Kontrolle. Frank Westermann
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Название: Kontrolle

Автор: Frank Westermann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Andere Welten

isbn: 9783862871803

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СКАЧАТЬ kamen. Ich konnte mich auf nichts konzentrieren, geschweige denn das Erlebnis irgendwie verdauen. Ich rappelte mich also wieder auf, steckte ein Stück Plog zwischen die Zähne und marschierte weiter, dem bunten Lichterdschungel entgegen.

       Love is a sleeper locked in a room

       Waiting for someone to waken it

       Holding a key for a heart that's immune

       Frightened it's not really making it

      Family - »Love is a Sleeper«

       2.

      Fast übergangslos landete ich in dem Gewirr von dröhnendem Lärm, schreienden Leuten und flimmernden Farben. Neben mir donnerte plötzlich der Lautsprecher einer Musikbox los, und die Leute um mich herum fingen an, wie wild auf der Straße herumzutanzen. Ich musste mich schon in den ersten Minuten bemühen, nicht total auszuflippen.

      Ich hatte nämlich noch ein ganzes Stück zu laufen bis zu der Kneipe, die ich aufsuchen wollte. So richtig gemütliche, alte Kneipen gab es schon lange nicht mehr. Ich ging auch nur deswegen dorthin, weil sich da meist einige Leute aufhielten, die ich kannte. Ich hoffte, dort ein paar Freunde zu treffen und irgendwo einen Platz für die Nacht zu finden.

      So schob und drängelte ich mich durch eine kreischende, wahnwitzige Menge, wurde einige Male von schwer bewaffneten Cops kontrolliert und konnte nur mit Mühe aufdringlichen Händlern und Frauen entgehen.

      Ich hasste die Stadt!

      Ich glaubte, dies war das Schlimmste, was die menschliche »Zivilisation« bisher durchgemacht hatte. Und das Übelste an der Sache war, dass man diesem Chaos, diesem gigantischen Unterdrückungsapparat nicht entkommen konnte. Früher hatte es immer Auswege gegeben, Fluchtmöglichkeiten, die von Minderheiten, Unterdrückten und Außenseitern mehr oder weniger genutzt wurden.

      Ich hatte einige Bücher gelesen, verbotene natürlich, in denen Menschen in »demokratischere« Länder ausreisten, sich in die Natur zurückzogen oder im Untergrund in politischen Organisationen gegen Terrorregime kämpften.

      Nichts von all dem war hier möglich. Nach dem letzten kurzen und schrecklichen Krieg waren nicht viele Menschen übrig geblieben - gemessen an der Bevölkerungsdichte, die vor dem großen Knall herrschte. Kaum hatten die Wissenschaftler und Politiker, die Bürokraten und Militaristen die ultimate Bombe entdeckt, gab es für sie nichts Eiligeres zu tun, als sie auch anzuwenden. Ein Bereinigungskrieg sollte wieder Platz für Investitionen machen. Der Vorteil: Die Bombe hinterließ keine Radioaktivität. Das Sterben war schmerzlos schnell, der Wirkungskreis enorm. Gegenden vom Ausmaß kleinerer Länder versanken in Sekundenschnelle in Schutt und Asche, Überlebende gab es kaum.

      Der Krieg dauerte nur ein paar Tage. Dann wurde auch dem letzten hirnverbrannten, wahnsinnigen Faschisten klar, dass es keinen Zweck hatte, alle Menschen auszurotten. Denn über wen hätten sie dann das Netz der Ausbeutung auswerfen können?

      Die Wirtschaft, die Technologie und der Verwaltungsapparat hatten durch den Krieg wenig Schaden genommen und erholten sich schnell, mit Ausnahme der »unbedeutenden« Staaten, die gleich völlig von der Landkarte ausradiert worden waren. Die neuen/alten Machthaber verstanden es, die alte Wirtschaftsordnung, das alte Gesellschaftssystem fast übergangslos fortzusetzen - noch perfekter und brutaler, als es vorher schon gewesen war. Sie hatten es dadurch leicht, weil sie während des Krieges alle Widerstandsgruppen systematisch zerschlagen hatten.

      Das Leben jetzt konnte man entfernt mit der Welt, die Orwell in 1984 beschrieb, vergleichen, obwohl es gravierende Unterschiede gab. Die Überwachung und das gesamte Sicherheitssystem der Stadt jedenfalls funktionierten genauso, nur unauffälliger.

