Traumzeit für Millionäre. Roman Sandgruber
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Название: Traumzeit für Millionäre

Автор: Roman Sandgruber

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783990401842

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СКАЧАТЬ Privatanleihen, u. a. für die Esterházy und für Metternich. 1835 erhielt Salomon Rothschild die Konzession für den Bau der „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“, mit der er eine fast monopolartige Stellung in der Wiener Kohlenversorgung erreichte und auch eine feste Verankerung in der Industrie begründete. Er erwarb die Eisenwerke Witkowitz und gründete zahlreiche andere Unternehmen. 1855 gelang seinem Nachfolger Anselm mit der „Kaiserlich-königlichen Österreichischen Creditanstalt für Handel und Gewerbe“ die Gründung der größten Aktien- und Investmentbank Österreichs mit einem Gesamtkapital von 60 Millionen Gulden.17

      Baron Anselm Rothschild hatte das Image eines Asketen: Sein Hauptlaster soll Schnupftabak gewesen sein. Er führte das Leben eines Einsiedlers und Sparmeisters, sprach, um sich von den Angestellten abzuheben, nur Französisch, und sein Begräbnis sei so anspruchslos gewesen wie das eines armen Juden.18 Bei seinem Tod im Jahr 1874 hinterließ er ein Vermögen von ca. 94 Millionen Gulden, die Hälfte davon als Privatvermögen.19 Die nächstgrößten Vermögen in diesem Jahrzehnt lagen bei 19, 18 und 14 Millionen Gulden, das fünftgrößte Vermögen bereits bei unter fünf Millionen.

      Albert als jüngster übernahm die Wiener Geschäfte, Ferdinand ging nach England und Nathaniel, der den größten Teil der Kunstschätze erbte, lebte in Wien, betätigte sich als Kunstsammler und Philanthrop und führte das sorglose Leben eines Rentiers. Zwischen 1871 und 1878 hatte er sich in der Theresianumstraße ein Palais errichten lassen, das zu den prachtvollsten Neubauten des Wiener Historismus zählte. Ab 1884 begann er in Reichenau an der Rax mit dem Bau einer Sommervilla im Stil der Loire-Schlösser. Die Bezeichnung Villa war leicht untertrieben, bei 200 Zimmern und Baukosten von 2 Mio. Gulden, dem Zehnfachen der benachbarten Villa Wartholz für den Kaiserbruder Erzherzog Carl Ludwig und dem Hundertfachen der nahe gelegenen, auch nicht gerade kleinen Villa Hebra. Das Projekt blieb halbfertig. Nicht weil Nathaniel das Geld ausgegangen wäre, sondern weil er 1889 plötzlich das Interesse verloren hatte und das Gebäude zum Ärger der Fremdenverkehrsgemeinde und des benachbarten Erzherzogs in eine Stiftung für Tuberkulosekranke umwandeln wollte. Weil ihm das wegen des Widerstands der Anrainer und des Kaiserbruders nicht gelang, machte er ein Militärinvalidenhaus daraus.

      Nathaniel wird meist als schrulliger Hypochonder beschrieben, der in seinem Schloss Enzesfeld nur eine einzige Nacht verbrachte, weil er gehört hatte, dass es für Epidemien anfällig sei, und der sich eine Jacht um vier Millionen Gulden zulegte, mit der er sich aus Angst vor dem Ertrinken nicht von der Küste wegwagte.20 Wenn Nathaniel reiste, dann mit eigenem Salonwagen, eigenem Leibarzt, Sekretär und Kammerdiener. Wie sein englischer Cousin Alfred, der sein eigenes Orchester dirigierte und sich einen privaten Zirkus hielt, in dem er als Direktor auftrat, hatte auch Nathaniel sein Privatorchester, das ihn überallhin begleitete und das er selber leitete, er hatte seine Gewächshäuser und seinen Fußballclub, den „First Vienna Football Club“ auf der Hohen Warte, der noch immer die blau-gelben Farben der Rothschilds trägt.21

      Die wirtschaftliche Leitung des Hauses hatte Albert Salomon, genannt „Salbert“. Seine Geschäfte liefen wie geschmiert: Seine Einkünfte kamen aus der Privatbank und aus der Creditanstalt und ihrem Industriekonzern, von den Anteilen an der Nordbahn, vom Stahlwerk Witkowitz und von den großen Grundbesitzungen. Wie stark sich Albert im operativen Geschäft engagierte, ist kaum erforscht. Der Generaldirektor der Credit-Anstalt Alexander Spitzmüller charakterisierte ihn als „eigentümliche Mischung aus Gentleman und brutalem Machthaber“, der sich über seine Mittelsleute und Vertrauten im Hintergrund hielt, ohne den aber keine Entscheidung ablief. Paul Kupelwieser, sein Generaldirektor in Witkowitz, beschuldigte ihn, nicht das geringste Interesse am Industriegeschäft gehabt zu haben. Statt in neue Produktionsfelder zu investieren, habe er lieber Grundbesitz angehäuft.22 Seinen größten Coup hatte Albert 1881 mit der Konvertierung von 592 Mio. Gulden ungarischer Goldrente von bisher sechs auf vier Prozent gemacht und dabei angeblich 150 bis 160 Mio. Gulden verdient.

