Название: Perry Rhodan Chronik, Band 2
Автор: Michael Nagula
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Perry Rhodan Chronik
isbn: 9783854453567
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Ordnung und Chaos
Dirk Hess erinnert sich dreißig Jahre später in einer E-Mail an den Chronisten: »Als mich William Voltz und Kurt Bernhardt im März 1974 in Frankfurt besuchten, sprachen wir unter anderem über den außerordentlichen Erfolg von VAMPIRELLA bei den Lesern. Vor dem Hintergrund der drohenden Indizierung klagte Bernhardt sein Leid mit dem Horror-Genre im Romanheftbereich. Nicht nur die Splatterproduktionen im Film machten der Printversion zunehmend zu schaffen, auch die leidige Konkurrenz plus der Bundesprüfstelle trübten seinen ›Horror-Alltag‹. Er stellte sich eine gesoftete Fortsetzungsreihe mit feststehenden Charakteren vor. Auf keinen Fall SF, aber auch keinen harten Horror – eher einen Mix aus Crime, Fantasy und Horror. Gern hätten wir VAMPIRELLA in Romanform gebracht, aber die Lizenzkosten und die bereits erfolgte Indizierung des Comics hielten ihn davon ab.«
Eines der beiden Serienkonzepte, die Hess daraufhin entwickelte, war FRANKENSTEIN, das den Alternativtitel DAS BÖSE trug. »Das Ganze war eine krude Mixtur aus – heute würden wir sagen – ›X-Files‹ und Zombie-Splatter. Klassische Horrorfiguren wie Frankenstein, Dracula, Werwolf und Mumie sollten in der Gegenwart gemeinsam auftreten. Nicht eindeutig böse und gut, sondern getrieben, gejagt und benutzt von einem Pandämonium, das von außerhalb wirkt. Fox Mulder hätte es heute treffender formuliert: ›Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen.‹ Ich hatte alles bis ins Detail ausgearbeitet: die ersten zehn Episoden, die Bedrohung durch das kosmische Ringen zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos – Entropie und ständiger Neubeginn. Frankenstein war von mir als positiver Held gedacht. Sein Gehirn überdauerte die Zeit in unterschiedlichen Körpern. Nur sein Unterbewusstsein kannte die kosmische Bedrohung.«
Auch Dirk Hess legte Wert darauf, dass William Voltz an der neuen Serie mitarbeitete. Cheflektor Bernhardt hatte das verabredete Rahmenexposé bereits erhalten, als Hess seinem Freund am 8. April 1975 eine Kopie zuschickte. In seinem Begleitbrief heißt es: »Was die Serie FRANKENSTEIN betrifft, so würde ich mich freuen, wenn Du Dir unabhängig von mir ein paar Gedanken machen würdest. Sobald ich die ersten vier Exposés abgeschlossen habe – das ist diese Woche –, denke ich mir die nächsten vier Handlungsabläufe aus. Dazu sollten wir uns kurz treffen. Ich brauche jetzt noch Deine Regie – beziehungsweise Dein ordnendes ›Seriengewissen‹. Danach könnte ich dann diese Exposés schreiben.«
Anscheinend war die Begeisterung auf beiden Seiten groß, denn jetzt ging es Schlag auf Schlag. E-Mail-Originalton Hess: »William Voltz schrieb unter dem Pseudonym Thor Caplon den ersten Roman ›Apokalypse der Untoten‹. Unter meinem Alias Derek Chess verfasste ich den Folgeband ›Pilgerzug der Hexenmeister‹.« Nicht einmal zwei Monate später, am 5. Juni 1975, fertigte der Verlag die Verträge für die ersten beiden Romane aus.
Kurt Bernhardt blieb weiter am Ball. Postwendend hatte er Voltz schon einen Tag vor der Vertragsunterzeichnung in diesem vordigitalen Zeitalter aufgefordert: »Ich möchte, dass Sie die beiden FRANKENSTEIN-Romane sechsmal kopieren, damit wir sie an die entsprechenden Autoren weiterleiten können. Mir schicken Sie bitte auch eine Kopie der beiden Romane zu.« Dieses Verfahren entsprach dem bei PERRY RHODAN, das ebenfalls mit einem Autorenteam arbeitete – dem Erfolgsgaranten schlechthin!
Das FRANKENSTEIN-Autorenteam
Wer sollte aber nun zum Autorenteam gehören? Neben Voltz und Hess, die als Thor Caplon und Derek Chess firmierten, war zunächst von Earl Warren alias Walter Appel die Rede, der nicht nur Krimis und Western schrieb, sondern seit Anfang 1974 auch für die Horrorreihe VAMPIR tätig war und vermutlich im Juli oder August des Jahres zum ständigen Autor bei DÄMONENKILLER geworden war, einer von Ernst Vlcek und Kurt Luif ins Leben gerufenen Serie, mit denen gemeinsam er schließlich die meisten Folgen schreiben sollte. Appel ist heute noch ein sehr fleißiger und vielseitiger Verfasser von Heftromanen.
