Название: Im Januar trug Natasha Rot
Автор: Manfred Eisner
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783960085959
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Ein Ambulanzwagen trifft ein, man setzt Doris eine Infusion, die drei anderen werden mit Decken versorgt, denn es ist ein kalter Wind aufgekommen und es fängt wieder an zu regnen. Der Sanitäter fragt, ob es in Ordnung sei, die vier ins städtische Krankenhaus zu bringen. PM Jochimsen nickt, er hat ja deren Anschriften notiert.
„Was haben wir?“ Kriminalrat Harald Sierck, Leiter der Kieler Bezirkskriminalinspektion in der Blumenstraße, befragt ungeduldig seine Mitarbeiter, Oberkommissar Sascha Breiholz und Oberkommissarin Steffi Hink, die zum Fundort der Leiche gerufen worden waren.
„Nun ja, bisher nicht sehr viel“, berichtet Sascha. „Vier junge Leute, die bis zum Ende der Silvesterveranstaltung in der Halle 400 gefeiert hatten, spazierten danach entlang der Förde und fanden die Leiche – einen Mann, schätzungsweise um die vierzig, dem man Kopf und Hände abgetrennt hat. Weder Papiere noch Geldbörse oder irgendwelche Hinweise auf die Identität. Nur ein kleines Detail fand die Spusi bei der Untersuchung seines Sakkos, das der oder die Täter übersehen haben: den Ticketabriss der Silvesterfeier in der Halle 400, der sich in der Zigarettentasche des Opfers befand. Er muss also auch dort gewesen sein.“
„Hm, nicht berauschend. Was meint unser Leichenfledderer?“
„Professor Klamm war wohl wegen der ihm äußerst ungelegenen Störung ziemlich sauer und wie immer sehr kurzsilbig“, erzählt Steffi. „Der Tod sei schätzungsweise – natürlich vorbehaltlich der rechtsmedizinischen Untersuchung – zwischen dreiundzwanzig Uhr und Mitternacht eingetreten. Dann schätzte er nur noch das Alter des Toten.“
„Alles Weitere nach der Obduktion“, singen darauf alle drei unisono.
„Also, Leute, an die Arbeit! Zeugen befragen entlang der Uferpromenade bis zur Festhalle, vielleicht hat irgendjemand etwas gesehen. Ich fordere für euch so viele Helfer an, wie ich auftreiben kann! Auf geht’s!“
2. Spurensuche
„Hat jemand irgendeine Ahnung, wo Thomas steckt?“ Heinz Westphal posaunt die Frage in das Großraumbüro seiner Kanzlei. Die Köpfe der Angestellten richten sich automatisch auf den unbesetzten Schreibtisch. „Es ist schon elf Uhr und er ist immer noch nicht erschienen.“
„Ich rufe bei ihm zu Hause an, Papa“, volontiert Melanie.
„Das habe ich schon mehrmals versucht, auch auf seinem Handy antwortet nur die lapidare Mailboxstimme, der Teilnehmer sei zurzeit nicht erreichbar.“
„Es wird ihm doch nichts passiert sein?“ Melanie geht an Thomas’ Schreibtisch und sieht in seinem Terminkalender nach. Unter dem bereits abgelaufenen Jahresplaner findet sie den für das neu angefangene Jahr. Nur eine Eintragung befindet sich auf dem Blatt für die erste Kalenderwoche: „Termin mit N. M.“ Dies erinnert Melanie an ihr Gespräch mit Thomas von vor etwa zwei Wochen. Sie nimmt den Kalender mit ins Büro des Vaters und schließt die Tür hinter sich. Dann berichtet sie ihm über das Gespräch.
„Eigenartig, mir gegenüber hat er nichts von etwaigen Zweifeln in Bezug auf die Tiedemann Gruppe erwähnt“, wundert sich Ernst Westphal.
„Na ja, er wollte wohl erst Gewissheit haben, bevor er dich in Alarm versetzt, Papa.“
„Hat er dir gegenüber verlauten lassen, um was es sich genau handelt?“, will er wissen.
