Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
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Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894877422

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СКАЧАТЬ des Standesamts am Petersplatz vor, gefolgt von einem Taxi mit den weiteren Familienangehörigen, darunter Erikas Geschwister Klaus, Monika und Golo. Von der Seite des am Vorabend aus Hamburg eingetroffenen Bräutigams ist lediglich Emmi Gründgens erschienen; Marita und der Vater sind durch einen Autounfall kurzfristig verhindert. Schnell ist die amtliche Zeremonie absolviert und die Ehe unter der Nummer 969/26 beurkundet. Nur Erika erschrickt, als »der Herr auf dem Standesamt« der eben »noch ganz freundlich ›Fräulein Mann‹ zu mir sagte, als er uns ermahnte, doch lieber richtig herum den Tatort zu betreten – G.G. links und ich rechts (wir hatten es natürlich falsch gemacht!), und dann plötzlich herrschte er mich an ›jetzt unterschreiben Sie, Frau Gründgens!‹ Ein großer Schreck war es schon!«1 Per Auto geht es weiter nach Feldafing. Im traditionsreichen Hotel Kaiserin Elisabeth ißt man »gute, aber teure Forellen«2 zu Mittag, mit Blick auf den Starnberger See und das Panorama der Alpen, wo an diesem Tag, was die Hochzeitsgesellschaft freilich nicht ahnt, auf dem Obersalzberg Joseph Goebbels ergriffen lauscht, wie »der Chef« Adolf Hitler »über Rassenfragen« doziert, und abends im Garten des Marineheims beobachtet: »Droben am Himmel formt sich eine weiße Wolke zum Hakenkreuz. Ein flimmerndes Licht steht am Himmel, das kein Stern sein kann. Ein Zeichen des Schicksals?«3 Von ganz anderen flimmernden Lichtern hören zur gleichen Zeit die Gäste, die sich zum Abendessen in Thomas Manns Münchner Villa in der Poschingerstraße versammelt haben: Thomas Mann vergleicht in einer »fein-rührenden«4 Festrede seinen frischgebackenen Schwiegersohn bewundernd, zugleich aber auch ironisch-distanziert mit einem Glühwürmchen, das, am Tage unscheinbar, erst am Abend leuchte. Gründgens, stolz, daß ihm der berühmte Mann nach dem Mittagessen das keineswegs selbstverständliche »du« angeboten hat, begreift das sein Leben lang nicht im geringsten als Herabsetzung. Zur alles andere als feierlich-steifen Hochzeitsgesellschaft – bis in den späten Abend hinein tanzt man animiert zu Tango-Musik, und der Trauzeuge Klaus Pringsheim flirtet ungeniert mit dem Bräutigam – gehören die Schauspielerin Tilly Wedekind, die Mutter Pamelas, die nicht dabei sein kann (oder will), der Schriftsteller Bruno Frank, der Literaturkritiker Wilhelm Emanuel Süskind (dessen Sohn Patrick 1985 den Bestseller DAS PARFÜM veröffentlicht) und Ricki Hallgarten, ein enger Freund von Erika und Klaus.5 Die Brauteltern schenken zur Hochzeit unter anderem »einen Apparat, wo man Toilettenpapier abzieht und der spielt: ÜB IMMER TREU UND REDLICHKEIT«6.

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      Gustaf Gründgens und Erika Mann

      © Monacensia. Literaturarchiv und Bibliothek München

      Die 14tägige Hochzeitsreise führt das Ehepaar Gründgens am nächsten Morgen nach Friedrichshafen ins mondäne Kurgartenhotel, 1910 als Renommierprojekt der Luftschiffbau Zeppelin GmbH errichtet. »Nun sitzen wir beiden Glücklichen hier am Bodensee in einem traumhaft schönen Hotel mit Zimmer direkt aufs Wasser. Und werden sehr verwöhnt und haben uns sehr lieb«, berichtet Gründgens seinen Eltern – und bittet sie wie schon so oft um Geld, diesmal um 150 Mark: »Es wäre auch bestimmt das allerletzte, was ich noch von Euch brauchte.«7 Erika Gründgens hingegen teilt Pamela Wedekind mit, daß »groß und klein« im Hotel die jungen Eheleute »frivol« behandeln zu müssen meine, »da niemand und der Klügste nicht, den Ehestand uns glauben kann«. Ohnehin vermisse sie ihre Freundin, die sie »eben doch über die Maßen liebe«8 – und mit der sie noch einen Monat zuvor im selben Hotel abgestiegen war, in der Kurliste aufgeführt als die Schauspielerin Erika Mann und Herr Wedekind aus München. So bleiben die Flitterwöchner nur die erste Woche alleine, dann treffen die von Erika sehnlichst erwartete Pamela und Klaus Mann, der sein Kommen schon länger angekündigt hatte, in Friedrichshafen ein. Ergänzt wird dieses seltsame Quartett (das zwischenzeitlich auch noch von Klaus’ und Erikas jüngerem Bruder Golo besucht wird) durch Hermann Kleinhuber9, den die vier zufällig kennenlernen, als der Amateur-Leichtathlet einige Runden auf dem Sportplatz des VfB Friedrichshafen zieht, und ins Kurgartenhotel einladen – und dem sie bei der Abreise Hans Carossas RUMÄNISCHES TAGEBUCH schenken, »zur Erinnerung an Gustaf Gründgens, Erika Mann, Klaus Mann«10, so die Widmung vom 10. August 1926. Gründgens findet an dem gutaussehenden, mit seinem dunklen Haar fast südländisch wirkenden, bisexuellen jungen Mann Gefallen und freundet sich mit Kleinhuber an: Die beiden treffen sich 1928 in München, fahren nach Innsbruck und von dort im Paddelboot über Kufstein nach Rosenheim, verbringen 1930 gemeinsam Ferien am Lago Maggiore und sehen sich in den 30er Jahren regelmäßig in Berlin, als Kleinhuber dort an der Handelshochschule studiert.

