Название: Lords of the Left-Hand Path
Автор: Stephen Flowers
Издательство: Автор
Жанр: Эзотерика
isbn: 9783944180205
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Die Kultur der Sumerer machte einen seltsamen Wandel durch. Von etwa 2800 v.u. Z. an sickerten semitische Völker (die später als Akkader identifiziert wurden) von Norden und Westen nach Sumer ein und begannen, Kultur, Sprache und Religion von den unteren gesellschaftlichen Schichten ausgehend zu „semitisieren“.42 Von 2350 bis 2150 v.u. Z. regierten akkadische Könige in Mesopotamien, bis ihre Herrschaft durch das Vordringen der Gutäer aus dem Iran beendet wurde. Die Gutäer beherrschten die Akkader bis 2050 v.u. Z., als die Sumerer eine Renaissance erlebten und die Macht wiedererlangten. Doch um 1950 v.u. Z. erlangte eine andere semitische Volksgruppe, die Assyrer, die Kontrolle über die Region. Die semitische Kultur und Sprache herrschten in Mesopotamien bis zur Eroberung durch die Perser im Jahre 539 v.u. Z. vor.
In hohem Maße wurden die Semiten Mesopotamiens – die Akkader, Assyrer und Babylonier – in ihrer Religions- und Kulturform „sumerisiert“. Sie übernahmen die sumerische Schrift (Keilschrift), äußere kultische Formen und die Mythologie. Die alten sumerischen Mythen wurden gewissermaßen semitisiert. Doch die Semiten waren ein wesentlich anders geartetes Volk, das die sumerischen Formen mit seinen eigenen Begriffsinhalten ausfüllte.
Die optimistische Anthropogenese der Sumerer – nach welcher der Mensch von den Göttern erschaffen wird – wird dahingehend uminterpretiert, dass die Menschheit aus dem Blut einer bösen Wesenheit geschaffen wird: Kingu. So ist der Mensch in der semitischen Version „durch seinen eigenen Ursprung verflucht.“43 Hier haben wir eine Grundidee, die der „Erbsünde“ sehr nahe kommt. Diese eher pessimistische Anthropogenese erfordert eine neue Form des Kultes mit persönlichen Gebeten und Bußpsalmen. Hier hören wir die Büßer um Vergebung der Sünden und Befreiung von Verfehlungen beten.44 Doch wäre es falsch, die Semiten Mesopotamiens nur als Vorläufer der hebräischen Religionsvorstellungen zu sehen. Der babylonische Blickwinkel auf die menschliche Existenz war weit optimistischer als der der Hebräer.
Ein weiteres wichtiges semitisches Volk im Nahen Osten waren die so genannten Kanaaniter. Sie bewohnten die Küstenregion des östlichen Mittelmeeres seit etwa 3000 v.u. Z. Offensichtlich hatte es eine Anzahl mutmaßlich semitischer Stadtansiedlungen in dieser Region gegeben, die der Reihe nach von halbnomadischen „Barbaren“ erobert wurden. Die Hebräer oder Israeliten, die um 1250 v.u. Z. in dieses Territorium eindrangen, waren eine von vielen ethnischen Gruppen unter diesen Siedlern. Das meiste, was wir über die Zivilisation wissen, die im Alten Testament Kanaan genannt wird, stammt aus Texten, die in Ras Shamra (Ugarit) an der syrischen Küste gefunden wurden. Nach dieser Quelle scheinen die Kanaaniter gespaltener Meinung darüber gewesen zu sein, was als „böse“ zu gelten habe. Letztendlich sahen sie die Welt in einem ewigen Kampf zwischen den Mächten des Lebens (repräsentiert durch Ba’al und seine Schwester Anath) und denen des Todes (repräsentiert durch Mot). Dieses schien eine allgemein anerkannte und akzeptierte Tatsache gewesen zu sein.45
Dieser kurze Überblick über einige nichthebräische Religionsvorstellungen verdeutlicht, dass die polytheistischen semitischen Religionssysteme nicht ausdrücklich von einer bösen Natur der Welt oder der Menschheit ausgingen. Dennoch weisen die Belege aus Mesopotamien darauf hin, dass die damals dort ansässigen Semiten zu der Vorstellung neigten, dass es eine „Erbsünde“ gebe. Gleichzeitig ist es schwierig, auf die frühen sumerischen oder semitischen Kulturen die Zweiteilung in „linkshändigen“ und „rechtshändigen“ Pfad anzuwenden. Dies rührt wahrscheinlich daher, dass wir vom philosophischen Verständnis dieser Völker zu maßgeblichen Themen zu wenig wissen. Gilgamesch ragt als einzigartige, heroische Wesenheit heraus, die, besessen von Selbst-Bewusstsein, Unsterblichkeit herbeisehnt. Dies würde ihn zumindest in Teilen als eine Leitfigur des linkshändigen Pfades auszeichnen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass die vielfältigen und ambivalenten Überlieferungen der Religionen des frühen Mesopotamiens und des Nahen Ostens, wie die alten indoeuropäischen oder die ägyptischen Traditionen die Saat für das in sich trugen, was sich später zur Dichotomie des rechtshändigen/linkshändigen Pfades entwickeln sollte. Aus der Sicht orthodoxer Lehren wie des Judentums, des Christentums und des Islam sind die Religionssysteme der Kanaaniter und Babylonier (ebenso wie das der Ägypter) grundsätzlich „sündig“ (sie mögen zwar im wesentlichem nicht dem linkshändigen Pfad zuzurechnen sein, doch waren sie, mit anderen, zumindest offen für die Werte des linkshändigen Pfades). Dieses Zulassen einer Vielzahl religiöser Facetten war an sich schon aus orthodoxer, monotheistischer Sicht Grund genug für eine Verdammung. Doch machte erst die hebräische Synthese eine solche Dichotomie möglich.
