Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
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Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894877422

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СКАЧАТЬ im 8 Uhr Abendblatt: »Aber es war der Geist Gustaf Gründgens’, der das Ganze beherrschte und lebendig machte, sein drängender, unerbittlicher Wille zur Sache und seine mitreißende Freude am Spiel und an der Bewegung, am Ton, am Rhythmus, an der Farbe und am Theater.«16 Die Beschäftigung mit Offenbachs Operette ist für Gründgens (der zu dieser Zeit privat am liebsten DINAH und IN A LITTLE SPANISH TOWN des amerikanischen Vokal-Quartetts The Revelers hört17) weit mehr als nur ein amüsanter Genrewechsel, denn im Musiktheater »wurden seelische Ambitionen durch taktliches Zählen geregelt; hier wurde individualistischer Charme im Dreivierteltakt gebändigt; Schmerz genau eine halbe Note ausgehalten. Es war für mich eine unbedingte Folge, daß diese erforderliche musikalische Präzision auch in den Körper der Darsteller und den Stil der ganzen Aufführung zu gehen hatte. Und wer von meinen Kollegen gehofft hatte, sich gründlich austoben und ausextemporieren zu können, sah sich bitter getäuscht«, erläutert Gründgens seinen Inszenierungsansatz im Freihafen. »Es galt, einen Stil zu finden, der bei aller Buntheit und Üppigkeit doch die Darsteller in eine bestimmte sichtbar werdende Form zwang.«18 Er benennt damit die bis zuletzt gültigen Schlüsselbegriffe seiner künstlerischen Existenz: Präzision und Formbewußtsein.

      Gründgens spielt »mit bizarrem Humor, dem tiefe Tragik beigemischt«19 ist, den schwindsüchtigen Alex in Hans José Rehfischs RAZZIA und kreiert »mit ergreifender Innbrunst«20 die Titelrolle in der Uraufführung von Erich Ebermayers KASPAR HAUSER, die für den Schauspieler weit erfolgreicher ist als für den Autor: Gründgens’ »meisterhaftes Spiel« habe »umso mehr die Armseligkeit der Worte«21 aufgedeckt, meint etwa das Hamburger Echo. Bemüht, »die Realität des Traumes zu treffen, jene mystische Selbstverständlichkeit, mit der wir unsere Träume erleben«22, inszeniert er Strindbergs TRAUMSPIEL. Viel Zeit für das Eheleben bleibt also nicht. Selbst Katia Manns Mutter Hedwig Pringsheim bemerkt, es sei »eine so komische moderne Ehe, daß sich schon geradezu der Heilige Geist bemühen müßte, um mir Urgroßmutterfreuden zu verschaffen […].«23 Die Wohnung, die die Eheleute von der Witwe des Landesgerichtsdirektors Julius Peine in der gutbürgerlichen Oberstraße 125 (im Stadtteil Harvestehude, zwischen Rothenbaumchaussee und Mittelweg gelegen) gemietet haben, hatten sie, ohne Schulden zu machen, einrichten können: Erikas Eltern hatten alle notwendigen Anschaffungen und zudem das Haushaltsgeld für die erste Zeit spendiert. Doch obwohl Gründgens inzwischen nicht schlecht verdient – sein am 31. Dezember 1925 unterzeichneter Dienstvertrag für die Saison 1926/27 garantiert ihm 1000 Mark monatlich und das Recht auf einen bis zu zwei Monate dauernden unbezahlten Gastierurlaub24 – ist das Geld ständig knapp. »Wir wohnten parterre und hatten sehr viele Schulden, und wenn es klingelte, dann krochen wir unter den Tisch, weil nämlich die Leute von draußen durchgucken konnten«25, wird sich die Schauspielerin Ruth Hellberg, die zeitweise dort logiert, erinnern. Erika ist weder bereit, den gewohnten großbürgerlichen Umgang mit Geld einzuschränken, noch, sich in eine Hausfrau zu verwandeln – auch nicht, als das Dienstmädchen, das man sich anfangs leistet, schwanger wird und den Dienst quittiert.

