Blanchisserie oder Von Mäusen, Moder und Literatursalons. Jurgis Kuncinas
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Название: Blanchisserie oder Von Mäusen, Moder und Literatursalons

Автор: Jurgis Kuncinas

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Literatur aus Litauen

isbn: 9783898968560

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СКАЧАТЬ ja, Aistis:

       Ausdauernd im Herzen, unter dem grauen Rock!

       So hast du einst Europa gegen die Mongolen

       verteidigt, mit nackter Brust!

      Vielleicht würde Nataša mit ihrem Busen Europa verteidigen? Eher unwahrscheinlich.

      Unweit von der Reformierten Kirche sah ich zwei ziemlich merkwürdige Männer, na, vielleicht waren sie selbst gar nicht so merkwürdig, aber ihre Tätigkeit war es. Der erste ging etwa zehn Schritte voraus und leimte über eine Strecke von rund zwanzig Metern Plakate und Porträts von Politikern der konservativen Partei an die Hauswände, und der andere riss die Früchte seiner Arbeit wieder herunter und klebte stattdessen Propagandawerke der Sozialisten hin. Beide arbeiteten schweigend, sahen sich nicht um und ließen sich durch nichts ablenken. Bei der Einmündung der Jogailos gatvė wandten sie sich zum Cvirkos skveras, setzten sich hin und begannen zu vespern. Es war vier Uhr morgens und noch dunkel.

      Ich gesellte mich zu ihnen, zündete mir eine Zigarette an, bewirtete die beiden vorgeblichen Gegner mit hausgebranntem Schnaps und meinte: »Ich finde ganz schön merkwürdig, was Sie da tun! Der eine klebt Plakate an, der andere reißt sie gleich wieder herunter. Geht das in einen gesunden Menschenverstand?«

      »Doch, doch«, antwortete der Jüngere von den beiden, der die Plakate von den Linken geklebt hatte. »Sehen Sie, mein Herr, morgen Nacht machen wir es genau andersherum: Dann gehe ich voran, und Juozas reißt die Plakate hinunter und klebt die von den Konservativen an. Wir werden anständig bezahlt, und danke für den Schnaps, er ist gut.«

      »Eine merkwürdige Arbeit«, stimmte der magere Ältere rauchend zu. »Aber der Wahlkampf muss am Laufen gehalten werden, und es ist keine gefährliche Tätigkeit. Ich habe wirklich noch nie so einen guten Tropfen getrunken«, lobte auch er das Geschenk von Lelešius. »Er brennt auf der Zunge!«

      »In die Politik mischen wir uns nicht ein«, versicherten mir die seltsamen Arbeiter zum Abschied einstimmig und verschwanden hinter dem Denkmal von Petras Cvirka.

      Aber die Nacht hielt noch mehr unerfreuliche Überraschungen für mich bereit: Direkt an der Vykinto skersgatvis versperrten mir fünf junge Rowdys den Weg. Sie hatten eine Kette quer über den ganzen Gehsteig gebildet, und auch sie hatten mit Politik herzlich wenig im Sinn, aber ihre Absichten lagen ganz offensichtlich auf einem völlig anderen Gebiet. Ich feuerte eine Salve über ihren Köpfen ab, die Kugeln durchlöcherten die leicht gelblichen Lindenblätter, und die Killer stoben auseinander wie junge Spatzen. Das stimmt wirklich, Nabė, frag irgendwann Kapitän Milošas. Nein, er ist weder mit Oskaras Milašus noch mit Česlovas Milošas verwandt, sondern er ist ein echter Litauer aus Vabalninkas oder vielleicht auch aus Kvėdarna, ich erinnere mich nicht mehr so genau. Jedenfalls ist er ein Polizeikapitän, mittelgroß und blond. Nein, nicht »schweineblond gefärbt«, wie du es dir aus einem meiner Romane »über Liebe, Wein und Tod« eingeprägt hast, sondern echt. Er ist ziemlich breitschultrig, hat eine Narbe über der rechten Wange und einen Tic, das heißt er zuckt mit dem linken Augenlid. Warum du ihn fragen sollst? Ganz einfach: Gerade als die Feiglinge im Gebüsch verschwunden waren, tauchte vor mir ein alter Planwagen auf, genau von derselben Bauart wie der, mit dem einst Abrutis Vigilija ins Theater von Marijampolė kutschiert hatte, und aus ihm kamen vier Polizisten gesprungen, warfen mich zu Boden und fesselten mich. Milošas trat mich nicht allzu schmerzhaft in den Hintern, und natürlich nahm er mir die Automatik ab. Was würde ich Gvido sagen, würde er mich umbringen? Sie brachten mich zu der Wache neben der Bar »Ambasada«.

      »Wer hat dich an der Stirn verletzt?« Ohrfeige links.

