Paul McCartney - Die Biografie. Peter Ames Carlin
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СКАЧАТЬ gegeben hatte, schrieb Paul einen Brief ans Liverpool Institute und erklärte dem Direktor, dass er nicht wieder an die Schule zurückkehren werde, wobei er gleich darauf hinwies, wie hoch die Gage bei seinem ersten Engagement ausfiel. „Es war einer dieser ‚und das ist mehr, als Sie verdienen‘-Briefe“72, gab er später zu. So oder so, der Direktor sorgte dafür, dass der Abgang des Schülers McCartney im handgeschriebenen Hauptbuch der Schule vermerkt wurde. Alter für Schulabschluss erreicht, trug dort jemand ein und hielt damit fest, dass J.P. McCartney der gesetzlichen Verpflichtung zur eigenen Bildung nachgekommen war. In derselben Handschrift war eine kleine Erklärung daneben gequetscht: Arbeitet in Hamburg.

      Zuerst machte es den Eindruck, als sei die ganze Sache eine echte Katastrophe. Die Fahrt nach Hamburg verbrachten sie zusammengequetscht in einem kleinen Transporter, zusammen mit Allan Williams, dessen Frau Beryl und einem etwas zwielichtigen Geschäftspartner, dessen Aufgabe wohl vor allem darin bestand, Frauen für Williams aufzureißen, und der sich Lord Woodbine nennen ließ. Erst, als sie die deutsche Grenze überquerten, wurde den jungen Briten klar, dass sie vielleicht eine offizielle Arbeitserlaubnis brauchen würden, die ihnen jedoch niemand besorgt hatte. Sie taten so, als seien sie Studenten auf Urlaubsreise, und fuhren weiter, bis sie schließlich in Hamburg im Stadtteil St. Pauli ankamen und in Reeperbahnnähe die Adresse aufsuchten, die Koschmider ihnen genannt hatte. Einen winzigen, auf indisch gemachten Club mit dem originellen Namen Indra. Den erkennt ihr an dem großen Neon-Elefanten draußen. Das Innere des Clubs war deprimierend: Schwere rote Samtportieren dämpften den Sound, und an dem halben Dutzend bierbefleckter Tische saß kein Mensch. Die Unterkunft der Band, die Koschmider ebenfalls organisiert hatte, war ein fensterloser Lagerraum hinter der Leinwand eines drittklassigen Kinos namens Bambi: Etagenbetten, roh verputzte Wände und das durchdringende Odeur eines schlecht gereinigten Damenklos direkt nebenan.

      Als sie an ihrem ersten Abend im Indra auf der kleinen, zusammengezimmerten Bühne standen – alle außer Pete adrett in schwarzen Hosen und weißen Hemden sowie lila Sakkos –, spielten sie vor einem leeren Club. Sie mussten schließlich mit ihren Gitarren hinaus auf die Straße, um Passanten anzulocken. „Wir machten es wie Marktschreier“73, erinnerte sich Paul. „Wir schnappten uns zwei Leute und spielten alles, was sie wollten, spulten unser ganzes Repertoire ab … rissen Witze, versuchten, so richtig umwerfend zu sein, damit sie auf jeden Fall wiederkamen.“

      Koschmider, der sich seine neuesten Abendunterhalter von den hinteren Plätzen aus ansah, hielt sie für hoffnungslos. Die Musik mochte ja ganz in Ordnung sein. Aber wieso gaben sie sich so ruhig und bescheiden? Wieso standen sie da nur so rum, wo doch Rock ’n’ Roll etwas so Aufregendes sein sollte?

      Macht Schau!, schrie er sie an. Zeigt mal was! Bewegt euch zur Musik! Tut so, als hättet ihr Spaß! Und sie taten, was er sagte. Nicht mit den coolen, sorgsam einstudierten Schritten, die Cliff Richard und die Shadows so beliebt gemacht hatten – wer hätte schon die Zeit gehabt, so etwas zu lernen? –, aber mit einer wilden Leidenschaft, die sich immer weiter steigerte, je später es wurde und je mehr Biergläser sich zu ihren Füßen aufreihten. John sprang wild zum Beat hin und her. Paul schlenkerte mit seiner Gitarre herum, riss den Hals des Instruments hoch und herunter, und selbst Stu tanzte etwas unbehaglich mit seinem Bass herum, mit unergründlichem Gesichtsausdruck, während sich die Scheinwerfer auf der dunklen Sonnenbrille spiegelten, die er immer trug. Der Rhythmus ließ sie immer unbeherrschter tanzen, und je wilder sie herumsprangen, desto lauter wurden sie, und desto schneller wurde auch der Beat.

      Als sich die Nachbarn über den Lärm im Indra beschwerten, beschloss Koschmider, dort lieber wieder die ruhigeren Stripperinnen arbeiten zu lassen, während er die Beatles nun ebenfalls im Kaiserkeller auftreten ließ, im Wechsel mit Derry And The Seniors, sodass die Bands von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang ein Set an das andere reihten. Unter diesen Umständen – vor einem besseren Publikum, auf einer größeren Bühne und in direkter, wenn auch freundlicher Konkurrenz mit einer anderen Band aus Liverpool – drehten die Beatles noch mehr auf. Dazu trug auch die aufmunternde Wirkung der Diätpillen bei, die gerade in der Kombination mit ein paar Bier eine erstaunliche Wirkung entfalteten. Die Beatles verwandelten die Bühne des Kaiserkellers in einen neonbeleuchteten Hexenkessel. Dabei schluckten sie die Pillen nicht alle mit derselben Begeisterung wie John (der stets vorsichtige Paul nahm sie zu Anfang fast gar nicht), aber sie alle tranken literweise Bier, und die kombinierte Wirkung der verschiedenen Stimulanzien katapultierte sie zusammen mit der wilden Energie der nächtlichen Sessions in eine völlig neue Umlaufbahn.