      Der Eintritt der Rothschilds in die Adelsgesellschaft verlief langsam, schwierig und unvollkommen. Auch die Rothschilds der vierten Generation, die sich ihren vergoldeten Palästen und gepflegten Gärten widmeten, waren immer noch stolz auf ihre jüdische Identität. Auch ihre formale Aufnahme in den Adelsstand und die ihnen schließlich gewährte Hoffähigkeit, für einen Baron jüdischer Konfession ein singuläres Ereignis, bedeuteten keinen uneingeschränkten Zutritt in diese Gesellschaft.23 Fürstin Pauline Metternich soll Nora Fugger zufolge zu Rothschild gesagt haben: „Warum lassen sie sich denn nicht endlich einmal taufen?“ Der Baron gab ihr zur Antwort: „Aber Fürstin, was würde das an der Sache ändern? Ich wäre dann doch nur ein getaufter Jude.“24

      Albert ließ sich in der Heugasse, heute Prinz-Eugen-Straße, ein riesiges Palais im Louis-Seize-Stil errichten, mit silbernem Speisesaal und goldenem Ballsaal. Rothschild-Schlösser gab es unter anderem in Langau, Enzesfeld, Schillersdorf und Beneschau, riesigen Grundbesitz im Erlauf- und Ybbstal.25 Das Waidhofener Schloss wurde großzügig regotisiert und ausgestaltet. Selbstverständlich waren nicht nur eigene Jagdreviere und Reitställe, sondern auch eine eigene Radfahrhalle, ein Tennisplatz, ein Eislaufplatz, eine riesige, aber antiquierte Kunstsammlung und ein botanischer Garten. Albert war Pferdezüchter und Rennstallbesitzer und neben dem Pferdenarren Baron Springer, dem viertreichsten Wiener, das einzige jüdische Mitglied des exklusiven Jockeyclubs.26

       Eine „eigentümliche Mischung aus Gentleman und brutalem Machthaber“: Albert Salomon Freiherr von Rothschild mit seiner Frau Bettina Caroline, um 1880.

      „Er hat Liebhabereien wie ein Schnorrer“, meinte der Berliner Bankier Carl Fürstenberg in einer auf den ersten Blick recht unpassenden Art über Albert Rothschild: Schlittschuhlaufen, Radfahren und schwierige Bergtouren bildeten sein Hauptvergnügen.27 Er war ein hervorragender Fotograf und anerkannter Schachspieler, er besaß eines der ersten elektrischen Automobile in Wien, bevorzugte aber den Fiaker, war ein begeisterter Alpinist, der als siebenter am Matterhorn war, und ein Hobbyastronom von Rang. Die meiste Zeit seines Lebensabends verbrachte er in seinem Photoatelier, wohin er sich auch die Finanz- und Börsenachrichten bringen ließ. Angesichts seiner riesigen Einkommen mussten seine vielen Schlösser und Sammlungen, ja selbst die kolportierte Summe von etwa 35 Millionen Kronen oder vielleicht sogar Gulden oder etwa 3,5 bis 7 Prozent seines Lebensverdiensts für Sozial- und Kulturförderungen dennoch wie Schnorrerei erscheinen. Albert Rothschilds Sparsamkeit war stadtbekannt. Die folgende Anekdote mag gut erfunden sein: Im Pariser Ritz habe er sich nach dem billigsten Zimmer erkundigt. Auf den Hinweis des Portiers, sein Sohn nehme immer die Fürstensuite, erwiderte er trocken: Der hat ja auch einen reichen Vater. Den Großteil seiner Einkommen jedenfalls hat Rotschild nicht konsumiert, sondern für Wertpapiere und sonstige Veranlagungen ausgegeben, um sein Einkommen weiter zu vermehren.

      Es ist keine Eigenart der österreichischen Rothschilds, dass sie mehr quantitativ als qualitativ bauten und recht antiquiert Kunst sammelten, mit wenig Blick für das Neue: Louis Quinze und Louis Seize. Der „goût Rothschild“ war sprichwörtlich. Anselm Rothschild war von seinen Kindern als Sammler von Schnupftabaksdosen verspottet worden. Aber diese seine Kinder Nathaniel und Albert sammelten zwar Tizian, Tintoretto, Tiepolo und die Niederländer, aber keine Impressionisten, keine Sezessionisten und auch keinen Klimt oder Schiele.

      Das Vermögen des 1905 kinderlos verstorbenen Nathaniel erbte sein Neffe, Alberts ältester Sohn Adolphe. Dieser versteuerte 1910 ein Jahreseinkommen von 1,001.101 Kronen. Damit lag er an 24. Stelle des Rankings. Für die Geschäfte eignete er sich wenig. Er hatte zwar Jura studiert, interessierte sich aber für Kunstgeschichte, Philologie und Philatelie. Er besaß eine philatelistische Sammlung von Weltruf und die hervorragende Kunstsammlung, die er von seinem Onkel Nathaniel Rothschild geerbt hatte, dazu die berühmten Gärten auf der Hohen Warte.

      Die letzten Jahre Albert Rothschilds waren unglücklich verlaufen. Nachdem er 1892 so früh seine Frau verloren hatte, versetzte ihm der Freitod seines jüngsten Sohns im Jahr 1909 den letzten Schlag. Die Leitung der Geschäfte ging nach seinem Tod 1911 an seinen zweiten СКАЧАТЬ