Die Stimme. Bernhard Richter
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Stimme - Bernhard Richter страница 10

Название: Die Stimme

Автор: Bernhard Richter

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783894878207

isbn:

СКАЧАТЬ 3 gezeigten Elementen zusammen:

      Tonanregung – Atmung

      Ton-/Klangproduktion – Kehlkopf

      Ton-/Klangformung – Resonanzräume

      Die Stimme ist durch ihre Bauart und Funktionsweise ein einmaliges Instrument, welches hinsichtlich Beeinflussbarkeit der Tonproduktion und der Klangformung durch den Sänger und Sprecher in der Natur und in der Musik nichts Vergleichbares kennt. Für unser Verständnis der Stimme als Instrument sind zwei Grundpfeiler wesentlich: erstens, Kenntnisse über den Bau (Anatomie) des Instrumentes und, zweitens, Kenntnisse über die Funktion (Physiologie) der einzelnen Bauelemente bei der Stimmproduktion. Zur Erläuterung, wie man diese Kenntnisse erlangen und einordnen kann, seien im Folgenden – vor der detaillierten Beschreibung des Instruments Stimme – einige Begriffsdefinitionen vorangestellt.

      Abb. 3: Schematische Darstellung der drei Elemente des Instruments Stimme mit den dazugehörigen Möglichkeiten der Visualisierung und Messung

      Die Anatomie (von griech. anatémnein, »schneiden, zerteilen«) ist die Wissenschaft vom Aufbau des Körpers, welche ihre Kenntnisse durch eine möglichst feine Zergliederung des Körpers gewinnt. Sie ist im Wesentlichen eine beschreibende Wissenschaft, die – seit ihren Anfängen in der Renaissance (vgl. Kap. 1, S. 18) – ein umfassendes und weitgehend lückenloses Wissen über die grundsätzlichen Bauelemente des Stimmapparates erarbeiten konnte.

      Die Physiologie (von griech. phýsis, »Natur«, u. lógos, »Lehre, Vernunft«) ist die Wissenschaft von der Funktionsweise eines Lebewesens. Sie ist im Wesentlichen eine experimentelle Wissenschaft, welche versucht anhand von Modellen oder in Untersuchungen am lebenden Organismus Gesetzmäßigkeiten der jeweiligen Funktionseinheit zu verstehen. Die Stimmphysiologie beschäftigt sich demnach mit der Funktionsweise der Stimme.

      Die funktionelle Anatomie bemüht sich, die anatomisch untersuchten Strukturen bestimmten Funktionsprinzipien zuzuordnen. Hierbei geht es immer um die Funktionsweise der Einzelelemente und deren Zusammenspiel.

      Für jeden, der die Stimme als Sänger oder Sprecher aktiv benutzt, ist es vor allem wichtig, die Funktionszusammenhänge zu verstehen, weniger bedeutsam dagegen, die einzelnen anatomischen und physiologischen Details isoliert zu betrachten und zu kennen.

      In der Stimmphysiologie und auch in der funktionellen Anatomie der Stimme konnten in den letzten 150 Jahren viele Fragen bereits zufriedenstellend geklärt werden, es gibt jedoch noch etliche offene Punkte. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass die menschliche Stimme im Tierreich so einzigartig ist, dass es nur wenige Modelle gibt, die sinnvoll zum Vergleich herangezogen werden könnten. Zum anderen ist die Stimme bei Menschen – und insbesondere die Sängerstimme – nur unter erschwerten Bedingungen zu untersuchen, da manche Untersuchungsverfahren, wie z. B. eine elektrische Ableitung der inneren Kehlkopfmuskeln mittels Nadelelektroden (sog. Elektromyografie [EMG], siehe Kap. 3, S. 77), aus ethischen und stimmfunktionellen Gründen – sowohl im Hinblick auf das Verletzungsrisiko als auch auf die Störung der Funktionsabläufe – während der Stimmproduktion nur eingeschränkt anwendbar sind. Auch Computermodelle der Kehlkopfmechanik sind aufgrund der Komplexität des Stimmproduktionsvorgangs noch nicht vollständig entwickelt, in diesem Bereich wird jedoch intensiv von unterschiedlichen Forschergruppen gearbeitet (Tokuda et al. 2007; Murray u. Thomson 2011).