Die hebräisch-orthodoxe Synthese des rechtshändigen Pfades
Die hebräische oder israelitische Synthese der primitiven Glaubensvorstellungen semitischer Nomaden mit Elementen aus den Traditionen der Ägypter und Kanaaniter sowie der Babylonier und Iraner fand über einen längeren Zeitraum von etwa 1750 bis 500 v.u. Z. statt. Hebräische Nomaden waren in der Region um Hebron weitgehend sesshaft geworden, während die Israeliten (oder, genauer gesagt, die Aramäer) sich etwas später in der Region von Sichem ansiedelten. Diese Stämme lebten in den Randbezirken der städtisch geprägten und offenbar indigenen kanaanitischen Gesellschaft. Die Aramäer begannen vermutlich zwischen 1750 und 1250 v.u. Z., gewisse Eigentümlichkeiten der kanaanitischen Religion zu übernehmen. Um 1250 v.u. Z. kam eine dritte Welle hebräischer Siedler in diese Region. Diese setzten sich wahrscheinlich aus hebräischen Stämmen, die für einige Jahrhunderte in Ägypten ansässig gewesen waren, und womöglich auch aus Ägyptern und Angehörigen anderer nichthebräischer Völker zusammen, die äußerlich während des Exodus unter Führung eines (ehemaligen) ägyptischen Priesters, der als Moses in die Überlieferung eingegangen ist, hebraisiert wurden. Eine bedeutsame Synthese altertümlicher hebräischer, kanaanitischer und ägyptischer Weltanschauungen fand in diesem kulturellen Zusammenhang zwischen 1200 und 600 v.u. Z. statt. Das Königreich Israel wurde 587 v.u. Z. von den Babyloniern zur Gänze erobert. Von da an bis 538 v.u. Z. lebten die Israeliten innerhalb Babyloniens im Exil, in der so genannten Babylonischen Gefangenschaft. Zu dieser Zeit übernahmen sie babylonische – besonders aber auch iranische – Glaubensvorstellungen, die zum wichtigsten katalytischen Element in der Entwicklung der hebräischen oder jüdischen „Philosophie des Bösen“ wurden.
Wenn wir das hebräisch-jüdische Material (d. h. die kanonischen und die apokryphen Bibeltexte dieser Tradition) betrachten, müssen wir berücksichtigen, dass es sich bei diesen Mythen nicht um fortlaufende und zusammenhängende Erzählungen handelt, sondern um Fragmente von Mythen und Legenden, die ohne oder mit bestenfalls geringer Bemühung um textliche Folgerichtigkeit zusammengestückelt wurden. Das erste Beispiel davon finden wir in der Genesis, wo in 1 : 2 - 4 eine vollständige und schlüssige Version des Schöpfungsmythos erzählt wird und dann an späterer Stelle (Genesis 2 : 4 - 25) eine davon ziemlich abweichende, aber ebenso schlüssige und vollständige Version auftaucht. Die erstgenannte ist sicherlich die ältere Version, die andere wurde später (wahrscheinlich nach der Babylonischen Gefangenschaft) hinzugefügt. Dies ist eine typische Eigenart der hebräischen Mythologie, die jedoch angesichts populärer Mutmaßungen, es würde sich um einen in sich stimmigen und einheitlichen „offenbarten“ Text und nicht um das über Jahrhunderte hinweg unter verschiedenen geschichtlichen und kulturellen Einflüssen entstandene Werk mehrerer Autoren handeln, meist aus dem Blickfeld gerät.46
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