Название: Kämpferherz
Автор: John Eldredge
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783765572982
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Da spricht wieder der Junge – er hört nur einen Teil von dem, was ich sage. Ich speise dich nicht mit solchen hohlen Empfehlungen ab. Wir finden gerade heraus, worum es in dieser Phase deines Lebens geht.
Über unsere Gesellschaft gibt es etwas Wichtiges zu wissen. Der Autor Robert Bly nennt sie die „kindliche Gesellschaft“. Darin werden Menschen nicht so sehr von Älteren, sondern vielmehr von Gleichaltrigen geprägt. Bly spricht auch von der „vaterlosen Gesellschaft“. Kinder kommen immer früher in die Pubertät (heute kleiden sich schon zwölfjährige Mädchen wie früher Zwanzigjährige); gleichzeitig verlängert sich die Pubertät bis in das frühe Erwachsenenleben hinein. Man will nicht mehr erwachsen werden, sondern in einer ewigen Jugend verharren. Frauen von fünfundfünfzig erscheinen in Bars im Outfit von Teenagern. Ich würde dann immer am liebsten hingehen und sagen: „Sie sind fünfundfünfzig – verhalten Sie sich doch um Himmels willen wie eine erwachsene Frau.“ Die kindliche Gesellschaft betet die Jugendlichkeit an und lehnt die Härten des Erwachsenendaseins ab. Es ist eine Welt der ewigen Erstsemester – wie dein Ferienlager. Bly fasst das kurz und knapp zusammen: „Heranwachsende … verspüren keinen Antrieb, erwachsen zu werden.“7
Na ja, wenn ich mir die Jungs so anschaue, die ich kenne – Michael, Sky, Julian, also eigentlich alle: Sie sind im Herzen goldrichtig, und das mag ich an ihnen. Aber du hast wohl recht: Ich spüre, dass in uns noch eine Menge „kleiner Junge“ steckt. Der kleine Junge kann uns ja auch Staunen und Kreativität und spontane Freude schenken; aber er verliert auch schnell den Mut, will das Leben hier und jetzt. Er ist die Seite in uns, die uns dazu bringt, uns eher zu betrinken und Videospiele zu spielen, als uns dafür einzusetzen, aus unserem Leben etwas zu machen.
Genauso ist es. Du stehst also vor einer Entscheidung, die Mut braucht: dich auf das wilde, unberechenbare Abenteuer einzulassen, ein echter Mann zu werden.
Die Stunden, die ich mit meiner Hausmeistertätigkeit verbracht habe, waren nicht umsonst. Ich habe so viel dabei gelernt – dass es Zufriedenheit schenkt, den Tag mit guter Arbeit zu verbringen oder schwierige Situationen durchzustehen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Ich erlebte, wie hart Ausdauer sein kann – aber sie macht dich stark, wie Joggen oder Hanteltraining. Ich habe auch gelernt, mit den verschiedensten Menschen und mit ihren Eigenarten umzugehen. Es liegt eine eigene Schönheit darin, dieses Abenteuer zu akzeptieren. Sie befreit dich vom Druck des „Ichwill-alles-und-zwar-sofort“.
Ich verstehe, worauf du hinauswillst. Aber meinst du damit auch: „Der Weg ist das Ziel“? Dieses Mantra hilft mir überhaupt nicht weiter. Es klingt eher nach Verdrängung als nach der Wahrheit.
Nein, ich bin kein Anhänger von „Der Weg ist das Ziel“. Das haben Leute erfunden, die nie ihren eigenen Weg gefunden haben und eine Rechtfertigung für ihre Ziellosigkeit brauchten. Es ist ein pubertäres Hirngespinst. Der Weg ist der Weg; das Ziel ist das Ziel. Eine Reise nach Singapur ist etwas anderes als ein Aufenthalt in dieser Stadt. Während des Fluges muss man sich die Hoffnung auf diese Stadt – die Träume und Wünsche – vor Augen halten. So viele Flugstunden können schon brutal sein; man hat das Gefühl, in einer endlosen Reise gefangen zu sein und nie anzukommen. Das Herz sinkt im Sturzflug nach unten, und die einzige Hoffnung, die noch bleibt, ist die, dass bald mal wieder jemand mit Getränken vorbeikommt.
Natürlich hast du einen Weg vor dir. Aber dieser Weg hat ein Ziel: ein echter Mann zu sein, also über die Weisheit und innere Stärke zu verfügen, eine Frau zu lieben, und zwar dein Leben lang, ein guter Vater zu sein, eine Bewegung anzuführen, über ein Königreich zu herrschen und die Welt zu verändern. Du bist noch in der Ausbildung zum Kämpfer (und gleichzeitig in der Phase des Liebhabers; darauf kommen wir gleich). Dieser Abschnitt deines Lebens hat etwa mit siebzehn oder achtzehn begonnen, und er stellt jetzt deine Hauptaufgabe dar. Der Kämpfer erlernt die Kunst, an seinen Träumen festzuhalten. Und er akzeptiert die Strapazen, die es mit sich bringt, ein Mann zu werden, dem man diese Träume anvertrauen kann. Die Begeisterung des Jungen ist undiszipliniert und richtungslos; ja, er verliert leicht den Mut und auch den Weg.
