Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe
Автор: Levin Schücking
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788075838650
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Eins dieser Werke oder Gehöfte, das ein sehr sauberes blank angestrichenes und stattliches Vordergebäude und sehr schwarze, rußige, das Ufer entlang gestellte Hintergebäude zeigt, ist der Rheider »Osemund«-Hammer.
Dieses Werk war vor etwa einem halben Jahrhundert das bedeutendste im Tale; es hatte sich die schönste und malerischste Strecke, welche der Fluß durchströmt, ausgesucht, um sie mit seinem Räderrauschen und dem Getöse seiner Hämmer zu erfüllen, und hatte weit über ein Jahrhundert lang bereits mit seinem »Osemund«- oder seinen Rohstahlprodukten die »Drahtrollen« der Nachbarschaft versorgt. Und seit über hundert Jahren hatten damals von Vater auf Sohn die Ritterhausen auf dem Werke wie Erbherren gesessen, und wie feudalistische Erbherren hatten sie über eine Schar wenn nicht reisiger, doch jedenfalls rußiger und auch riesiger Knechte geboten, Menschen von breitschulterigem Wuchs, in deren gewaltigen Fäusten die lange Eisenstange, welche sie schwangen, sicherlich eine nicht minder gefährliche Waffe war, als die Hellebarde in der Hand des ritterlichen Knappen oder Landsknechts. Zur Osemund-Schmiederei nämlich gehörten die allerkräftigsten Leute. Niemand anders war einer Arbeit gewachsen, welche darin bestand, mit der gewaltigen Anlaufstange auf dem Herde zu arbeiten, das Eisen im Feuer vor dem Winde hin und her zu drehen, das geschmolzene Metall an der Stange aufzuwickeln und unter den Hammer zu bringen. Um solche Männer dem Gewerbe zu erhalten, waren deshalb ehemals auch die Osemundschmiede »kantonfrei«, das heißt, sie waren der Militärpflicht nicht unterworfen.
Von solchen Gesellen umgeben hatten also die Ritterhausen mit einer gewissen Erbweisheit fleißig und betriebsam ihr Besitztum ausgebeutet, alle günstigen Verhältnisse wohl benutzt, alle ungünstigen geschickt und wohlvorbereitet bekämpft; und so kam es, daß sie wohlhabende Leute geworden. Man sah das dem Hammer auch schon von fern an. Das Haus, lang, einstöckig, über einem massiven Kellergeschoß von Fachwerk erbaut, zeigte eine glänzende Fensterreihe und an allem Holzwerke frisch blanke Farben. Die lange Vorderseite war dem Wege zugekehrt, der durch das Tal führte, aber durch einen großen Rasenplatz, auf dem einzelne uralte Linden und Buchen sich erhoben, von diesem Wege getrennt. Die Bäume ersetzten dem Hause zugleich die Jalousien, sie gaben ihm hinreichenden Schatten vor den Strahlen der Abendsonne, welche allein diese Hauptfront trafen. Die Nebenfront des Hauses rechts zeigte eine Glastür, welche über fünf oder sechs Stufen hinab in einen großen, reich mit Obstbäumen und Gesträuchen besetzten und am untern Ende in ein schattiges Boskett sich verlaufenden Garten führte. Die Hammergebäude erblickte man nicht von dem Standpunkte, von welchem aus wir das Gehöfte betrachten, das heißt von dem vorüberziehenden Wege her; sie bargen sich mit ihren geschwärzten Dächern und rußigen Essen hinter dem Wohnhause. Aber der Rauch ihrer Kohlenfeuer wirbelte qualmig an der steil ansteigenden, grünen und buschigen Bergseite empor, welche jenseits des Flusses das Tal schloß.
Eine weite Aussicht hatte man von der Nebenseite des Hauses aus, wenn man sich auf die Schwelle der Gartentür über der erwähnten Treppe stellte. Hier blickte man über die Wipfel der Obstbäume fort, den Windungen des Flusses, der sich durch Grasmatten schlängelte, nach, bis ein vorspringender Berg, der dem Gewässer in den Weg trat, das Tal so dicht abschloß, daß es schien, es gäbe gar keinen Ausweg daraus, und wer sich einmal in diesen freundlichen Erdwinkel verloren, der sei für immer gefangen darin, wenn er nicht etwa den Mut habe, die steilen Bergseiten hinan durch das Gestrüpp sich einen Weg zu bahnen und so zu entkommen aus dem stillen Reiche Pans und der Najaden der Wupper.
