Herz des Todes. Magret Kindermann
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Название: Herz des Todes

Автор: Magret Kindermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Herz des Todes

isbn: 9783947147687

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СКАЧАТЬ nicht exportieren konnte. Die saftigen Äpfel wuchsen an den Wurzeln des Gorkaubaums unter Wasser und hielten sich nach der Ernte unverarbeitet nur wenige Stunden. Der Tod liebte sie und brachte manchmal jemanden aus der Gegend um, bevor es seine Zeit gewesen wäre, um mal wieder einen Moorapfel genießen zu können.

      Der Honig, in dem man die Frucht buk, stammte nicht von Bienen, sondern von Pilzen, die auf verrottenden Baumstämmen wuchsen. Die Pilze bildeten jährlich ein im Dunkeln leuchtendes Sekret, das einerseits als feuerlose Lichtquellen und anderseits als Honigersatz genutzt wurde.

      Die kulinarischen Erzeugnisse des Moores waren ein gutes Geschäft für die Region und in Jui hatte man ein feines Gefühl für Verkaufserfolge. Und so brachten Händler regelmäßig getrocknete Moorapfelscheibchen, Moorapfelbier, Gorkaugemüse, Pilzhonig und Herkulenbeulen, die auf Wasserschnecken wuchsen, in die ganze Welt. Trotzdem war Jui eine arme Stadt, denn sonst hatte sie nichts zu bieten.

      »Ist noch heiß«, sagte die Köchin und reichte ihm einen Teller mit der gelben Frucht, die durch den Honig bläulich leuchtete. »Bitte iss schnell. Die Weihung kann nicht mehr lange aufgeschoben werden. Wir haben Serenika hereingelockt, um das Mädchen zu beschützen.«

      Serenika war eine Hühnerart mit türkis schimmernden Federn, aus denen gerne Schmuck gemacht wurde. Nicht nur, weil sie hübsch aussahen, sondern auch, weil die Hühner unsterblich waren und man den Federn nachsagte, ihren neuen Trägern das Gleiche zu bescheren. Der Tod konnte sie nicht leiden, weil man sie nicht essen konnte. Sie waren nicht totzukriegen und wenn man es doch versuchte, wurde es eine endlose, unappetitliche Sache. Unsterblichkeit konnte auch seine Schattenseiten haben.

      Der Tod lehnte sich an die Torfwand und schob sich einen Bissen in den Mund. Ein lustvoller Laut entwich ihm. Die frische, erdige Süße breitete sich in seinem Mund aus. Hastig schob er ein weiteres Stück nach, bevor der Geschmack Zeit hatte, zu verblassen.

      »Schneller!«, flehte die Alte. »Das Kind stirbt sonst.«

      »Keine Sorge. Es stirbt schon jemand anderes heute Nacht«, sagte der Tod und schmatzte. Er leckte den leeren Teller sauber und streckte den beiden Frauen die Zunge raus. »Leuchtet meine Zunge?«, fragte er.

      Die Alte schaute ihn sprachlos an, doch die Köchin schlug ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf.

      »Schluss jetzt!« Sie öffnete die Tür und schob ihn hinein.

      Das Schlafzimmer wurde mit einem Feuer in der Mitte des Raumes warm und trocken gehalten. Wohin der Tod auch blickte, sah er Serenika. Mit wiegenden Köpfen blickten die Vögel zu ihm und blinzelten, denn sie erkannten ihn und sagten so Guten Tag. Im Bett lag eine schlafende Frau mit schweißnassen Haaren.

      »Sie ruht sich aus. Wir müssen gleich die Nachgeburt herausholen.« Eine weitere Frau, die hinter dem Bett auf einem Schaukelstuhl saß, hatte diese Worte gesprochen. Sie war die Geburtshelferin.

      Ein dünner, schwarzer Stoff über dem Gesicht der Frau im Bett konnte nur vom Tod gesehen werden. »Weckt sie auf und holt sie gleich, sonst überlebt sie es nicht.«

      Die Geburtshelferin sprang auf und rüttelte die Schlafende. Sie tat es nicht, weil der Fremde Autorität ausstrahlte, sondern weil man in Jui jede Aussage über den Tod ernst nahm. Niemand wollte derjenige sein, der eine Warnung ignoriert hatte.

      Neben dem Bett hing ein Korb von der Decke, in dem ein Huhn auf einem Bündel lag. Das Tier döste zufrieden, weil es mit getrockneten Käfern gefüttert worden war. Der Tod trat näher und schob das Huhn beiseite. Bei dem Bündel handelte es sich um das Neugeborene. Nur der Kopf war zu sehen, der Rest war in den für die Region typischen Stoff aus Schilf gewickelt. Die gräuliche Blässe war schon verschwunden und die Haut hatte das dunkle, warme Braun ihrer Mutter angenommen.

