Название: Gustaf Gründgens
Автор: Thomas Blubacher
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783894877422
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Erika Mann, Klaus Mann, Pamela Wedekind und Gustaf Gründgens 1925 in Hamburg
© Theatermuseum Düsseldorf
Klaus Mann ist von dem sieben Jahre älteren charismatischen Schauspieler durchaus fasziniert: »Er glitzerte und sprühte vor Talent, der charmante, einfallsreiche, hinreißend gefallsüchtige Gustaf! Ganz Hamburg stand unter seinem Zauber. Welche Verwandlungsfähigkeit! Welche Virtuosität der Dialogführung, der Mimik, der Gebärde! […] So begabt war Gustaf, daß er auf der Bühne gertenhaft schlank aussehen konnte, obwohl er in Wirklichkeit schon als junger Mensch eher zum schwammig-weichen Fettansatz neigte. […] Gustaf war brillant, witzig, blasiert, mondän. […] Gustaf war düster und dämonisch, Gustaf war müde und dekadent. Gustaf war von überströmender Lebendigkeit; er war abwechselnd jugendlicher Liebhaber, ›père noble‹, Intrigant und Bonvivant; er war alles und nichts. Er war der Komödiant par excellence. […] Die erste Begegnung mit Gustaf bleibt mir unvergeßlich. Mit dem Elan eines neurotischen Hermes drang er in unser Hotelzimmer ein. So leichtfüßig war sein Gang, daß man nicht umhin konnte, seine etwas abgetragenen, aber doch irgendwie sehr schicken Sandalen mit mißtrauischem Blick zu streifen. Gab es dort keine Flügel? Nein; auch war es kein antikes Göttergewand, was ihm da mit edler Nachlässigkeit um die Schultern hing, sondern nur ein ziemlich schäbiger Ledermantel. Er war schön, die gerade, etwas zu fleischige Nase, die stolzen Lippen, das markante Kinn: alles war von kräftiger und reiner Bildung. Die leichte Verzerrtheit seiner Miene war wohl auf das Monokel zurückzuführen, welches er wegen starker Kurzsichtigkeit trug. Zu einer Brille mochte seine Eitelkeit sich nicht bequemen. Er litt an seiner Eitelkeit wie an einer Wunde. Es war diese fieberhafte, passionierte Gefallsucht, die seinem Wesen den Schwung, den Auftrieb gab, an der er sich aber auch buchstäblich zu verzehren schien. Wie tief muß der Inferioritätskomplex sein, der sich in einem solchen Feuerwerk von Charme kompensieren will! […] Wer sich auch nur von einem Menschen wirklich geliebt wüßte, hätte es kaum nötig, ständig zu verführen.«71
Ob sich Gründgens ausgerechnet von Erika Mann »wirklich geliebt« weiß? Hat er sich tatsächlich in die burschikose, ihm zwar intellektuell ebenbürtige, schauspielerisch aber nur mäßig begabte Erika Mann verliebt? Noch vor kurzem hatte Gründgens seiner Mutter geschrieben: »Ich bin ja wohl auch beruflich zu ausgefüllt, um unsere modernen Frauen noch an der Kandare halten zu können. Warten wir also gottergeben auf das Käthchen von Heilbronn.«72 Erika Mann ist nun freilich alles andere als ein hingebungsvolles, einzig aus seiner Emotion heraus handelndes Käthchen, das seinem »hohen Herrn« »wie ein Hund, der von seines Herrn Schweiß gekostet«73, folgt, und man kann sich leicht ein »Wesen von zarterer, frommerer und lieberer Art«74 denken als sie. Sie ist auch kein Sprößling des Kaisers wie das Käthchen, ihr Vater Thomas Mann – den man wenige Jahre später als »Kaiser aller deutschen Emigranten«75 bezeichnet – wird aber schon jetzt für den Nobelpreis gehandelt, den er 1929 tatsächlich erhält. Gründgens ist zwar kaum, wie einige seiner Biographen meinen, der Kleinbürger, den es reizt, als Schwiegersohn des großen Literaten in andere gesellschaftliche Kreise aufzusteigen, aber er erwartet sich mit der Heirat die Anerkennung seiner äußerst wohlhabenden Familie, als deren »schwarzes Schaf« der wirtschaftlich erfolglose, komplexbeladene Vater Arnold Gründgens gilt. Und die mäßig erfolgreiche Schauspielerin Erika Mann erhofft sich von einer Ehe mit dem zum Hamburger Theaterstar avancierten Gründgens einen Karriereschub. Geht es also für beide um eine »Cocktailehe«? Oder geben sie nur leichtfertig einer Laune nach? Gründgens schwärmt von der knapp sechs Jahre Jüngeren: »Unter anderem hat sie wohl die schönsten Augen, die man sich denken kann.«76 Und Erika soll ihrer Großmutter Hedwig Pringsheim gegenüber sogar von der »großen Liebe« gesprochen haben. Gründgens sei in den 20er Jahren »in fast auffälliger Weise an sanktionierten Dauerbindungen interessiert« und darauf bedacht gewesen, »möglichst schnell eine Familie zu gründen«77, wird sein Psychiater berichten, dem Gründgens anvertraut, er habe sich 1926 zwischen Pamela Wedekind und Erika Mann zu entscheiden gehabt …
»Liebe, liebe Leute, damit Ihr nun nicht ganz ohne Sensationen seid, was die Familie angeht, will ich Euch denn ein freudiges Ereignis keinen Tag vorenthalten«, schreibt er seinen Eltern im April 1926 aus Wien, wo er als Gast am Theater in der Josefstadt probiert. »Es wird ja nun bitterer Ernst. Erika Mann und ich haben uns verlobt und werden in Bälde heiraten. Erika fährt heute nach München und bespricht das nähere mit den Eltern. Hochzeiten tun wir in München, wo Ihr ja nun hinkommen müßt. Es wird wohl sehr offiziell werden, aber sicher auch hübsch.«78 Fraglos imponiert Erika die Kraft an darstellerischer Energie des Vollblutschauspielers, und zweifellos sehnt sich Gründgens, nicht zuletzt angesichts der komplizierten Beziehung zu Jan Kurzke, mit dem er weiterhin befreundet bleibt, nach einem Leben in bürgerlichen Normen. Er verbrennt vor der Heirat zahlreiche Briefe, will »ein anderer Mensch sein«79, wünscht sich eine anerkannte, geordnete Existenz. Doch kann die Verbindung zweier Künstler, die beide eher dem eigenen Geschlecht zuneigen, das leisten? »Kannst Du mir mal sagen, warum ich Idiot heirate?«80, soll Gründgens drei Tage vor der Hochzeit gegenüber seiner Schwester ausgerufen haben. Und Erika Mann hatte ihrer Freundin Pamela schon Wochen zuvor erklärt, sie fange angesichts des hochempfindlichen Gründgens und seiner Hysterie an, sich »vor dem heiligen Ehestand ein bißchen zu fürchten«81. Doch die Trauung findet statt, am Samstagvormittag, dem 24. Juli 1926, im Standesamt München I. Als Zeugen fungieren Thomas Mann, bekanntlich selbst homophil veranlagt, und der Musiker Klaus Pringsheim, der Zwillingsbruder von Thomas Manns Frau Katia, auch er homosexuell.
8. Und ik bin Neese
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