      Sie bewegten sich mit einer solchen Geschwindigkeit und drehten sich so schnell durch das ihnen fremde Land, dass die fünf Jungs beinahe zu einem einzigen Wesen verschmolzen. Sie spielten die ganze Nacht über auf der Bühne, tranken und bedröhnten sich bis zum Morgengrauen, dann aßen sie zusammen, tranken (noch mehr), sprachen dieselben Frauen an und vergnügten sich mit ihnen, oft sogar zur selben Zeit und im selben Raum. Sie zogen sich gleich an, hatten den gleichen Gang, sprachen im gleichen übertriebenen Liverpooler Akzent. Wenn ein Blick auf die Uhr ihnen sagte, dass es bald wieder Zeit wurde, auf die Bühne zu gehen, hängten sie sich ihre Instrumente um, zählten zusammen vor und legten gnadenlos los. Paul kreischte „Long Tall Sally“ und „Lucille“, bis seine Stimmbänder den Dienst versagten, John legte mit „Johnny B. Goode“ und „Rock ’n’ Roll Music“ nach. Sie spielten „Your Feet’s Too Big“, „Memphis“, „That’s All Right, Mama“. Georges Gitarren-Soli erklommen neue Höhen, und Pete drosch kraftvoll auf sein Schlagzeug ein. Die Nächte auf der Bühne zogen sich in die Länge, und die Musiker reagierten darauf, indem sie ihr Repertoire mit allen möglichen Songs auspolsterten, die sie je gehört hatten: obskure R&B-Titel oder die B-Seiten amerikanischer Singles, die sie in Liverpool gekauft hatten. Paul erinnerte sich an die Shownummern, die Jim so gerne hörte, und sie alle kannten irgendwelche Cowboylieder aus dem Pfadfinderlager. Alles, was man in einen pumpenden Viervierteltakt zwingen konnte, wurde, wenn nötig, um Soli und erfundene Strophen erweitert, bis die Songs dreißig Minuten dauerten, eine Dreiviertelstunde oder sogar eine Stunde – oder, wenn es sein musste, die ganze Nacht.

      Wenn Derry And The Seniors nach ihren Sets die Bühne räumten und Saxophonist Howie Casey sich ein wenig ausruhte, dann sah er den Kollegen gelegentlich von der Bar aus zu und war beeindruckt. „In Liverpool hatten wir auf sie herabgesehen, aber sie hatten offensichtlich ziemlich viel geübt. Wir sahen jedenfalls einen verdammt großen Unterschied“74, sagte er. Casey war ein erfahrener Musiker, der in einer britischen Militärkapelle gespielt hatte, bevor er aus der Armee ausschied und ins Profilager wechselte. Ihm fiel besonders auf, wie stark der linkshändige Gitarrist die Band musikalisch vorantrieb. „Man merkt immer, wer in einer Band die kreative Kraft ist, und Paul hatte ganz offensichtlich diese Energie. Er war so gut darin, sich Akkorde zu erarbeiten und Songs zu erschließen. Und vom Gesang her war er hervorragend. Ich wusste, dass John in gewisser Hinsicht der Anführer war, aber musikalisch gab immer Paul den Ton an.“

      Nach den Konzerten ließ Paul die Nacht oft zusammen mit dem Gitarristen der Seniors, Brian Griffiths, ausklingen, unterhielt sich über Musik und arbeitete neue Akkorde für die Songs aus, die er ins Programm nehmen wollte. Griffiths, der vom musikalischen Standard der Beatles ohnehin bereits sehr beeindruckt war, erkannte dabei, wie breit gefächert Pauls Geschmack war, der von den härtesten Rocksongs bis zu Jazz- und Shownummern reichte. „Er konnte viel mehr spielen als die anderen, kannte auch Gershwin und solche Sachen“75, sagt Griffiths. „Er hatte ein gutes Ohr für Akkordfolgen und wusste über verminderte Akkorde und so Bescheid. Damals fragte ich mich, wieso er so was nicht auch auf der Bühne zeigte. Aber sie waren ja nun mal eine Rockband.“

      Das wurde Griffiths vor allem eines Morgens klar, nachdem sie das Kaiserkeller-Publikum eine lange Nacht hindurch mit abwechselnden Sets unterhalten hatten. Er war mit John zusammen im Morgengrauen frühstücken gegangen, und als sie ungefähr eine Stunde später zum Kaiserkeller zurückkehrten, hörten sie, dass Paul allein am Klavier saß und sich Elvis Presleys melodramatische Coverversion von „It’s Now Or Never“ erarbeitete. Er sang ins Bühnenmikrofon, und seine Version von Elvis’ theatralischer Darbietung hallte durch das leere, halbdunkle Lokal. John blieb mit Griffiths zusammen einen Augenblick СКАЧАТЬ