Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gustaf Gründgens - Thomas Blubacher страница 17

Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783894877422

isbn:

СКАЧАТЬ unter der Regie des Intendanten Eugen Poell eine Nebenrolle spielt, immerhin einen Achtungserfolg. Am 15. Dezember werden vier der fünf Szenen aus Rolf Lauckners expressionistischem Einakter-Zyklus SCHREI AUS DER STRAßE uraufgeführt und finden durchaus Beifall: Das Werk, das, so das Prager Tagblatt, »ergreift, interessiert, verblüfft, nachdenklich macht«43, sei »mit sorgfältiger Arbeit an einem noch jungen Schauspieler-Bestand herausgebracht« und mit »spürbarem Ernst gespielt«44 worden, heißt es etwa in der Zeitschrift Die schöne Literatur (die unter Will Vespers Leitung und dem Titel Die Neue Literatur zur führenden NS-Literaturzeitschrift werden wird). Gründgens spielt in Lauckners Zyklus drei Hauptrollen: in der VORSTADTLEGENDE den Blinden Sascha, der mit zwei ebenfalls blinden Freunden in der Neujahrsnacht unter Alkoholeinfluß eine Dirne ersticht, in PESTALOZZI den satanischen Oberkellner, der einen alten Lehrer überredet, einen Schieber zu bestehlen, und den Nuditätenhändler im STERBENDEN STUDENTEN.45 Als preußischer Kronprinz Friedrich in Hermann Burtes häufig aufgeführtem (in Preußen jedoch bis 1918 nicht zugelassenem) KATTE, der am 31. Januar 1923 mit Clemens Schubert in der Titelrolle Premiere hat, erregt Gründgens erstmals die Aufmerksamkeit des Berliner Kritikerpapstes Alfred Kerr, der vermutlich wegen der Besetzung des Königs Friedrich Wilhelm mit dem prominenten Schauspieler Hermann Vallentin die Aufführung besucht. Im Rahmen eines »Österreichischen Einakterabends« spielt Gründgens in Jakob Wassermanns GENTZ UND FANNY EßLER den Grafen Reitzenstein und in Peter Nansens Lustspiel EINE GLÜCKLICHE EHE den Ministerial-Rat Dr. jur. Friedrich Jermer, der ein Verhältnis mit Nancy, der Ehefrau seines Jugendfreundes Christian Mogensen beginnt. Die Premiere von Martin Langens jambischem Trauerspiel JULIUS CÄSAR UND SEINE MÖRDER, dessen Dreh die Behauptung ist, Brutus sei Cäsars leiblicher Sohn, ist kurzfristig gefährdet, als der für den Marcus Antonius vorgesehene Raul Lange mitten in den Proben ans Deutsche Theater abwandert, vergeblich bemüht Direktor Poell das Bühnenschiedsgericht46, findet dann aber Ersatz in dem Schauspieler Otto Braml. Neben Friedrich Lobe als Cäsar übernimmt Gründgens den Octavius und steht erstmals gemeinsam mit dem 20jährigen Werner Hinz als Catulus auf der Bühne, der dreieinhalb Jahrzehnte später in Hamburg alternierend mit Will Quadflieg die Titelrolle in Gründgens’ berühmter FAUST-Inszenierung spielen wird. In insgesamt zwölf Stücken wirkt Gründgens am Theater an der Kommandantenstraße mit, unter anderem wiederholt er die bereits in Kiel gespielten Rollen des Oswald in Ibsens GESPENSTERN und des Herzogs in Goethes TASSO.

      Das ganze Unternehmen verläuft jedoch ohne Fortune. Wegen der Kohlennot in Zeiten der Inflation kann der Zuschauerraum nicht beheizt werden, die Besucher und damit die Einnahmen bleiben aus. Schließlich muß der Versuch, eine literarische Bühne zu etablieren, als gescheitert betrachtet werden. Berlin bleibt für Clemens Schubert wie für Gründgens zunächst nur ein wenig erfolgreiches Zwischenspiel – allerdings eines mit Folgen: Erich Ziegel, der Intendant der renommierten Hamburger Kammerspiele, einem der wenigen Theater, die in den 20er Jahren ein künstlerisches Gegengewicht zu den Bühnen der Hauptstadt bilden, hat Schubert und Gründgens in Berlin gesehen und beide engagiert, Schubert als Regisseur, Gründgens »für das Kunstfach I. jugendlicher Charakterspieler & jugendliche Bonvivants und verwandte Rollen«47, so der am 19. April unterzeichnete Vertrag. Erneut wechseln die Freunde also gemeinsam Engagement und Stadt.