Am 29. September 1974 schickte er William Voltz das durchgesehene Rahmenexposé wieder zurück – mit dem Kommentar, das Ganze sei sehr schön in einen kosmischen Rahmen eingepasst, und die ersten drei Exposés bildeten einen Block. Mit dem vierten könne man Jason Crotor vielleicht durch und durch menschlich erscheinen lassen, um sich ein Hintertürchen offen zu lassen, falls die Opal die Hauptträgerrolle der Serie nicht schaffe …
Zwischen den Zeilen drückte sich deutlich seine Skepsis über die neue Serie aus.
Im März 1975 hatte auch Hans Kneifel seine Mitarbeit angeboten und als weiteren Autor seinen Freund Konrad Schaef alias Conrad Shepherd vorgeschlagen, der einige Jahre zuvor drei Romane für PERRY RHODAN geschrieben hatte. Und drei Monate darauf, kurz vor dem ersten Treffen aller Beteiligten, der ersten und einzigen FRANKENSTEIN-Autorenkonferenz, forderte Voltz noch drei Autoren zur Mitarbeit auf, die gerade vor ihrem Einstieg bei ATLAN standen: Peter Terrid, Marianne Sydow und Hans Peschke alias Harvey Patton. Von Terrid sind leider keine Reaktionen auf diese Anfrage bekannt. Und während die Autorin Sydow, die damals regelmäßig bei ZAUBERKREIS-SF unter dem Pseudonym Garry McDunn veröffentlichte, sich sehr über dieses Angebot freute und die Einladung zu einer Mitarbeit annahm, reichte der RAUMSCHIFF PROMET-Autor Peschke die Entwürfe zu der Horrorserie mit den Worten zurück, dass ihm diese Thematik überhaupt nicht liege.
Auch Kurt Bernhardt war nicht mehr uneingeschränkt von dem Projekt begeistert. Deutlich stand ihm die Indizierung eines DÄMONENKILLER-Romans vor Augen, die vielleicht auch der Grund dafür gewesen ist, dass Ernst Vlcek nie auf eine Mitarbeit angesprochen worden war; dieser erklärte im Februar 2004 auf eine Anfrage des Chronisten: »Von der FRANKENSTEIN-Serie höre ich heute zum ersten Mal. Davon wusste ich nix, schon gar nicht, dass Voltz daran beteiligt war – ich aber ganz sicher nicht.« Vielleicht wollte man auch nur die Fahrwasser der beiden Serien strikt trennen, und außerdem war Vlcek mit PERRY RHODAN und ATLAN stark ausgelastet.
Jedenfalls begann sich Skepsis über die Machbarkeit des Projekts auszubreiten. »Auf Wunsch von Bernhardt«, erinnert sich Hess in einer E-Mail an den Chronisten, »sollte wegen der Indizierung eines Romans nicht die bewährte VAMPIR-Lektorin Sabine Illfeld das Projekt übernehmen, sondern PERRY RHODAN-Lektor Günter M. Schelwokat. Diesem waren nach eigener Aussage Horrorromane zuwider, auch wünschte er keine Beteiligung von William Voltz an der Serie, damit dessen guter Name keinen Schaden nahm. Er gab ein Gutachten zu meiner Arbeit in Auftrag, das er auf dem Treffen mit den vorgesehenen Autoren Marianne Sydow, Peter Terrid und William Voltz präsentierte. Und was für ein Gutachten das war – einfach hanebüchen!«
Alles hatte ein enormes Tempo angenommen. Erst vierzehn Tage waren seit dem Ankauf der ersten beiden FRANKENSTEIN-Romane vergangen, und das Gutachten, das auf diesem Treffen am 16. Juni vorgestellt wurde, war Dynamit.
Hess erinnert sich noch wie heute: »Dämonendiener sollten danach wegen ihrer übersinnlichen Fähigkeiten als Psikonen bezeichnet werden, man dürfe dem Leser keine Pseudo-Philosophie aufschwätzen und man müsse auf Rückblendeerzählungen wegen ihres spannungsmindernden Effekts verzichten. Die Kritik gipfelte jedoch in der Feststellung, dass die Aktivitäten des Pandämoniums nicht in Einklang mit dem öffentlichen Bewusstsein der Ordnungsbehörden zu bringen sei: ›Die Polizei überall auf der Erde glaubt nicht an Geister, Dämonen und Zauberei, wie es ja auch im Exposé steht. Die Serie würde sich selbst lächerlich machen.‹ Es war ein Graus!«
Allen klang in den Ohren, dass sie es nur mit »ekelerregender Horror-Kolportage« zu tun hätten. Dieses Urteil verunsicherte die Anwesenden. Das Projekt war aus dem Ruder gelaufen. Von einer Horrorserie der geplanten Art konnte nicht mehr die Rede sein.
Jubel unter den Lesern
Das PERRY RHODAN-Jahrbuch war so schnell entstanden, dass sogar die Mitarbeiter von seinem Erscheinen überrumpelt wurden. William Voltz war seinem Freund Clark Darlton sehr dankbar dafür, ihn hinter den Kulissen unterstützt zu haben, und Klaus Fecher schrieb Voltz verwundert, dass er das Jahrbuch bereits in Händen halte, obwohl es doch erst im Herbst herauskommen sollte. Aber dem Verlag – allen voran СКАЧАТЬ