Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
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Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894877422

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СКАЧАТЬ auf diesen vergeblichen Versuch reagiert. Ohnehin war es den Eheleuten auch nicht ansatzweise gelungen, ein bürgerliches Familienleben zu etablieren, wie es zumindest dem Ideal Gründgens’ entspricht, der sich nur äußerlich unkonventionell gibt, sich aber nach einem geordneten, an kleinbürgerlichen Idealen orientierten Dasein sehnt. Ein halbes Jahr nach Erikas Rückkehr wird die Ehe am 9. Januar 1929 geschieden, dennoch werden die beiden im Jahr darauf noch einmal zusammen arbeiten. 1935 wird die inzwischen ausgebürgerte und mit ihrer Kollegin Therese Giehse liierte Erika Mann ihren Ex-Mann Gustaf Gründgens bitten, ihr die Scheidungspapiere zuzuschicken, damit sie einen weiteren Ehebund eingehen kann: Um die britische Staatsbürgerschaft zu erlangen, heiratet sie den homosexuellen englischen Lyriker W. H. Auden. Ein Jahr darauf wird sich auch Gründgens ein zweites Mal vermählen, und auch bei ihm werden die Zeitläufte einen gewichtigen Grund für diesen Entschluß spielen. Die Verbindung von Gründgens zu Klaus Mann wird bis zu dessen Emigration 1933 zwar nicht abbrechen, aber distanzierter werden; 1936 wird Mann seinen Ex-Schwager zum Vorbild für den opportunistischen Karrieristen Hendrik Höfgen in seinem Exilroman MEPHISTO nehmen.

      Gründgens, dem seine Ehefrau Schulden in beträchtlicher Höhe hinterlassen hat, löst nach Erikas Abreise die gemeinsame Wohnung auf und zieht gegen Ende 1927 in die Pension von Max Löffler in der Armgartstraße 22, direkt am Eilbekkanal im Norden des Stadtteils Hohenfelde, in der auch seine Kollegin Ellen Schwanneke logiert. Ist das Geld zu knapp, findet er vorübergehend Unterschlupf bei einem Freund: Erich Zacharias-Langhans40, ein halbes Jahr jünger als Gründgens, gelernter Buch- und Kunsthändler, hatte an den Kammerspielen statiert. Er lebt an der vornehmen Elbchaussee, aber recht bescheiden in einem Zimmer des Hauses Nr. 500, einem alten Kapitänshaus, das dem Ehepaar Krause gehört. Doch anders als Jan Kurzke stammt Zacharias-Langhans aus den »besseren Kreisen« des Hamburger Bürgertums: Sein Großvater, der vom Judentum zum Protestantismus konvertierte Kaufmann Adolph Nicolaus Zacharias, war Abgeordneter der Bürgerschaft, seine Großmutter, die Malerin und Schriftstellerin Maria Zacharias, geborene Langhans, Vorsitzende der Gesellschaft Hamburgischer Kunstfreunde. Erichs 1911 verstorbener Vater Eduard Zacharias war Professor der Botanik, Direktor des Botanischen Gartens und der Botanischen Staatsinstitute in Hamburg, sein Onkel Adolf Nicolaus Zacharias jun., Senatspräsident am Hanseatischen Oberlandesgericht, gehörte einige Jahre für die Fraktion der Rechten der Hamburgischen Bürgerschaft an. Erich Zacharias-Langhans, der, bürgerlich geprägt, keineswegs bereit ist, in der besseren Hamburger Gesellschaft seine Homosexualität nach außen zu tragen, wird einer der engsten Freunde von Gründgens und von 1934 an noch eine wesentliche Rolle in seinem Leben spielen.

      Wie eh und je stürzt sich Gründgens auch nach dem Scheitern seiner Ehe in die Arbeit. Erich Ziegel hatte bereits im Sommer 1926 die Leitung des Deutschen Schauspielhauses übernommen. Nachdem die Kammerspiele unter der Direktion von Mirjam Horwitz und Karl Goldfeld eine Spielzeit lang vom Oberspielleiter Heinz Goldberg geführt worden waren, war Gründgens 1927 zum Oberregisseur avanciert – ein Titel, das garantiert ihm sein Dienstvertrag, unter dem »kein anderer Regisseur […] verpflichtet« werden darf. Zudem hatte er vereinbart, daß niemand eine höhere Gage als er erhalten dürfe, falls doch, sei »sein Gehalt automatisch mitzuerhöhen«41. Er hatte als reaktionärer Nationalist Graf Lande in der Uraufführung von Ernst Tollers zeitkritischem Reportagestück HOPPLA, WIR LEBEN! mitgewirkt (das allerdings in Hanns Lotz’ Inszenierung wenig Beachtung gefunden hatte und erst bei Erwin Piscator in Berlin zum spektakulären Bühnenereignis wird), Stücke von Georg Kaiser und George Bernard Shaw inszeniert. Acht Tage nachdem Erika am 6. Oktober 1927 in die USA aufgebrochen war, spielt er, ebenfalls unter der Regie von Lotz, »mit der Technik moderner Schauspielkunst«42 die lang ersehnte Rolle des Dänenprinzen Hamlet, kurz darauf den Marchbanks in Shaws CANDIDA und die Titelrolle in Schnitzlers ANATOL. Er führt Regie bei Büchners DANTONS TOD sowie bei Sternheims SNOB und verkörpert jeweils die Titelrolle, verantwortet als Regisseur die Uraufführung von Georg Kaisers OKTOBERTAG (und spielt darin den Leutnant Jean Marc Marrien) und die Uraufführung von Hans Henny Jahnns Drama DER ARZT/SEIN WEIB/SEIN SOHN, die er selbst initiiert hatte. Da die Kammerspiele nicht willens sind, das finanzielle Risiko der Produktion zu tragen und das Stück in den regulären Spielplan aufzunehmen, bestreitet Jahnn die Kosten der Privataufführung aus eigenen Mitteln – und erleidet einen existenzgefährdenden Verlust.

