Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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Indem ich Ihnen dies mitteile, füge ich hinzu, daß ich den lebhaften Wunsch hege, diese Angelegenheit mit Ihnen in friedlicher und summarischer Weise zu ordnen, und wird es mir ein Vergnügen sein, diesen meinen Wunsch Ihnen persönlich zu beweisen, sobald Sie mich besuchen wollen, um über die Erledigung der Sache sich mit mir zu bereden.
Ich bin, mein Herr, mit großer Achtung
der Graf A. von Epaville.«
Sechstes Kapitel
Eine dunkle Tat
Der Graf von Epaville begab sich nach einer Weile in die Burg zurück. Er schlenderte langsam über den Hof, durch das Hauptportal in der Mitte, durch den untern Korridor mit den spitzbogigen Fenstern und den Hirschgeweihen und die Haupttreppe hinauf, welche in den obern Stock führte. Hier lief ein Gang von derselben Größe wie der untere Korridor, gerade über diesem, an der Seite des Gebäudes entlang, die nach dem Hofe zulag; auf der andern Seite, von wo man die Aussicht in das Flußtal und auf den Rheider Hammer hatte, befanden sich die Wohngemächer; weite, leere Räume, mit Decken, welche von stukkaturverzierten Balken getragen wurden, mit Wänden, deren untere Verkleidung aus hohen Lambris von gebohntem Eichenholz bestand, während darüber sich Tapeten mit altmodischen Mustern zeigten, hier und da stückweise von den Mauern gelöst und niederhängend, an andern Orten durch viereckige hellere Stellen den Platz andeutend, den ehemals Bilder oder Spiegel in diesen öden und ausgeräumten Gemächern eingenommen hatten. Es hatte viel Mühe gekostet, den alten Staub und Schmutz, die Spinnengewebe und den Wurmfraß so weit fortzuschaffen und wegzuwaschen, um einige dieser Räume notdürftig bewohnbar machen zu können. Der neue Eigentümer hatte dazu eine Wagenladung neuer Möbel herüberbringen lassen. Das elegante Gerät, alles neu und glänzend von Politur, alles im neuesten Geschmack á la Josefine, das heißt nach dem übelbegriffenen Muster der römischen Antike, nahm sich freilich merkwürdig genug in dieser verblichenen, altergeschwärzten Umgebung aus.
Es waren hauptsächlich zwei Gemächer, welche Graf Antoine sich hatte so mit den nötigen Dingen ausstatten lassen, um, wenn ihn der Dienst nicht in die Nähe des Großherzogs berief, für einige Tage die Burg bewohnen und sich dadurch mit allen Verhältnissen seiner neuen Besitzung, die ihm ein großes Interesse abgewonnen zu haben schien, bekannt machen zu können. Diese Gemächer waren die beiden letzten im rechten Teile des Gebäudes, der an den größern der zwei Türme stieß, von denen wir sagten, daß sie das alte Gebäude flankierten. Sie waren am besten erhalten, obwohl auch sie melancholisch und düster genug aussahen und vielleicht nur noch mehr so jetzt durch den Gegensatz zu den blanken neuen Möbeln.
Es war heute die erste Nacht, welche Graf Antoine in dem Schlosse zubringen wollte, denn an den vorhergehenden Tagen war er abends in die Stadt zurückgeritten. Der Tag war ihm rasch verflossen; er hatte ein Paar Arbeiter in den Zimmern beschäftigt, welche die nötigsten Verbesserungen vornehmen, hier einem nicht mehr schließenden Schlosse nachhelfen, dort ein Stück des Bewurfs flicken, hier ein nicht mehr verschließbares Fenster und dort eine windschief gewordene Tür einrichten mußten. Graf Antoine hatte zugesehen, seine Anweisungen erteilt, war dann lange draußen gewesen und hatte seinen Hausmeister, den hinkenden Claus Fettzünsler, auf den Feldern umhergeschleppt und sich von ihm über die Aecker, Wiesen und Grundstücke, die zum Hause gehörten, berichten lassen, über ihre Fruchtbarkeit, die Art der Benutzung und ihre Pachterträgnisse.
