Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ welche der Reitknecht mit entschiedenem Unglauben und sehr höhnischen Randglossen aufnahm, ohne doch fort und zu Bette kommen zu können, solange des Hausmeisters Vorrat an solchen Erzählungen vorhielt. Und Fettzünsler wußte ihrer gar viele, er war nicht umsonst des Lügenschusters Jugendkamerad und des Spielmanns Freund – so kam es, daß es sehr spät wurde, bis Franz seine Ruhestätte über dem Stalle seiner Pflegebefohlenen aufsuchte, und in direkter Verbindung damit stand der Umstand, daß er am andern Morgen sehr spät erwachte.

      Franz erhob sich dafür um desto rascher, und nachdem er einen Blick in den Stall auf seine Pferde geworfen, die ihm ungeduldig entgegen wieherten, eilte er hinauf in die Zimmer seines Herrn zu kommen, da er befürchtete, wegen seiner Versäumnis gescholten zu werden.

      Zu seiner Ueberraschung fand er, als er das Wohngemach betrat, sowohl die äußere Tür wie die, welche in das Schlafzimmer des Grafen führte, offenstehend, seinen Herrn aber trotzdem noch schlafend. So wenigstens schien es Franz bei seinem ersten Eintreten und nach einem Blick durch die Schlafkammertür. Der Graf lag jedoch nicht in, sondern auf dem Bette, als ob er aufgestanden wäre und sich dann rücklings wieder auf das Lager geworfen hätte – seine nackten Füße hingen herab und berührten den vor dem Bette ausgebreiteten Teppich.

      Franz trat jetzt über die Schwelle des Schlafgemachs und zugleich stieß er einen leisen Schrei der Ueberraschung und des Schreckens aus – er fand alles ringsumher in einer seltsamen Unordnung. Mehrere Kleidungsstücke seines Herrn lagen auf dem Boden umhergestreut; der Stuhl, der vor dem Bette gestanden, war umgeworfen; ein silberner Leuchter lag in eine Ecke des Zimmers gerollt, eine tief niedergebrannte Wachskerze auf dem Teppich vor dem Bett – und während Franz im Nu diese beängstigenden Beobachtungen machte, beharrte sein Gebieter in einer Regungslosigkeit, die etwas Entsetzliches hatte. Der Reitknecht trat einen Schritt näher, er trat dicht an das Bett, er zitterte an allen Gliedern – er rief plötzlich, wie seiner Angst Luft zu machen, laut, ganz überlaut: »Herr Graf – Herr Graf –!«

      Aber der Graf von Epaville antwortete und rührte sich nicht, und als der Reitknecht nach seinem rechten Arme griff, fühlte er durch das Hemde hindurch eine starre Eiseskälte.

      Der Graf von Epaville war eine Leiche.

      Franz gehorchte dem ersten Impulse, welcher ihn bei dieser schaurigen Entdeckung überkam. Er wandte sich und floh. Er stürzte durch das Wohnzimmer, durch die vordern leeren Räume auf den Gang, die Treppe hinunter, in das Zimmer des Hausmeisters.

      Claus hatte sich eben erst erhoben und war damit beschäftigt, seine alte Manchesterjacke überzuziehen, als Franz mit dem Rufe über seine Schwelle stürzte: »Um Gottes willen, Hausmeister ... der Graf ... kommt einmal herauf ... der Graf ist tot!«

      »Alle vierzehn heiligen Nothelfer stehen uns bei!« stammelte Claus bis ins Mark erschrocken.

      »Kommt, kommt mit herauf und seht es selber,« versetzte der Reitknecht, der sich an den Türpfosten hielt, als wenn seine Knie ihn nicht mehr trügen.

      Claus eilte trotz seines Hinkens mit einer wunderbaren Schnelligkeit in großen Sätzen hüpfend an ihm vorüber und über den Korridor der Treppe zu. Franz hatte Mühe, neben ihm zu bleiben. So kamen sie in das Schlafzimmer, wo Claus sich keuchend und atemlos über die Leiche beugte und die Hand auf das schwarze Haupthaar des Grafen legend, den abgewandten Kopf desselben zu sich herumdrehte.

      »Ganz blauschwarz im Gesicht!« sagte er entsetzt. »Der ist erdrosselt!«

      »Aber da ist auch Blut ... ach, du lieber Gott, eine ganze Lache Blut,« rief Franz jetzt aus, indem er auf den Teil des Hemdes und des Plumeaus deutete, die unter der Leiche, an deren linker Seite lagen – die Leiche lag auf der Seite des Herzens und hatte eine tiefe Wunde an dieser Seite der Brust.