      Auch wenn Gründgens bereits zu dieser Zeit gerne Werktreue proklamiert (»Man soll die Dichtung sprechen lassen und seine Regie darauf beschränken, alle Mitwirkenden mit dem Geist dieser Dichtung zu durchtränken – was übrigens schon schwer genug ist«43, schreibt er zum Beispiel im Freihafen), scheut er keineswegs korrigierende oder modifizierende Eingriffe in den Text, verzichtet durchaus nicht darauf, Stücke durch Striche und Umstellungen seiner Auffassung anzupassen oder sogar radikale Neufassungen zu erstellen. So bearbeitet er mit Witz und Esprit die Offenbach-Operette DIE SCHÖNE HELENA: Achill tritt als Leichtgewichtsboxer auf, der Seher Calchas als Reklamechef, Gründgens selbst gibt den Paris als Filmstar, »im rosa Crep-Georgette-Anzug, im Silberfrack und kriegerischem Phantasiekostüm als halber Nackedei«44. Die Partitur zu inszenieren, wie er es gerne formuliert, schließt nicht, um im Bild zu bleiben, veränderte Tempi und eine völlig andere Orchestrierung aus. Und wer Gründgens’ Werktreue-Begriff als ahistorisch und als museales Konservieren tradierter szenischer Lösungen begreift, wird bis zuletzt immer wieder von seinem durchaus zeitbezogenen Zugriff überrascht werden, etwa wenn 1957 in Goethes FAUST grell ein Atompilz aufblitzt, nur neun Tage nach der Göttinger Erklärung gegen die Aufrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen.

      »Prototyp dekadenter Jünglinge und Neurastheniker, hat er sich aus einer gewissen Einseitigkeit zu einem immer größeren Radius entwickelt – von Palme, dem Ewig-Gekränkten, bis gar zum Hamlet. Das Morbide, Brüchige des modernen Nervenmenschen bekam immer mehr Farbe in seiner technisch von Mal zu Mal reiferen Gestaltung«, rühmt man Gründgens in den Hamburger Nachrichten, als sich dieser Mitte Mai 1928 – natürlich in der Rolle des Hamlet – von der Hansestadt verabschiedet. Man sehe ihn nur »ungern ziehen«. Auch als Regisseur habe er »nicht bloß Sinn für parodistische Einfälle« gezeigt, vielmehr sei »Geist und Geschmackskultur«45 in seinen Inszenierungen zum Ausdruck gekommen. Vor allem von der »gegliederten Sprechkunst des nervösen, springenden Temperaments dieses Hirn- und Nervenmenschen« zeigt sich ein anderer Kritiker angetan. Der Rhythmus der Sprache habe »im Rhythmus des Körpers (in Bewegungen von stärkster Charakteristik) eine schlagkräftige Ergänzung« gehabt. »Alles Spleenige, Blasierte, Satirische, Ironische trifft dieser Skeptiker. […] Gründgens liebte nicht die farbige Breite, sondern den schneidend scharfen Strich: in all seinen Zeichnungen.«46

      Insgesamt hatte Gründgens an den Kammerspielen seit 1923 über 70 Rollen übernommen und für mehr als 30 Inszenierungen verantwortlich gezeichnet, Klassiker ebenso auf die Bühne gebracht wie neueste Dramatik uraufgeführt. Daneben hatte er eine ganze Reihe leichter Unterhaltungsstücke inszeniert, für die er mit seinem ausgeprägten Sinn für Tempo und Rhythmus, seiner hohen Musikalität und seinem ironischen Witz ein besonderes Talent hat. Gründgens hat erreicht, was man in Hamburg als junger Schauspieler und Regisseur erreichen kann, und mehr noch: Er ist in Theaterkreisen weit über die Stadt hinaus bekannt und gefragt. Immer wieder waren in den letzten Jahren Angebote etwa der Salzburger Festspiele an ihn herangetragen worden47, hatte ihn sein Berliner Agent auf Vakanzen aufmerksam gemacht, in Dresden ebenso wie in Frankfurt. Otto Mertens, der Gründgens vertritt, gilt seit langem als einer der führenden Künstleragenten und Gastspielvermittler, die renommiertesten Theater wenden sich an den ehemaligen administrativen Leiter der Komischen Oper.

      Otto Falckenberg, der Direktor der Münchener Kammerspiele, war bereits im Januar 1928 nach Hamburg gereist, um sich Gründgens anzusehen. Er hatte ihn »ausgezeichnet« gefunden, seine HELENA-Inszenierung allerdings »etwas überklamaukt«, und zeigt sich interessiert daran, den Schauspieler für das in der nächsten Saison vakante Fach des Bonvivants oder auch als Charakterliebhaber zu verpflichten, doch entsetzt angesichts seiner Forderung von 1500 Mark Monatsgage. Allenfalls ein Teilspielzeitvertrag für sechs Monate komme unter diesen Bedingungen in Frage. Da sein Agent ihm dringend zurät – München sei »ein herrliches Sprungbrett für Berlin«48, meint er – СКАЧАТЬ