      Manche stimmphysiologischen Erklärungsversuche basieren demzufolge auf theoretischen Modellen – wie z. B. der Interaktion zwischen Stimmquelle und Vokaltrakt –, die noch nicht in wissenschaftlichen Untersuchungen beim Menschen endgültig bestätigt werden konnten. Trotzdem sind solche Theorien im wissenschaftlichen Prozess sinnvoll und notwendig, wie der Satz des berühmten Naturwissenschaftlers und Aufklärers Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) deutlich macht:

      »Je mehr sich bei Erforschung der Natur die Erfahrungen und Versuche häufen, desto schwankender werden die Theorien. Es ist aber immer gut, sie nicht gleich deswegen aufzugeben. Denn jede Hypothese, die gut war, dient wenigstens dazu, die Erscheinungen bis auf ihre Zeit gehörig zusammen zu denken und zu behalten. Man sollte die widersprechenden Erfahrungen besonders niederlegen, bis sie sich hinlänglich angehäuft haben, um es der Mühe wert zu machen, ein neues Gebäude aufzuführen.« (Lichtenberg 1984, S. 445)

      Die Atmung ist für das menschliche Leben von existenzieller Bedeutung. Schon in der Schöpfungsgeschichte lesen wir im 1. Buch Moses (2, 7):

      »Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase. Und also ward der Mensch eine lebendige Seele.«

      Die Atmung hat demzufolge eine sehr enge Verbindung zur Psyche. Yehudi Menuhin (1916–1999) hat diesen Zusammenhang klar formuliert:

      »Das Singen ist zuerst der innere Tanz des Atems, der Seele […]« (Menuhin 1999)

      Die primäre physiologische Anforderung an die Atemfunktion ist der lebenswichtige Gasaustausch in der Lunge. Hauptsächlich wird dabei Sauerstoff aufgenommen und Kohlendioxid abgegeben.

      Im Folgenden werden die anatomischen und physiologischen Grundlagen des Atmungsvorgangs sowie die Atmung beim Singen und Sprechen erläutert. Diese werden anschließend in Beziehung gesetzt zu gerade unter Sängern und Gesangspädagogen häufig verwendeten Begriffen.

      Abb. 4: Atmungsorgane: Lungenflügel mit den Bronchien sowie Luftröhre

      Die Atmungsorgane im engeren Sinne bestehen anatomisch aus den Lungenflügeln mit den Bronchien sowie der Luftröhre (Abb. 4). Der Atemapparat im weiteren Sinne umfasst zusätzlich den Brustkorb (Thorax) – mit den Rippen, dem Brustbein und der Wirbelsäule –, die Zwischenrippenmuskulatur sowie das Zwerchfell (Abb. 5).

      Als hauptsächliche Atemmuskeln sind das Zwerchfell und die externen Zwischenrippenmuskeln anzusehen. Das Zwerchfell trennt den Brustraum vom Bauchraum und besteht vornehmlich aus Muskulatur und Bindegewebe. Es ist wie eine Kuppel geformt, die am unteren Rand des Rippenbogens angeheftet ist und sich in den Brustraum nach oben wölbt. Die Zwischenrippenmuskeln sind scherengitterartig zwischen den Rippen gelegen (Abb. 6). Die äußeren Muskelzüge heben die Rippen an, die inneren senken sie.

      Abb. 5: Atemapparat mit Brustkorb, Zwerchfell und äußeren Zwischenrippenmuskeln

      Bei der Ausführung des Atmungsvorgangs bei der Phonation können auch zahlreiche andere Muskeln beteiligt sein, was für ein erweitertes Verständnis der Atemkontrolle wichtig ist. Dies ist zum einen die Muskulatur, die außen an den Rippen ansetzt (sog. Atemhilfsmuskulatur, z. B. M. serratus etc.) und diese ebenfalls brustkorberweiternd bewegen kann (Abb. 7). Zum anderen können aber auch die Muskulatur der Bauchdecke (s. Abb. 9, a/b), der M. psoas (s. СКАЧАТЬ