      Gleich nach dieser etwas merkwürdigen Hochzeitsreise eilt Gründgens, welcher längst als »einer der interessantesten Schauspieler Hamburgs« gilt, »der zweifellos noch eine große Zukunft hat«11, zurück an die Kammerspiele, wo am 1. September seine Inszenierung von Frank Wedekinds FRÜHLINGS ERWACHEN Premiere hat; er selbst gibt darin den Moritz Stiefel, Victor de Kowa den Melchior Gabor, Ruth Hellberg die Wendla. Dreieinhalb Wochen später steht Gründgens als Weißgardist Sawin in Alfons Paquets STURMFLUT auf der Bühne, inszeniert von Erwin Piscator. Diese Zusammenarbeit zwischen dem Avantgardisten des politisch-dokumentarischen Theaters und Gründgens wird indes ebenso einmalig wie folgenlos bleiben. Piscator hatte das Stück über die Revolution in St. Petersburg im Februar an der technisch wesentlich besser ausgestatteten Berliner Volksbühne uraufgeführt, mit Filmprojektionen als integralem Bestandteil der Inszenierung. Nun werden die Kammerspiele durch die Kosten, die der von Piscator verlangte Einbau eines Projektionsapparates verursacht, wieder einmal an den Rand des finanziellen Zusammenbruchs getrieben.

      »Daß wir links waren, das war ja klar, das waren wir alle«12, wird sich Ruth Hellberg erinnern, andere Zeitzeugen werden Gründgens indessen als apolitisch charakterisieren, Klaus Mann ihn hingegen in seinem Roman MEPHISTO als Salonkommunisten porträtieren. Paquets Paraphrase über die Russische Revolution ist nur eines aus einer ganzen Reihe von Werken, deren Ankündigung durch Gründgens im Juli für Aufsehen in Hamburg gesorgt hatte: »Gustaf Gründgens, der Spielleiter der Hamburger Kammerspiele, wird im Winter unter dem Titel REVOLUTIONÄRES THEATER eine Reihe von Vorstellungen an Sonntagvormittagen in den Hamburger Kammerspielen veranstalten, an denen neben ersten Darstellern sämtlicher Hamburger Theater auch Mitglieder der Arbeiter- und Jugendverbände mitwirken werden. Es werden nur solche Dichter aller Nationen zu Wort kommen, deren Schaffen – im strengen Gegensatz zu der tendenzlosen Gleichgültigkeit des bürgerlichen Theaters – den Forderungen unserer Zeit entspricht, die zu dem heutigen Unterhaltungstheater keine Beziehung mehr hat. Die erste Vorstellung wird am 19. September Tollers MASSE MENSCH sein. Die Reihe der Aufführungen wird u.a. mit Werken von Paquet, Rolland, einer modernen Bühnenbearbeitung des Büchnerschen DANTON und einer politischen Revue fortgesetzt.«13 Außer dem Stück Paquets kommt jedoch keine weitere Aufführung zustande, DANTONS TOD wird auf die kommende Spielzeit verschoben.

      Gründgens führt statt dessen Regie bei Oscar Wildes Komödie BUNBURY mit sich selbst in der Rolle des Algernon Moncrieff, der als Ausrede für ausgedehnte Aufenthalte auf dem Land einen Freund namens Bunbury erfindet, und bei George Bernard Shaws Komödie ANDROCLUS UND DER LÖWE mit seiner Frau Erika als Lavinia. Als nicht sie, sondern Ruth Hellberg die erhoffte Titelrolle in Schillers Bearbeitung von Carlo Gozzis TURANDOT erhält, lehnt Erika Mann die ihr zugedachte Nebenrolle leichtfertig ab und entschwindet in den Skiurlaub. Gründgens, dessen hohem Berufsethos solche Kapricen zutiefst zuwider sind, bleibt selbstredend in Hamburg und spielt unter der Gastregie Renato Mordos den Prinzen Kalaf, »jeder Satz eine schwärmerische Arabeske«14. Die Ehe zwischen Gründgens und Erika Mann beginnt zu kriseln. Kurz darauf macht Gründgens die Jacques-Offenbach-Operette ORPHEUS IN DER UNTERWELT zu einem enormen Publikumserfolg, der das Theater zumindest kurzfristig saniert. Die musikalische Leitung obliegt Karl Salomon (der in der Emigration als Karel Salmon am Aufbau des Musiklebens Palästinas mitwirkt), sämtliche Rollen sind mit Schauspielern besetzt: Erika Mann reüssiert als Polyhymnia, die Muse der Musik, die in Gründgens’ Bearbeitung die »öffentliche Meinung« des Originals ersetzt, Paul Kemp gibt den Orpheus, seine Gattin Eurydike ist Grete Walter, die Tochter des berühmten Dirigenten Bruno Walter – 1939 wird sie von ihrem Ehemann, dem Filmproduzenten Robert Neppach, erschossen. СКАЧАТЬ