Salteñas aus dem Backofen holten, standen plötzlich Kitt Harmsen und mein Kollege Waldi da. Das war aber eine Riesenüberraschung!“
„Dein Waldi macht dir ja offensichtlich den Hof, brauchst gar nicht zu erröten, Nili. Dass da was zwischen euch läuft, ist mir schon längst aufgefallen!“, belächelt Melanie ihre Freundin.
„Ach, Melanie, ich bin wirklich ganz toll verknallt in Waldi! Wir verstehen uns sehr gut und haben eine wunderbare Zeit miteinander. Übrigens, er wurde heute befördert und zum Stellvertretenden Dezernatsleiter ernannt. Er kommt nachher auch noch vorbei, wenn er es irgendwie schafft.“ Mit etwas weniger Begeisterung setzt sie hinzu: „Und auch ich hab eine neue Aufgabe. Ab heute arbeite ich vorübergehend im Dezernat für Wirtschaftskriminalität. Meine Begeisterung hält sich allerdings in Grenzen.“
„Mensch, Nili, das trifft sich wirklich wunderbar!“, ruft Melanie aus.
Nili sieht ihre Freundin verwundert an.
Dann erzählt Melanie von dem Verdacht, den Thomas Greve ihr gegenüber geäußert hat, sowie von seinem mysteriösen Wegbleiben.
„Klingt in der Tat eigenartig“, sagt Nili. „Jetzt, wo du mir das erzählst, erinnere ich, dass mich vor etwa zwei Wochen Thomas Greve auf dem Handy angerufen und um ein privates Gespräch gebeten hat. Ich war zu der Zeit noch sehr mit der Aufarbeitung der Reise beschäftigt und wir verabredeten, dass er mich Anfang Januar wieder anrufen sollte, um einen festen Termin zu vereinbaren.“
„Hat er sich also doch bei dir gemeldet!“ Melanie erzählt von Thomas’ Vermerk in seinem Terminkalender.
„Habt ihr es schon bei ihm zu Hause versucht?“, will Nili wissen.
„Wir haben wiederholt bei ihm angerufen, doch er geht nicht ran. Und sein Handy ist ausgeschaltet.“
„Vermisstenanzeige erstattet?“
„Nein, wieso denn?“
„Nun ja, man weiß nie. Thomas und ich kennen uns schon seit unserer gemeinsamen Grundschulzeit. Ich rufe erst einmal СКАЧАТЬ