      Die beiden Männer standen eine Weile sprachlos sich anstarrend.

      »Wer hat das getan?!« rief Claus nach einer Pause aus.

      »Wer hat das getan?!« wiederholte der totenbleiche Reitknecht.

      »Das ist eine üble Geschichte,« stammelte Claus, und der kalte Schweiß trat ihm auf die Stirn, »eine üble Geschichte für uns beide!«

      »Wir sind ja aber doch so unschuldig ...«

      »Unschuldig – aber wenn man einen von uns in Verdacht zieht?«

      »Das verhüte Gott! Lieber nehm’ ich Reißaus!«

      »Dann seid Ihr erst recht verloren!«

      »Was sollen wir tun?« jammerte Franz.

      »Was wir tun müssen. Sattelt Ihr das beste von euern Pferden und zeigt es in Düsseldorf an. Ich laufe derweile hinab ins nächste Dorf zu unserm Maire. – Ist etwas gestohlen?« fuhr Claus fort, sich umschauend.

      »Ich glaube nicht,« entgegnete Franz, der Richtung seiner Blicke folgend. »Da hängt die goldene Uhr über dem Kopfkissen. Und hier,« fuhr er fort, ein Kleidungsstück vom Boden aufnehmend und die Taschen desselben untersuchend, »hier ist seine Brieftasche und sein Geldbeutel ...«

      »Also ein Räuber ist’s nicht gewesen!«

      »Nein, ein Räuber nicht!«

      »Desto besser für uns,« rief Claus aus. »Nun legt den Rock wieder hin, just so, wie er lag – die Herren vom Gericht wollen alles unberührt wissen, wie es liegt und steht – machen wir uns auf den Weg!«

      Beide verließen das Schlafzimmer und eilten, unten im Korridor angekommen, auseinander, der Hausmeister in seine Stube, um die Schlüssel zu holen, womit er während seiner Abwesenheit die Haustür absperren wollte, der Reitknecht, um zu den Pferden zu kommen und seinem Gaul den Sattel überzuwerfen.

      Wenige Minuten nachher sprengte Franz im gestreckten Galopp den Weg in die Hauptstadt dahin. Er erreichte sie in kaum einer Stunde Zeit. Vor der Residenz Murats, dem Jägerhofe, warf er die Zügel einem Soldaten der Wache zu, eilte ins Innere und stürmte trotz Portier und Lakaien bis in die Vorzimmer des Großherzogs. Hier machte Franz mit seiner Schreckenskunde einen solchen Lärm, daß einer von Murats diensttuenden Adjutanten ihn sofort und ohne Anmeldung in das Kabinett führte, wo der Großherzog eben frühstückte, während Graf Beugnot ihm gegenübersaß, um ihm möglichst kurz und möglichst kurzweilig allerlei an und für sich sehr trockene Geschäftsvorträge zu halten.

      Der Adjutant entschuldigte in raschen Worten die Unterbrechung, indem er erzählte, was geschehen. Murat sprang im höchsten Grade überrascht auf, ließ Franz vortreten und überstürzte ihn mit einer solchen Menge Fragen, daß dieser kaum hinreichenden Atem und hinreichende Zungengeläufigkeit fand, auf alles zu antworten.

      »Mille tonnerres!« rief der Großherzog dann aus, »ich habe geglaubt, hier in einem Lande von lauter frommen Schafen zu sein, die sich wenig darum kümmern, ob die Hunde, welche sie hüten, deutsch oder französisch bellen. Dies sieht anders aus! Man weiß, wie nahe mir Epaville stand! Man ermordet ihn, sobald er sich außerhalb des schützenden Bereiches des Hofes wagt!«

      »Hoheit,« fiel Graf Beugnot kopfschüttelnd ein, »ich ahne unter diesem mysteriösen Verbrechen etwas anderes als politische Beweggründe ...«

      »Und was ahnen Sie, Beugnot?«

      »Es sind, wie ich unlängst vernommen habe, bereits früher unaufgehellt gebliebene Dinge in dieser Rheider Burg oder in ihrer Nachbarschaft vorgefallen. Aber ich glaube, es wäre zweckmäßig, Ew. Hoheit geruhten, zuerst diesen Mann zu entfernen und dann den Grafen Nesselrode herzubescheiden СКАЧАТЬ