      1984 stand natürlich auch auf der Liste der staatszersetzenden Bücher, und ich hatte Glück gehabt, dass ich wenigstens Bruchstücke hatte lesen können. Einem neutralen Beobachter wäre dort die Unterdrückung sofort aufgefallen, während die Stadt den Eindruck vermittelte, als lebten ihre Bewohner in Freiheit.

      In der Tat wurde niemand gezwungen, einen erniedrigenden, dreckigen 10-Stunden-Tag in einer gigantischen Fabrik zu arbeiten. Doch dann gab's auch kein Geld, und damit auch nicht all die hübschen kleinen und großen Sachen, die man sich davon kaufen konnte. Und was anderes als kaufen und Geld ausgeben gab es nun mal nicht. Höchstens das Konsumieren des täglichen Tri-Di-Programms.

      Das Leben stellte sich nicht so eintönig grau dar wie bei Orwell - es war viel bunter, schreiender. Und somit auch weniger leicht zu durchschauen. Von Kind auf wurden jedem eigene, kritische Gedanken oder Formen von Eigeninitiative ausgetrieben. Geschichtsfälschung und Medien spielten dabei eine große Rolle. So wurde praktisch das Leben vorprogrammiert, obwohl es aussah, als könnte jeder tun und lassen, was er wollte. Nur wenige hatten die Möglichkeit,diese Fassade zu durchschauen, sei es durch Zufall oder günstige Umstände.

      Wer kam schon gegen eine sich überschlagende Vergnügungsindustrie, eine an allen Ecken ins Auge stechende Werbung und Mode, ein ewiges Durcheinander von Konkurrenz, Neid, Hass und Aggressionen an? Dies alles war von den Regs offiziell sanktioniert, Auswüchse und Widerstand wurden ohne Rücksicht restlos ausgetilgt.

      Auswege gab es nicht. Hier, im ehemaligen Südengland, existierte nur diese einzige riesige Stadt - rundherum erstreckte sich Steinwüste,Unfruchtbarkeit und Leblosigkeit. Allein die Regs und ihre Vertrauten hielten Kontakt zu anderen Städten und Erdteilen. Und es gab meines Wissens keinen Flecken auf der Welt, der sich wesentlich von dem beschriebenen Bild unterschied. Und falls dies nur Propaganda war, konnte man es nicht überprüfen.

      Bei all diesen immer wiederkehrenden Gedanken hatte ich fast im Traum die besagte Kneipe erreicht. Die Flügel der breiten Tür standen weit offen, und aus dem knallgrünen Gebäude drang ein Schwall von lauten Worten und beißendem Qualm.

      Ich spähte erst mal vorsichtig hinein, um mich an das Dämmerlicht und die Rauchschwaden zu gewöhnen. Es stank nach Drogen, Schweiß und Zigaretten. Ich quetschte mich durch einen Wust von gestikulierenden, schreienden Menschen, Stühlen, Tischen und Glücksspielautomaten. Irgendjemand drückte seine Zigarette fast in mein Auge, ein anderer leerte sein Bier auf meiner Hose aus. Schimpfend und schwitzend entdeckte ich endlich im Hintergrund an einem kleinen Tisch einige bekannte Gesichter und schlängelte mich zu ihnen durch.

      »Hey, Speedy!« rief jemand, und ich erkannte Yate, einen schon etwas älteren Saufbruder.

      «Hallo!«, sagte ich müde und schob mich mühsam neben ihn auf die abgeschabte, rote Plastikbank.

      Ich stellte den Beutel zwischen meine Füße - aus Vorsicht, falls jemand die Absicht hatte, ihn unauffällig mitzunehmen.

      Die Mechano-Bedienung brachte mir ein großes, gepanschtes Bier, das mich erst mal einige Zeit in Anspruch nahm.

      »Wo hast du dich rumgetrieben?«, fragte Cab.

      Er beugte sich zu mir herüber, sodass ich sein tätowiertes Gesicht bald mit der Nase berührte.

      »Ich war ne Zeit draußen.«

      »Was?! Hast du ne Macke? Was hast du denn da gesucht?«

      »Musik gehört, gelesen, nachgedacht …«

      »Schön blöd!«, meckerte Yate. »Hast Glück gehabt, dass du mit heilen Knochen wieder hier СКАЧАТЬ