      »Woher hast du die Knarre?« Ohrfeige rechts.

      »Wohin warst du unterwegs?« Die Ohrfeigen wechselten sich ab.

      »Wenn Sie sich so aufführen«, ich wurde ernsthaft böse, »dann erzähle ich Sie Scheiße!«

      »Sie!« Milošas verzog sein Gesicht. »Kannst du kein Litauisch mehr?« Klatsch, klatsch. Sofort kam mein Kreislauf wieder in Schwung. »Ein nettes Ding«, gab Milošas zu. »Wie viel hast du dafür geblecht?«

      »Zweitausend Greenbacks«, log ich. »Sehen Sie her, man muss bloß hier ein bisschen drücken, und sofort geht sie lautlos ab.«

      »Du lügst, du Halunke!« Einer der Polizisten holte aus. »Ohne Schalldämpfer?«

      »Nehmen Sie mir die Handschellen ab, dann zeige ich es Ihnen.«

      Milošas nickte mit dem Kopf: »Abnehmen!«

      Ich packte die Automatik, feuerte eine Schussserie an die Decke und zwang alle, an der Wand in die Knie zu gehen. Einer fiel in Ohnmacht, die anderen machten tatsächlich in ihre Uniformhosen, und ein heftiger Gestank erfüllte die ganze Wache. Wo nicht geschissen wurde, fiel der Putz brockenweise von der Decke. »Haben Sie schon genug?«, fragte ich auf dem Weg zur Tür. »Reicht’s?«

      »Ist ja schon gut«, sagte Milošas mit grünem Gesicht, als er wieder zu sich gekommen war. »Jetzt gib mich dein Spielzeug, und wir sind quitt. Ich tue dir nichts.«

      »Milošas«, sagte ich versöhnlich, »wenn ich erst auspacke, was du mit den kurdischen Flüchtlingen und den Nutten aus Weißrussland angestellt hast, wenn ich an geeigneter Stelle den Schwarzen erwähne, der in dem Teich bei der russischen Botschaft ertränkt worden ist, und wenn wir noch die geschändete Kuh von Jeremičius ausgraben …«

      »Pssst!«, rief Milošas und wurde blass. »Psst! Ich gebe dir zweihundert Mäuse, wenn du die Klappe hältst.«

      Ich ging davon aus, dass er log, aber er holte tatsächlich zwei Hunderter hervor und gab sie mir. Ich riss das Magazin heraus, schleuderte die Automatik auf den Boden und ging zur Tür.

      »Du bist offenbar nicht auf den Kopf gefallen«, räumte Milošas ehrlich erstaunt ein.

      »Ich bin ein Idiot«, gab ich zu. »Aber ich gehe. Ich weiß, dass du versuchen wirst, mich um die Ecke zu bringen, aber was soll’s, versuch’s nur.«

      Ich vergrub meine Hände tief in den Taschen meines Bauernrocks und wandte mich der bereits geöffneten Bar »Ambasada« zu. Die Botschafter von Karakalpakistan und von Grönland schlummerten bereits tief und fest, aber an die Theke gelehnt standen ein paar Säufer, die ich vom Sehen kannte, und außerdem »Lokomotive GT«, die einzige Prostituierte von ganz Žvėrynas, die einen gelben Gewerbeschein hatte. Kaum hatte ich mich auf einen der hohen Barhocker gesetzt, kam auch schon der stets lebhafte Wirt Markas Aurelijus Schwarz angetrabt. Eigentlich hieß er mit Nachname Schwanz, aber alle nannten ihn diskret Schwarz.

      »Was wünschen Sie? Das Übliche?« »Das Übliche« waren zweihundert Gramm reiner Wodka mit frisch gepresstem Gurkensaft. Überwältigende Wirkung und Durchfall inklusive.

      »Nein, mein lieber Aurelijus«, flüsterte ich, »diesmal will ich einen doppelten Bannister. ›Bannister in canister‹. Noch nie davon gehört? Das Zeug hat mein Nachbar Rikardo in der Zeit um 1976 immer bestellt. Haben Sie was davon?«

      »Leider nein«, seufzte Markas Aurelijus Schwanz. »Der Herr Rikardo ist hier zwar als raffinierter und hartnäckiger Trinker allgemein bekannt, aber von dem Whiskey, den Sie da erwähnen, ist nichts mehr da. Doch weil Sie Herrn Rikardo kennen, und, wie man so hört, auch den Bullen Milošas, gebe ich Ihnen auf Rechnung des ›Ambasada‹ einen Armagnac aus dem Jahre 1933 aus. Als Hitler an die Macht kam, hat mein Großvater, der aus Dummheit überall mit ›Schwantz‹ unterschrieben hat, diesen Schatz an einer geheimen Stelle eingebuddelt, СКАЧАТЬ