Dann hatte er die Begegnung mit Sibyllen gehabt. Als er darauf seine Gemächer wieder betrat, fand er, daß hier bereits der Abend zu dämmern begann. Nach einer Weile zogen deshalb die Arbeiter ab; darauf kam Franz, der Reitknecht, der Graf Antoine begleitet, um in dem Wohnzimmer Lichter anzuzünden, und stieg dann wieder in den untern Stock hinab. Graf Antoine befand sich allein oben in dem weitläufigen Gebäude, und obwohl er zum Zeitvertreib sich an die Lektüre von allerlei Akten und Papieren machte, die er in dem Winkel einer Kammer auf der Erde liegend gefunden und worin er das Archiv seiner Besitzung entdeckt hatte, so wurde ihm in dieser Oede und Einsamkeit doch, je weiter der Abend vorrückte, desto eigentümlicher und unheimlicher zumute. Um ihn her herrschte eine beängstigende Stille, die nur unterbrochen wurde durch allerlei leise und unerklärliche Geräusche; bald ein kaum vernehmbares Rieseln, als ob hinter den alten Tapeten Kalk sich abbröckele und niedersinke; bald ein Aechzen, als ob das Holzwerk leise aus dem Leim gehe; bald ein Knarren – es war gerade so, als ob die vernichtende Zeit in all den dunkeln Räumen mit hagerm Finger sachte und so unhörbar wie möglich an ihrem zerstörerischen Werke arbeitete. Es schien Graf Antoine beinahe eine Erleichterung, als sich draußen nach und nach ein Wehen des Windes vernehmbar machte, welches die alten Fenster schüttelte, daß die Scheiben in ihren lockern Bleiumfassungen zu klirren begannen. Es war doch ein erklärbares, ein natürliches Geräusch!
Graf Antoine stand auf, nachdem er eine lange Weile über seinen Akten gesessen hatte und begann in dem Raume auf und ab zu schreiten, den die zwei Wachskerzen auf seinem Tische nur sehr unvollständig beleuchteten.
» Sang de Dieu! Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei,« sagte er dabei, »besonders wenn er keine erheiterndere Beschäftigung hat, als diese alten Schuldklagen und Gefälleregister durchzulesen. Während des Hockens über den alten vergangenen Geschichten ist mir immer gewesen, als müßte ich an meine eigene vergangene Geschichte denken, und die Beschäftigung damit fehlte mir nur noch, um diesen Abend heiter zu machen!«
Graf Antoine begann eine Weise aus der Oper »Le maréchal ferrant« zu pfeifen, die damals in Paris an der Tagesordnung war, und dann sagte er lächelnd vor sich hin: »Es wäre eigentlich, wenn ich einmal stürbe, ein hübscher Witwensitz für meine teuere Henriette, dies alte Kastell – in der Tat für eine trauernde Gattin, die der Welt absterben will, wie geschaffen! Wir könnten es ja durch letztwillige Verfügung dazu erheben, zum Wittum der Douarièren von Epaville! Die gute kleine Henriette! Welchen hübschen Stoff würde sie haben, ihren süßen Gatten zu lästern, wenn ich ihr diesen Streich spielte und sie zwänge, den Rest ihres Lebens in dieser ländlichen Abgeschiedenheit zwischen Eulen und Fledermäusen zuzubringen!«
Malborough s’en va-t-en guerre,
Qui suit quand il reviendra –
pfiff der Graf dann eine Weile, und nachdem er mit diesem schönen Liede sich eine kleine Viertelstunde vertrieben hatte, fuhr er in seinem Selbstgespräche fort: »Der Teufel weiß es, mir ist, als sollte ich heute durchaus melancholisch gemacht werden; es kommen mir lauter unnütze, trübselige Gedanken. Man ist doch nicht just geraden Weges durchs Leben gegangen, einer flachen Heerstraße nach und so geradeaus wie bei einem Jagdrennen auf eine Kirchturmspitze zu. Nein, eine Kirchturmspitze ist wahrhaftig nicht mein Lebensziel gewesen. Ich habe mich durchgeschlagen, wie es eben ging, um manchen Stein des Anstoßes herum, und manche Wendung habe ich machen müssen; bin bald bergauf und bald bergab gestiegen. Und doch ist’s mir eben, als ob ich meine ganze Lebenslaufbahn auf einmal übersehen müßte; als ob sie eine schnurgerade Chaussee wäre, daß man zurück bis ans letzte Ende schauen könnte und zahlreich wie die Pappelbäume rechts und links die dummen Streiche, die man gemacht hat. Fort damit! ... was soll mir diese höchst überflüssige Gedächtnisschärfe. Wer nicht geraden Weges durchs Leben gehen konnte, weil sein Lebenslauf nun einmal vom Schicksal in die Krümme geführt wurde, der sollte auch nicht weiter rückwärts sehen können als bis an die nächste Ecke, um welche er laviert ist. Es wäre weit behaglicher. Aber – ma foi – war denn das nicht gerade so, als ob jemand im andern Zimmer nieste?!«
Der Graf nahm ein Licht, schritt damit in das zweite der eingerichteten Gemächer, das er zu seinem Schlafzimmer bestimmt hatte und kam bald nachher daraus zurück.
»Ich СКАЧАТЬ