Die Stimme. Bernhard Richter
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Название: Die Stimme

Автор: Bernhard Richter

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

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isbn: 9783894878207

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СКАЧАТЬ 1). In der Folge verfeinerten insbesondere die italienischen Anatomen Vesalius (1514–1564), Fallopio (1523–1563) sowie Eustachius (1520–1574) die Kenntnisse über die Knorpel, Muskeln und Nerven des Kehlkopfes erheblich, ohne jedoch zu gesicherten Kenntnissen über die Stimmproduktion zu gelangen. Weitere Anatomen des 16. und 17. Jahrhunderts wie Fabricius (1537–1619) und Casserius (1561–1616) stellten Überlegungen zur Entstehung der Stimme im Kehlkopf an, erkannten jedoch den präzisen Mechanismus der Tonentstehung noch nicht.

      Abb. 1: Anatomische Zeichnung des Kehlkopfes von Leonardo da Vinci

      Anfang des 18. Jahrhunderts vermutete der französische Arzt und Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Paris Denis Dodart (1634–1707), dass die Tonproduktion im Kehlkopf analog der Entstehung der Pfeiftöne an den Lippen des Mundes zu erklären sei (Dodart 1700).

      Den Durchbruch im Verständnis der Kehlkopfphysiologie brachten die Experimente seines Landsmannes und Professorenkollegen Antoine Ferrein (1693–1769) im Jahre 1741. Ferrein führte seine Versuche vornehmlich an Hundekehlköpfen durch, er besaß aber als ehemaliger Marinearzt auch umfangreiche Erfahrung in der Sektion von verstorbenen Menschen. Er beschrieb den Kehlkopf als ein sonst in der Musik nicht vorkommendes einzigartiges Instrument, welches die Eigenschaften eines Saiten- mit denen eines Blasinstruments in sich vereinigt (Ferrein 1741); er formulierte:

      »[…] ich möchte […] ein neues Instrument vorstellen, welches den Anatomen und Musikern gleichermaßen unbekannt ist. Es gibt Saiteninstrumente, wie beispielsweise die Geige, das Cembalo; es gibt andere Instrumente, die Blasinstrumente, wie die Flöte oder Orgel, aber man kennt bisher keine Instrumente, die gleichzeitig Saiten- und Blasinstrumente sind, so wie das Instrument, welches ich im Inneren des menschlichen Körpers gefunden habe«.1

      Die Untersuchungen von Ferrein wurden erst etwa hundert Jahre später – ab 1837 – durch Johannes Peter Müller (1801–1858) und seinen Mitarbeitern in Berlin wieder aufgegriffen und an menschlichen Leichenkehlköpfen wissenschaftlich so exakt wie damals möglich nachvollzogen (Müller 1840). In experimentellen Versuchsaufbauten konnten hierbei erstmalig verschiedene Registerkonditionen – vornehmlich Modal- und Falsettregister (vgl. Kap. 6, S. 132 ff.) – simuliert werden.

      Im 18. Jahrhundert wuchs das Interesse an den Funktionen des Körpers im Allgemeinen und an der Stimme im Besonderen. So erregte Ende des 18. Jahrhunderts Wolfgang von Kempelen (1734–1804) mit seiner »Sprechmaschine« große Aufmerksamkeit (Felderer 2004). E.T.A. Hoffmann (1776–1822) verarbeitete diese Thematik des »Menschen als Maschine« im Jahr 1816 literarisch in seiner Novelle Der Sandmann und schuf die Figur der Olympia, die von Jacques Offenbach (1819–1880) wiederum kongenial in dessen Oper Les Contes D’HOFFMANN im Jahr 1881 an der Pariser Opéra comique musikalisch auf die Bühne gebracht wurde.

