Gustaf Gründgens. Thomas Blubacher
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Название: Gustaf Gründgens

Автор: Thomas Blubacher

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783894877422

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СКАЧАТЬ Mai 1925 in Hamburg

      © Theatermuseum Düsseldorf

      Gustaf Gründgens hatte sich sofort in den gut fünf Jahre jüngeren Jan Kurzke verliebt, so sehr, daß der besessene Schauspieler noch Jahrzehnte später erklärt, »er wäre Logenschließer in Hamburg geworden oder geblieben, wenn er deshalb nur hätte bei Jan bleiben können«43. Vergeblich versucht der sich betont unbürgerlich gebende Kurzke, als überzeugter Marxist Mitglied der KPD, seinen Lebensunterhalt als Kunstmaler zu bestreiten. 1925 stellt er seine Bilder erstmals öffentlich aus, doch nur gelegentlich erhält er »einen Porträtauftrag, der in Hut und Wintermantel bezahlt«44 wird. So teilt er mit Gründgens, der seine Mutter inständig bittet, doch in ihrem Bekanntenkreis Bilder von Jan feilzubieten, dessen Bohemeleben – das Bett allerdings zum Kummer seines Freundes gelegentlich auch mit der einen oder anderen Dame.

      Selbst mit Gründgens’ Schwester Marita hatte Jan geflirtet, als die beiden Freunde im Juni 1924 bei Gründgens’ Eltern am Kaiser-Wilhelm-Ring logiert hatten: Gründgens hatte an der Düsseldorfer Freilichtbühne als Droll (also als Puck) in Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM gastiert, alternierend mit Frida Hummel, der Frau des Bühnenbildners Eduard Sturm. Den Zettel hatte der junge Rudolf Platte gegeben, den Flaut der spätere Burgtheater-Direktor Paul Hoffmann. Zudem hatte Gründgens – zum zweiten Mal in seinem Leben – Regie geführt, nämlich bei Theodor Körners 1812 entstandenem Trauerspiel ZRINY, einem »Schinken mit endlosen rhetorischen Jambentiraden«45, so die Düsseldorfer Nachrichten, der den ungarischen Heldenkampf gegen die türkischen Eroberer behandelt. Während Gründgens probiert hatte, waren sich Jan und Marita näher gekommen. »Dann artete das ein bißchen aus – ein Küßchen hier, ein Küßchen da – und eines Tages wollte Gustaf mit Jan in die Stadt gehen, und der sagte, er bliebe zu Hause. Daraufhin brauste Gustaf ab, nach einer Weile kam er zurückgesaust, riß die Tür auf und schmiß ein Buch mitten ins Zimmer und ab«46, wird sich Marita erinnern. Ihr Bruder hatte ihr HERZBLÄTTCHENS ZEITVERTREIB. UNTERHALTUNGEN FÜR KLEINE KNABEN UND MÄDCHEN ZUR HERZENSBILDUNG UND ENTWICKLUNG DER BEGRIFFE47 vor die Füße geworfen …

      Streit, Trennung, Wiederfinden und Versöhnung wechseln sich ab. Mal stürzt sich Gründgens in einem allenfalls halb ernst gemeinten Suizidversuch die Treppe im Besenbinderhof hinunter, mal berichtet er den Eltern, die ihn noch immer mit einem monatlichen Zuschuß unterstützen und nicht zuletzt deshalb Rechenschaft über seinen Lebenswandel verlangen: »Ich habe mich mit Jan versöhnt und bin endlich wieder im Gleichgewicht. Er ist nun einmal mein alter ego, mit dem ich in Harmonie leben muß, um schaffen zu können. Dieser Zwist war sogar insofern gut, als er sowohl wie ich und alle die Überzeugung gewinnen müssen, daß pekuniäre Momente in unsrer Freundschaft (wie auch Vater in seinem Brief einmal andeutete) nicht die geringste Rolle spielten. Er hat sich und mir bewiesen, daß er auch ohne mich ›leben‹ kann (ich meine ›essen‹ kann). Da es mir unmöglich ist, sein ›Leben‹ mitzuleben, muß er, was leichter ist, mein ›Leben‹ mitleben. Das ist alles. Und wenn ich auch ›schlechter‹ lebe und mich sehr – zu sehr – einschränken muß: Besser in einer Hütte mit ihm, als in einem Schloß ohne ihn. Das ist nicht Hörigkeit, sondern tiefinnerstes Zugehörigkeitsgefühl. […] Und wenn Vater damals schrieb, daß im Grunde er es wäre, der für den Luxus, Jan zu haben, bluten müsse, kann ich nur sagen: Jan ist für mich nötiger wie das tägliche Butterbrot.«48 So verbringt er mit Kurzke den Sommer 1925 auf Hiddensee, wo er sich »nach dieser teuflischen Saison […] an See, Luft, Sonne und Jan von allem Häßlichen des Winters«49 erholt.