      Doch bevor Gründgens sein Engagement in der Hansestadt antritt, beginnt die Sommerspielzeit am Städtischen Kurtheater Eckernförde, an dem Gründgens nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Spielleiter verpflichtet ist. »Ein im Aufblühen begriffener Kurort«48, so bezeichnet das DEUTSCHE BÜHNENJAHRBUCH unter der Rubrik »Bemerkenswertes« das etwas mehr als 7000 Einwohner zählende älteste Bad der Nordmark. Gründgens mietet ein Zimmer im Stadtzentrum in der Kieler Straße 32, die parallel zum kaum 150 Meter entfernten Strand verläuft. Noch näher, im Haus Nr. 54, befindet sich das Städtische Kurtheater, auch Badetheater genannt, wie schon im Sommer zuvor geleitet vom Schauspieler und Regisseur Karl Friedrich Lassen, mit dem Gründgens in Kiel oft auf der Bühne gestanden und unter dessen Regie er Don Contreras in Pius Alexander Wolffs PRECIOSA gespielt hatte. Das Kurtheater zeigt zur Unterhaltung der Badegäste wöchentlich wechselnde Stücke, die Aufführungen finden im etwa 500 Zuschauer fassenden kombinierten Kino-, Theater- und Festsaal des seit 1723 existierenden Hotels Stadt Hamburg statt. Wenn in Eckernförde nicht gespielt wird, gastiert man in der Wirtschaft des Gastwirts Marten in Klein-Waabs, im Angler Hof in Süderbrarup, im Schauspielhaus Kappeln sowie in den Stadttheatern von Rendsburg und Schleswig. An einer veritablen Schmiere also und nicht erst an den renommierten Kammerspielen in Hamburg gibt Gründgens, werbewirksam annonciert als »Charakterdarsteller […] aus Berlin, der im kommenden Herbst zu den durch die hochstrebenden Ziele ihres Direktors Erich Ziegler [sic] bekannt gewordenen Hamburger Kammerspielen übertritt«49, sein Regiedebüt. Er trifft am 21. Juni in Eckernförde ein, tags darauf beginnen die Proben, und schon drei Tage später eröffnet die Saison mit Hebbels bürgerlichem Trauerspiel MARIA MAGDALENA; Gründgens spielt, »seiner Wirkung […] sicher«50, den skrupellosen Leonhard. Wiederum drei Tage später hat EINE GLÜCKLICHE EHE des Dänen Peter Nansen Premiere, jenes Lustspiel über ein Dreiecksverhältnis, in dem Gründgens bereits in Berlin aufgetreten war. »Die ›glückliche‹ Ehe […] wird kaum nach dem Geschmack unserer Theaterbesucher gewesen sein. In der Kleinstadt hat man andere Ansichten in dieser Beziehung«, moralisiert die Eckernförder Zeitung, lobt aber dann doch: »Ganz glänzend war wieder die Aufführung an sich, es war direkt ein künstlerischer Genuß, dem Spiel von Fräulein Braune (als Nancy) und Herrn Gründgens (als Dr. Jermer) zu folgen. […] Daß die Aufführung, die unter der Regie von Herrn Gründgens stand, mit Liebe vorbereitet war, verriet auch die Sorgfalt, die auf die Ausschmückung der Bühne und auf die Kostüme gelegt worden war.«51 In Schnitzlers LIEBELEI hat der innert kürzester Zeit zum Publikumsliebling avancierte Gründgens nur eine winzige Rolle: »Die drei Worte, die Herr Gründgens als ›Ein Herr‹ zu sprechen hatte, waren ihm genug, wieder eine Probe temperamentvollen Spieles zu geben. Allein schon die Art, wie er dem Räuber seiner Ehre die Liebesbriefe vor die Füße warf, war großartig.«52 In CHARLEYS TANTE, der später mehrfach verfilmten und noch heute vielgespielten Farce von Brandon Thomas, übernimmt Gründgens die zentrale Rolle des Lord Babberly, der sich von seinen Freunden Charley und Jack dazu überreden läßt, für eine geplante Verabredung mit ihren Freundinnen verkleidet als Charleys Tante aus Brasilien die Anstandsdame zu spielen. »Herr Gründgens war in der Hauptrolle ganz großartig, trug zwar hier und da etwas derb auf, erreichte aber immer eine köstlich-komische Wirkung. Seinem lebendigen Spiel galt der größte Teil des starken Beifalls.«53 In Roberto Braccos Konversationsstück UNTREU gibt Gründgens den Liebhaber Riccardi (»Die im Bühnenraum besonders aufdringliche Wärme belästigte die Künstler ganz außerordentlich, insbesondere Herrn Gründgens, der als Liebhaber noch sein innerliches Feuer spielen lassen mußte«54, berichtet die Eckernförder Zeitung), in Franz und Paul von Schönthans Schwank DER RAUB DER SABINERINNEN den Schauspieler Sterneck, in Ibsens GESPENSTERN abermals den Oswald, diesmal in einer Inszenierung Karl Friedrich Lassens. Gelegentlich wird jedoch auch Kritik an seiner Darstellung laut: So beeinträchtige »die überstürzte und dadurch undeutliche Aussprache« von Gründgens seine »sonst ganz vorzüglich wiedergegebene Rolle des Hans Karl Erichsen«55 in Curt Goetz’ Dreiakter DER LAMPENSCHIRM. Aufschlußreich ist aus heutiger Sicht insbesondere die Einschätzung Gründgens’ anläßlich eines »Künstler-Konzerts«56 im Hotel Seegarten, bei dem er als Rezitator auftritt: Er sei »ein interessanter junger Künstler, der freilich in seinem Hang zu expressionistischen Formen leicht aus Stil in Manier verfällt. So wirkten die feinen Dichtungen Franz Werfels unehrlich, als ob Werfel nichts als sein Spiegelmensch wäre. Gründgens’ parodierender Art liegt das Komische und Groteske, so traf er den leichten, eleganten, harmlos-frivolen Ton Heines und schuf hier etwas Originelles.«57

      Seinen letzten Auftritt in Eckernförde hat Gründgens am 16. August 1923 in Max Mohrs im Jahr zuvor höchst erfolgreich uraufgeführtem Bühnenerstling IMPROVISATIONEN IM JUNI. Als neunte Rolle in nicht einmal acht Wochen spielt Gründgens den berühmten Improvisator Adam Zappe, von dessen Kunst man sich die Heilung eines schwermütigen jungen Mannes erhofft – eine Rolle, in der er alle schauspielerischen Register ziehen kann: »Der Stil, der Stil, meine Herren! Soll ich katholisch oder diabolisch anheben, СКАЧАТЬ