      Aus diesem gesellschaftlichen Umfeld resultierten auch im Bereich der Stimmphysiologie neue Entwicklungen. So war ein weiterer wichtiger Meilenstein die erste Beobachtung der Kehlkopffunktion bei der Phonation am lebenden Menschen. Wer tatsächlich hierbei historisch der erste war, ist nicht mehr mit letzter Sicherheit festzustellen (Feldmann 2002). Es ist jedoch bekannt, dass es 1854 dem spanischen Gesangslehrer Manuel Garcia d. J. (1805–1906) gelang, seinen eigenen Kehlkopf mittels eines Spiegels zu untersuchen. Seine Ergebnisse legte er im März 1855 der Royal Society in London schriftlich vor und machte sie somit der Öffentlichkeit zugänglich (Garcia 1855). Wegen seiner bahnbrechenden Untersuchungen und seines Pioniergeistes wurde Garcia von Franz Haböck (1868–1922) auch als »Kolumbus der Stimme« bezeichnet (Haböck 1927). Garcia war über seine Entdeckung der Laryngoskopie hinaus ein wissenschaftlich sehr gebildeter Gesangslehrer, der sich mit der mechanischen Entstehung der Register eingehend auseinandersetzte, wovon seine Veröffentlichungen – die man auch heute noch mit Gewinn lesen kann – ein eindrucksvolles Zeugnis ablegen (Garcia 1847 a/b; 1855). Auch andere prominente Gesangslehrer der Zeit versuchten ihre Methode nach wissenschaftlichen Kriterien zu beschreiben. So verfasste beispielsweise Christian Gottfried Nehrlich (1802–1868), Direktor des Konservatoriums für Gesang zu Berlin, mehrere gesangswissenschaftliche Bücher, unter anderem 1853 eine Publikation mit dem vielsagenden Titel »Die Gesangkunst, physiologisch, psychologisch, ästhetisch und pädagogisch dargestellt. Anleitung zur vollendeten Ausbildung im Gesange, sowie zur Behandlung und Erhaltung des Stimmorgans und zur Wiederbelebung einer verloren geglaubten Stimme. Mit Berücksichtigung der Theorien der größten italienischen und deutschen Gesangmeister und nach eigenen Erfahrungen systematisch bearbeitet und durch eine rationelle Basis zur Wissenschaft erhoben« (Nehrlich 1853). In diesem Werk formulierte er bereits in der Vorrede seinen Anspruch an eine rationale Wissenschaft und leitet hiervon Implikationen für die Gesangspädagogik ab:

      »Wenn Alles, was auf Gesetzen beruht, sich durch Nachweisung dieser Gesetze rationell begründen lässt, so kann die Gesangskunst keine Ausnahme machen; denn sie beruht eben so, wie jede andere Kunst, auf gewissen ewig geltenden Gesetzen, mit deren Ergründung man das, was darauf ruht, in seine volle Gewalt bekommt.« (Nehrlich 1853, S. IV)

      Wer sich so weit vorwagt, bleibt nicht unbemerkt – Haböck bezeichnet Nehrlich ob seines allumfassenden Wissensdurstes auch als »Faust unter den Gesangslehrern« (Haböck 1927). Nehrlich blieb zudem nicht unwidersprochen. So formulierte Gustav Nauenburg im Jahr 1841 für die von Robert Schumann herausgegebene Neue Zeitschrift für Musik in seinem Beitrag »Revision der herkömmlichen Gesanglehre« folgende grundlegende Kritik an der Wissenschaftsgläubigkeit von Nehrling:

      »Die Theorie der Gesangkunst ist zur Zeit noch unvollkommen, weil die Kenntniß des Instruments, d. h. die Kenntniß des menschlichen Stimmorganismus mangelhaft genannt werden muss. Sind wir auch mit Hülfe der Anatomie im Besitze einer detaillierten Stimm-Organen-Lehre, so muß doch die, für die Gesangkunst weit wichtigere Functionen-Lehre mangelhaft und ungenügend genannt werden.« (Nauenburg 1841)

      Die auf Garcias Epoche folgenden Jahrzehnte waren geschichtlich von zahlreichen bahnbrechenden technischen Erfindungen und Entdeckungen auf unterschiedlichen Wissensgebieten gekennzeichnet, die in rascher Folge die Untersuchungsmöglichkeiten der stimmphysiologischen Forschungen verbesserten, auch wenn die einzelnen Verfahren zum Teil nicht in Hinblick auf eine Anwendung in diesem Forschungsfeld entwickelt wurden.

      So begann Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts eine breite technische Anwendung der unter dem Begriff Elektrotechnik zusammenfassbaren Verfahren, nachdem in vielen kleinen Einzelschritten die Gesetzmäßigkeiten der Elektrizität erkannt worden waren (Sjobbema 1999). Im heutigen wissenschaftlichen und medizinischen Alltag ist Elektrizität im Sinne von elektrischer Energie unentbehrlich (Eckert 2011), ohne sie wäre auch die moderne Stimmforschung mit ihren Verfahren zur Visualisierung und akustischen Analyse nicht denkbar (vgl. Kap. 3, S. 62 ff.).

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