      Dafür haust neben den drei Katzen Anja, Esther und Peeperkorn26 und der Hündin Bella ab Oktober 1926 auch Klaus Mann vorübergehend in der ehelichen Wohnung. Er stellt dort sein neues Theaterstück fertig, die REVUE ZU VIEREN, gezielt verfaßt als Tourneestück für das bewährte Quartett, aus dem inzwischen zwei Paare geworden sind: die Eheleute Gründgens sowie die noch immer verlobten Pamela Wedekind und Klaus Mann – der bayerische Justizminister weigert sich, Klaus Mann vorzeitig die für eine Heirat notwendige Mündigkeit zu attestieren. Nach den Skandalen um ANJA UND ESTHER ist das Interesse an dem Folgeprojekt groß, Klaus Mann erhofft sich den endgültigen Durchbruch. Doch der Stoff ist zu dünn, der Vertrieb des fertigen Stückes erweist sich als schwierig, schließlich arrangiert man in monatelanger Vorarbeit eine Tournee. Ein weiteres Dichterkind, Carl Sternheims dem Rauschgift verfallene Tochter Thea, »Mopsa« genannt, entwirft die Ausstattung, Klaus Pringsheim komponiert die Bühnenmusik. Das Stück erzählt die Geschichte von vier exzentrischen Jugendlichen, der Hutmacherin Renate, der Schauspielerin Ursula Pia, dem Regisseur Allan und dem Dichter Michael, die eine »kolossale Revue« aufführen wollen, eine »gewaltige Darbietung«. Sie soll »unsere neue, strahlende Körperhaftigkeit darstellen, wie unsere geistigen Kompliziertheiten« und »halb den Charakter einer russisch-proletarischen Festlichkeit, einer kollektivistischen Massenfreude« tragen, »halb als amerikanisches Music-Hall-Stück durch blendende Smartheit und Exaktheit«27 faszinieren. Während der Uraufführung dieser Revue sorgt die eifersüchtige Ursula Pia, Allans Verlobte, dafür, daß Michaels Freundin Renate in ihrer Glanzszene eine Treppe hinunterstürzt, was den Mißerfolg der Revue besiegelt. Renates pathetischer Aufruf an die Jugend der ganzen Welt geht im Tumult unter, die vier fliehen in ein Vorstadthotel – und tauschen dort die Partner. Gründgens, der Klaus Manns Stück schrecklich findet, läßt sich von Erika zur Mitwirkung überreden – sie soll mit Trennung gedroht haben, falls er »den Spielverderber«28 mache. Er übernimmt also die Rolle des Allan und die Regie, die er allerdings zeitweilig an Pamela Wedekind abgibt. Zu den weiteren Darstellern des kleinen Ensembles gehört als Tänzer Jupp der 23jährige Martin Kosleck, in den sich Klaus Mann »unendlich verliebt«29 hat und der seine Homosexualität so offensiv auslebt, daß man in Berlin (in Anlehnung an den berühmten Namensvetter Julius Kosleck30) vom »Kosleckschen Bläserchor« spricht.31 Und in dem kleinen Part eines Photographen steht der ebenso schwule Hans Deppe auf der Bühne, nach dem Zweiten Weltkrieg mit Streifen wie GRÜN IST DIE HEIDE und SCHWARZWALDMÄDEL der erfolgreichste deutsche Heimatfilmregisseur.

      Die Premiere der REVUE ZU VIEREN findet am 21. April 1927 am Alten Theater in Leipzig statt, danach gastiert man an den Hamburger Kammerspielen. »Das Stück und sein Verfasser sind eine Angelegenheit für den Psychopathen, nicht fürs Theater«, heißt es in der Hamburger Zeitung, die Klaus Mann und seine Schwester als »darstellerisch unfertig, aber wenigstens voll gläubiger Hingabe« immerhin verhalten, seine Verlobte sogar als »rassig und mit intellektueller Schärfe« und seinen Schwager Gründgens als »gewandt und routiniert«32 lobt. Die Hamburger Nachrichten meinen: »Über das letzte kleine Malheurchen in der Kinderstube des Hauses Thomas Mann möchte man am liebsten so wenig Worte als möglich machen. […] Das Stück bezeichnet ungefähr den Übergang vom Wedekindlichen zum Wedekindischen. Poetische Primanerreife nicht einmal erreicht! […] Raus aus der Literatur!«33 Dem mit der ganzen Unternehmung zutiefst unzufriedenen Gründgens, der schon auf der Tournee durch die Provinz nicht mit von der Partie gewesen ist, reißt endgültig der Geduldsfaden. Nur noch das Gastspiel in den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin wartet er ab, kalkulierend, daß ihm durch die Mann-Kinder der Sprung nach Berlin gelingen könnte.34 Zwar lobt Monty Jacobs »den einzigen Schauspieler des Abends, trotzdem oder weil er nicht der Sohn, sondern nur der Schwiegersohn des Berühmten ist«35, doch muß Gründgens auch das vernichtende Urteil Herbert Iherings ernten, er sei »ein grober, undifferenzierter Schauspieler«36. Überhaupt: Das Unternehmen ist ein Fiasko in jeder Hinsicht. Ähnlich der Handlung im Stück zerbrechen die Beziehungen auch im wahren Leben. Gründgens läßt sich für die restliche Tournee, die nach München und Wien, Prag, Budapest und Kopenhagen führt, endgültig – durch den Schauspieler Rudolf Amendt, von seinem Freund Klaus Mann »Buschi« genannt – umbesetzen, was Erika ihrem Ehemann übelnimmt. Und auch Pamela Wedekind löst die wohl ohnehin nur einer Laune entsprungene Verlobung mit Klaus, entzieht sich zugleich dem offensiven Werben Erikas und verlobt sich im Dezember 1927 mit dem 28 Jahre älteren Dramatiker Carl Sternheim. »Dorothea (Mopsa) Sternheim wird nun also zu ihrer Freundin Pamela ›Mama‹ sagen«37, kommentiert das Berliner 8 Uhr Abendblatt

      Nicht allein aufgrund des Mißerfolgs der REVUE ZU VIEREN entfremden sich die vier. Obwohl Gründgens seiner Mutter scheinbar beiläufig mitteilt: »Erika, die bestens grüßen läßt, fährt am 6. Oktober mit Klaus nach Amerika und ik bin Neese«38, ist er enttäuscht, daß sie seinen Hamlet verpassen wird, der ihm viel bedeutet. Vor allem aber reagiert er mit Unverständnis darauf, daß seine Ehefrau nicht vertragsgemäß an den Kammerspielen auf-, sondern lieber eine neunmonatige Weltreise antritt, so etwas widerspricht seinem hohen Arbeitsethos, das Erika wiederum zutiefst fremd СКАЧАТЬ