Zu den großen Gegnern, die deine Generation besiegen muss, gehört das Anspruchsdenken. Ihr wart die Kinder, die in jedem Fall eine Urkunde erhielten – ob sie nun gewonnen oder verloren oder überhaupt nicht am Wettkampf teilgenommen hatten. Und dafür muss meine Generation sich bei euch entschuldigen. Wir hatten so viel Angst davor, es genauso miserabel zu machen wie unsere eigenen Eltern, sodass wir zu nachgiebig waren und die Spielregeln verweichlicht haben. Wir haben uns zu viel um euer Selbstwertgefühl gesorgt und zu wenig um eure Arbeitsmoral. Ein Junge mit diesem Anspruchsdenken glaubt, das Leben müsse leicht sein, alle Träume sollten wahr werden und jeder bekommt einen Pokal, egal, was er leistet. Und dieser Junge ist ernsthaft schockiert, wenn er – oft sehr schmerzhaft – feststellen muss, dass die Welt ihm keinen Penny schuldet.
Das erinnert mich an Santiago aus Der Alchimist von Paulo Coelho. Es gehört zu den Büchern, die mich richtig begeistern; ich habe es schon ein paar Mal gelesen. Santiago ist ein junger Mann mit einem Traum von einem vergrabenen Schatz. Er lernt, auf sein Herz zu hören und nach Hinweisen Ausschau zu halten, während er seinem Traum folgt. Das ist tatsächlich im Wesentlichen die Handlung. Es ist eine Geschichte darüber, wie jemand seinen Träumen auf der Spur ist, Zweifel und Rückschläge überwindet, Liebe und Gefahr durchlebt und am Ende seine Träume verwirklicht sieht.
Ich liebe diese Geschichte auch deswegen, weil ich möchte, dass sie wahr ist – für mich wahr wird. Dass es stimmt: Wenn ich meinem Traum folge, Hinweise beachte und Rückschläge überwinde, dann wird es in meinem Leben Abenteuer und Romantik geben, dann werde ich meinen Schatz finden. Ziemlich am Anfang des Buches schildert Coelho diese wunderbare Hoffnung, damit die Reise beginnen kann. In dem Moment, in dem Santiago sich entscheiden muss, ob er seinem Traum folgen will oder nicht, begegnet ihm Melchizedek, der „Weise“.
„Alle Menschen wissen zu Beginn ihrer Jugendzeit, welches ihre innere Bestimmung ist. In diesem Lebensabschnitt ist alles so einfach, und sie haben keine Angst, alles zu erträumen und sich zu wünschen, was sie in ihrem Leben gerne machen würden. Indessen, während die Zeit vergeht, versucht uns eine mysteriöse Kraft davon zu überzeugen, dass es unmöglich sei, den persönlichen Lebensweg zu verwirklichen.“
Kurz zuvor hatte Melchizedek gesagt:
„[Sie glauben] an die größte Lüge der Welt.“
„Welches ist denn die größte Lüge der Welt?“, fragte der Jüngling überrascht.
„Es ist diese: In einem bestimmten Moment unserer Existenz verlieren wir die Macht über unser Leben, und es wird dann vom Schicksal gelenkt. Das ist die größte Lüge der Welt!“8
Ich empfehle dieses Buch ständig weiter. Einige der besten Gespräche, die ich bisher geführt habe, hatte ich mit Freunden, meist spätabends, wenn wir einfach über unsere Träume geredet haben und davon, dass uns nichts davon abhalten könnte, nach Afrika zu gehen oder eine Firma zu gründen oder die erste Zeitung herauszubringen, die wirklich die Wahrheit berichtet. Wir saßen unter dem Sternenhimmel und hatten das Gefühl, nichts sei unmöglich. Das waren großartige Momente. Aber es ging uns wie Santiago, als er in Tangier beraubt wird: Wir vergessen dieses Gefühl, sobald die Sonne aufgeht, und Zweifel schleichen sich ein. Ich weiß nicht, wie viele von uns die Träume verfolgen, die sie in diesen Nächten so anschaulich beschrieben haben. Es tut mir so leid für meine Freunde. Ich wünsche es jedem von ihnen, dass er sich auf die Spur seiner Träume macht, bevor die Stimme der Bequemlichkeit oder der Angst die Träume „ändert“ (besser gesagt: besiegt). Sonst sind sie weiter auf der wilden Jagd nach allem und jedem in der verzweifelten Hoffnung, dass doch irgendwann das Glück kommt.
Später, als Santiago seinen Traum fast schon aufgeben will, schenkt uns Coelho eine weitere weise Einsicht: „Wir fürchten uns СКАЧАТЬ