      Für die neue Spielzeit 1925/26 hatte Gründgens erstmals einen – mit monatlich 650 statt 320 Mark wesentlich besser dotierten – Dienstvertrag als Schauspieler und Regisseur erhalten und sich den Passus erkämpft: »Falls HAMLET zur Aufführung kommen sollte, hat Herr G. das Recht, den Hamlet in der Premiere zu spielen.«50 Zu Beginn der Saison inszeniert er im 816 Zuschauer fassenden Komödienhaus, dem ehemaligen »Hammonia-Varieté« gleich hinter den Kammerspielen an der Norderstraße, wo Ziegel seit 1920 vor allem Lustspiele und Possen zeigt, Carl Laufs’ Schwank PENSION SCHÖLLER und spielt selbst den Eugen Rümpel, dann am Besenbinderhof erstmals den skrupellosen Christian Maske in Carl Sternheims SNOB und kurz darauf den Angelo in Shakespeares MAß FÜR MAß: »der letzte Sprößling eines überzüchteten Adelshauses, dem sich das rote Blut schon in grünes Eiswasser zersetzt hat«51. Den Hamlet gibt er zwar – noch – nicht, dafür im weiteren Verlauf dieser Spielzeit Rollen wie John Tanner in George Bernard Shaws MENSCH UND ÜBERMENSCH, einen reichen, jungen Mann, der revolutionäre Ideen verficht und, ohne es zu wollen, Vormund einer exzentrischen jungen Frau wird, und in Jules Romains’ Komödie DR. KNOCK ODER DER TRIUMPH DER MEDIZIN den ehrgeizigen Mediziner Dr. Knock, der, um seinen Reichtum zu mehren, die robuste und gesunde Bevölkerung eines französischen Dorfes in Dauerpatienten verwandelt. Regie führt als Gast der später vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht in die Theatergeschichte eingegangene Erich Engel.

      Gründgens inszeniert Büchners LEONCE UND LENA als heiteres Märchenspiel ohne einen Anflug bitterer Satire und gibt darin einen frivol-narzißtischen Prinzen Leonce. In der Premiere am 5. September sitzt der 18jährige Klaus Mann und findet den Schauspieler Gründgens, den er zum ersten Mal sieht, »recht gut«52. Klaus, der älteste Sohn des berühmten Literaten Thomas Mann, der im Jahr zuvor den ZAUBERBERG veröffentlicht hatte, versucht sich ebenfalls als Autor, hatte vor kurzem den vielbeachteten Novellenband VOR DEM LEBEN vorgelegt und steht unmittelbar vor dem Abschluß seines Romandebüts DER FROMME TANZ, das ein ekstatisches Coming-out und einer der ersten Homosexuellen-Romane der deutschen Literatur überhaupt wird. Auch ein erstes Theaterstück hatte er in gerade einmal zwei Wochen heruntergeschrieben: ANJA UND ESTHER, dessen Buchausgabe bereits erschienen ist, gewidmet dem Schauspieler Hans Brausewetter, für den Klaus Mann schwärmt. Nach dem Scheitern des etwas überspannten Plans einer Max-Reinhardt-Inszenierung mit Elisabeth Bergner hatte sich der junge Autor bei den Theaterdirektoren Arthur Hellmer, Theodor Tagger (alias Ferdinand Bruckner) und Victor Barnowsky vergeblich um eine Aufführung in Berlin bemüht. Nun spricht er also bei Ziegel in Hamburg vor – mit Erfolg. Zwei Tage nach der Uraufführung an den Münchener Kammerspielen wird das schwermütig-laszive, eher lyrische als dramatische Stück am 22. Oktober 1925 auch an den Hamburger Kammerspielen gezeigt. Erst 14 Tage vor der Premiere war auf Initiative des mit der Regie betrauten Gründgens53 eine spektakuläre Besetzung zustande gekommen, die optimale Publizität garantieren soll: Neben dem Regisseur selbst als Jakob (bereits seine 40. Rolle in Hamburg!) und dem Schauspieler Wolfgang Heinz als dem »Alten«, dem merkwürdigen Leiter des sonderbaren Stifts, das Schauplatz des Dramas ist, steht in der Rolle des Dichters Kaspar der als Schauspieler völlig unerfahrene Autor auf der Bühne, zudem gastieren als titelgebendes lesbisches Liebespaar Erika Mann54, die 1924/25 bei Max Reinhardt in Berlin und in dieser Spielzeit am Schauspielhaus Bremen verpflichtete ältere Schwester von Klaus55, und Frank Wedekinds Tochter Pamela Wedekind56, am Ostpreußischen Landestheater in Königsberg engagiert und seit Sommer 1924 mit Klaus Mann verlobt.

      Gründgens, der die Gesellschaft der weltläufigen, extravaganten Dichterkinder genießt und mit ihnen nachts durch die Kaschemmen von St. Pauli streift, lobt im Freihafen, den Blättern der Hamburger Kammerspiele, den literarischen Newcomer emphatisch, wenn auch vielleicht nicht ganz aus Überzeugung, sondern der Publicity wegen: »Die jüngere Generation hat in Klaus Mann ihren Dichter gefunden. […] Mit unerbittlicher Liebe zeigt er seine Generation in all ihrer wissenden Unwissenheit, ihrer gehemmten Hemmungslosigkeit, ihrer reinen Verworfenheit. […] Man muß sie lieben, diese Menschen, die soviel Liebe in sich haben, und mit wissender Schmerzlichkeit ihre Irrwege gehen. […] Lieben muß man vor allem den Dichter dieser Menschen, der seine Gestalten so beseelt und leidvoll durch dies erregende Stück sendet und […] mit hilfreicher Hand zur Klarheit führt. Und das ist das Wesentliche an Klaus Mann: Er ist nicht nur ein Schilderer der neuen Jugend, er ist vielleicht berufen, ihr Wegweiser zu werden.«57

      Klaus Manns ziemlich mißratenes »romantisches Stück in sieben Bildern«, das der Kritiker Herbert Ihering anläßlich einer Berliner Inszenierung »den szenischen Marlittroman СКАЧАТЬ