      »Jetzt kommt die Weihung«, flüsterte jemand aufgeregt hinter ihm. Die andere schien ihr zu bedeuten, sie solle schweigen. »Was denn?«

      Der Tod drehte sich um und hob fragend die Schultern. Erwartungsvoll kamen die zwei Frauen näher. Von ihnen würde er keine Hilfe bekommen. Was wurde bloß von ihm erwartet? Vielleicht sollte er einfach verschwinden. Die frische Mutter stöhnte auf.

      Da öffnete das Neugeborene ein Auge. Neugierig beugte er sich über es. Er hatte schon mit Säuglingen zu tun gehabt, aber da waren sie meistens schon tot gewesen. Seine Schwester hatte drei Kinder bekommen, doch nach den Geburten hatte man ihn nicht eingeladen. Den Tod hielt man lieber auf Abstand, selbst wenn er der Bruder war. Bei diesem Kind handelte es sich um andere Umstände. Es war am Anfang seines Lebens, an Tag Null.

      »Niemand ist gerade so weit von mir entfernt wie du«, sagte er.

      »Was sagt er?«, flüsterte die Alte.

      »Lauter!«, sagte die Köchin.

      Der Tod hob den Kopf und betrachtete das Wesen mit dem einen braunen Auge vor sich. Nach langen Regentagen war das Moor vom aufgewühlten Schlamm genauso braun, doch diese Tage waren selten. Er hob seine Hand über den Korb. Die Augen der Frauen wurden größer. Der Tod machte hilflos eine Handbewegung, als würde er Salz über das Mädchen streuen.

      »Bist du überhaupt eine Bilgrim?«, fragte die Köchin und stemmte einen Arm in die Hüfte. Es musste der sein, mit dem sie immer die Eier aufschlug, denn der Bizeps war deutlich zu sehen.

      »Er hat’s gesagt!«, rief die Alte und duckte sich. »Mich trifft keine Schuld, ich habe überall gesucht und er hat’s gesagt.«

      »Ich bin die beste Bilgrim, die ihr hättet finden können und das gerade war erstklassige Magie. Macht man jetzt überall so, hat euer Moorloch wohl noch nicht erreicht!«

      Die Köchin blickte ihn länger an. »Wir haben auch nur dich. Also mach fertig, drei Gaben und so und dann raus hier.«

      Die Mutter im Bett schrie und mit einem Schmiergeräusch kam endlich die Nachgeburt. Sofort fiel sie wieder in einen tiefen Schlaf. Die Geburtshelferin griff nach einem Eimer und warf die blutigen Tücher und Überreste hinein.

      Der Tod hatte sich inzwischen wieder dem Mädchen genähert.

      Hallo, hallte es in seinem Kopf. Erschrocken fuhr er zusammen. Es hatte nicht wirklich das Wort benutzt, aber es war die Bedeutung dessen gewesen, das Kind hatte ihn begrüßt. Und es sagte noch mehr. Es sagte: Guck mal. Mit dem zweiten Auge, das es öffnete, zeigte es dem Tod seine Seele.

      Tränen stiegen ihm in die Augen. Ergriffen wischte er sie weg und schniefte. Die Seele war zwar jung und ungestüm, doch sie war stark und hatte eine Ruhe, die ihn in die Knie zwang. Während ganz Jui an nichts Übermenschliches als den Tod glaubte, begann eben dieser an Götter zu glauben.

      »Darf ich es halten?«, fragte er.

      Da lächelte selbst die Köchin.

      Mit Fingern, die sonst eher zupackten und würgten, hob er das Neugeborene aus dem Hängekorb und hielt es sich an sein flatterndes Herz. Wie immer, wenn er einen anderen Menschen berührte, fiel ihm seine hellbraune Haut auf, die nicht das Einzige war, das er von seinem Vater geerbt hatte. Sein Atem stockte, als ihn vergrabene Erinnerungen durchfluteten.

      Die Seele des Mädchens flocht ein Band aus seiner Selbst und schnürte es um das Herz des Todes, das sich sofort beruhigte. Die Körperwärme des Kindes ließ ihn schwindeln. Er spürte den starken Drang, am Köpfchen zu riechen. Durfte er das? Das wäre sicher merkwürdig.

      Vor einigen Jahren hatte er die Seele einer verstorbenen СКАЧАТЬ