„Nein, er nannte keine Details, nur dass ihm einige Geldbewegungen mit gewissen Partnern nicht ganz koscher vorkämen. Ich riet ihm, Nili ins Vertrauen zu ziehen und mit ihr zu bereden, ob sie beim LKA vielleicht etwas Näheres wissen.“
„Das war ein bisschen naiv von dir, meine Liebe. Selbst wenn, dürften sie es doch gar nicht an Dritte preisgeben. Und übrigens weißt du doch genau, dass wir über alles, was unsere Mandanten betrifft, absolute Schweigepflicht zu wahren haben, auch gegenüber den Behörden. Selbst wenn darunter irgendetwas Illegales wäre, dürften wir dies nur auf richterliche Anordnung preisgeben. Also, was sollte das Ganze?“
„Offensichtlich hat Thomas vorgehabt, Nili zu kontaktieren, so interpretiere ich wenigstens diese Notiz in seinem Kalender.“ Sie deutet auf den Termin. „Ich könnte sie heute Abend mal fragen, wenn sie nach Hause kommt, was meinst du?“
„In Ordnung, Melanie, versuch dein Glück, aber sei bitte sehr vorsichtig mit dem, was du ihr erzählst. Sie ist immerhin Polizistin, vergiss das nicht!“
Nilis direkter Vorgesetzter, Kriminaloberrat Andreas Heidenreich, Leiter des Dezernats 21 des LKA und zuständig für Bekämpfung der Organisierten und Rauschgiftkriminalität, hält mit seinen Mitarbeitern das erste Jahresgespräch in seinem Arbeitszimmer ab. Er lobt die gesamte Abteilung für die im letzten Jahr erzielten Erfolge und verliest eine Belobigungsliste jener Mitarbeiter, die sich dabei besonders verdient gemacht haben. Dann gibt er bekannt, dass Hauptkommissar Dr. Walter Mohr zum Vize-Dezernatsleiter ernannt und gleichzeitig zum Ersten Kriminalhauptkommissar befördert wird, wobei er zunächst die Leitung der Kieler Drogenfahndung weiterführen soll, bis ein geeigneter Nachfolger aus seiner Truppe diese Stelle übernimmt. Diese Ankündigung wird von der gesamten Mannschaft mit begeisterter Ovation aufgenommen, denn Waldi ist ein rundum hoch angesehener und beliebter Kollege im Dezernat, der seine besonderen Führungsqualitäten bereits des Öfteren unter Beweis gestellt hat. Dennoch, niemand in der Gruppe freut sich insgeheim über die Beförderung des Geliebten mehr als Nili, deren Gefühle sie jedoch bisweilen für sich behalten muss. Beide haben vereinbart, vorerst niemanden im LKA über ihre neue und enge Beziehung ins Vertrauen zu ziehen. Sie ist auch schon deshalb keineswegs enttäuscht oder gar missgelaunt, als der Chef – nach besonderer Eloge ihrer bisherigen erfolgreichen Tätigkeit im Dezernat und ihres fabelhaften Einsatzes in Sachen Nachforschung des Kokainschmuggels – ihr mitteilt, dass sie aus organisatorischen Gründen bis auf Weiteres in das benachbarte Dezernat 22 versetzt wird, um sich dort vorwiegend um die Wirtschaftskriminalität zu kümmern. Diese Ankündigung mindert ihre Freude über Waldis Beförderung nicht im Geringsten. Ist eigentlich ganz recht so, denkt sie im Stillen. Enge Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen sind zumeist unpassend und verursachen nur Neid und Missverständnisse unter den Kollegen. Als wenig später Waldis und ihr Blick sich begegnen, nickt sie ihm, von den anderen völlig unbemerkt, nur kurz zu. Als die Sitzung beendet ist, geht Nili zu Kriminaloberrat Heidenreich, um zu fragen, wie es nun mit ihr weitergehen soll.
„Ja, liebe Frau Masal, tut mir leid, dass wir Ihre Angelegenheit nicht vorab persönlich besprechen konnten, ich hoffe, ich habe Sie damit nicht überrumpelt. Mein Kollege, Kriminaloberrat Friedrichs, bat mich eindringlich um diese ‚Leihgabe‘, er benötigt dringend Personalverstärkung, denn die zu bearbeitenden Fälle türmen sich dort angeblich bereits in bedenklicher Höhe und an neue Planstellen, na Sie wissen ja, ist zurzeit überhaupt nicht zu denken. Ich hoffe sehr, Sie nehmen mir das nicht übel, liebe Kollegin Masal.“
„Keineswegs, Herr Kriminaloberrat. Obwohl ich wirklich gern in Ihrem Dezernat tätig war, habe ich für diese Maßnahme Verständnis. Nur bitte ich Sie, dass sie tatsächlich vorübergehend ist, denn eine Arbeit nur am Schreibtisch ist nicht das, was ich mir beim LKA erträumt hatte.“
„Weiß ich doch, Frau Masal, weiß ich doch! Haben Sie ja während der letzten Monate eindeutig bewiesen!“
Zurück im bisherigen Arbeitszimmer, packt Nili ihre persönliche Habe in eine Plastik-Obststeige und winkt ihren Kollegen beim Hinausgehen ein wenig wehmütig zu.
„Hals- und Beinbruch, Nili, wir werden dich vermissen!“, ruft ihr Hannes Paulsen zu.
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