Jener Berg, welcher mit abschüssiger felsiger Wand in den Fluß vortrat und das Gewässer zwang, sich erst rechts zu schlagen und dann wieder links gewandt einen Durchgang zu suchen, trug, ungefähr anderthalbhundert Fuß hoch über dem Wasserspiegel, ein Bauwerk, welches einen von den Hammergebäuden durchaus verschiedenen Charakter zeigte. Waren diese einstöckig und aus Fachwerk errichtet, so erhob sich der Bau auf der Berghöhe desto stattlicher in zwei oder drei Stockwerken – es war in der Tat schwer zu sagen, in wie vielen, denn die Fenster waren unregelmäßig und symmetrielos angebracht und wie von reiner Willkür in das alte schwere Mauerwerk gebrochen. Ein breiter Erker, der auf schweren Kragsteinen ruhte, trat aus dieser stattlichen Mauerfront hervor, und an den Ecken erhob sich an der einen Seite ein viereckiger Turm, bis zu der Höhe des übrigen Gebäudes von Bruchsteinen und sodann, noch ein Stockwerk höher, von Fachwerk aufgeführt. An der andern Ecke, dem viereckigen Turm zum Seitenstück, stieg ein schlankes rundes Türmlein empor, zu schmal, als daß es für einen andern Zweck als etwa um das Gehäuse einer Wendelstiege zu bilden errichtet sein konnte. So war das Ganze, wie es stolz ans der Bergesstirn erhöht dastand und seine hohen Essen, seine spitzen Dächer und Wetterhähne unten im Flusse spiegelte, ein bedeutsamer, malerischer Punkt, ein Point de Vue, der dem ganzen Tale Leben und Charakter gab und die Blicke jedes Wanderers auf sich zog.
Ob der Edelhof da droben, die Rheider Burg genannt, so anziehend für die Blicke der Bewohner des Hammers sich darstellte wie für die der Fremden, deren Weg durch das Tal führte, ist eine andere Frage. Die laute bürgerliche Industrieanlage mit ihren reichgewordenen Besitzern und der alte stille Herrensitz mit seinen augenscheinlich zerfallenen Mauern lagen sich zu nahe, um nicht in mancherlei Berührungen gekommen zu sein. Diese Berührungen waren in der Tat nicht ausgeblieben, und sie waren nicht immer freundlicher Natur gewesen.
Ein wechselseitiges juristisches Verhältnis, welches die beiden Sitze aneinander knüpfte, war namentlich die Grundlage zu einer erbitterten Stimmung der beiderseitigen Bewohner in den letzten zwanzig Jahren gewesen, welche den Ereignissen vorausgehen, die wir hier mit unserer dem Leser bekannten Wahrheitstreue berichten wollen; und die Reibungen zwischen Hammer und Burg hatten damit geendet, daß der Hammer in der Tat »Hammer« geblieben, die Burg aber »Amboß« geworden und von Schlägen getroffen war, denen zufolge sie heute leer und verödet stand.
Aber bevor wir die Verhältnisse und die Tatsachen ins Auge fassen, sehen wir uns nach den Menschen um, die jetzt den Hammer bewohnen.
Die Glastür an der Nebenseite des Hammergebäudes steht geöffnet und läßt die frische, reine Luft eines Herbsttages, der sonnig glänzend über dem Tale liegt, einströmen in einen Gartensalon von anständiger Größe, in welchem eine gewisse bürgerliche Eleganz herrscht. Die Wände sind bedeckt mit einer grün und lila gestreiften Tapete, unten mit Holzgetäfel überkleidet, und man hat den guten Geschmack gehabt, dieses Holzgetäfel sowie die Türen, die Fensterrahmen und die Blendläden unbesudelt zu lassen mit dem entstellenden Oelanstrich, den die Mode des Tages eingeführt hat; alles zeigt die ursprüngliche reine braune Naturfarbe des Eichenholzes. Ueber dem Kamin hängt ein schön gemaltes Bild in Form eines Medaillons, das zwei Profilköpfe übereinander, einen männlichen und einen weiblichen darstellt. Das männliche Haupt ist das des im Lande der Berge unvergeßlichen Kurfürsten Johann Wilhelm; es zeigt seine geistreichen, markierten Züge, seine klugen großen Augen, die dicke aufgeworfene Unterlippe, über welche die dem guten Herrn eigentümlichen großen Zähne, welche das Volk des Kurfürsten Hauer nannte, hervorschauen. Ein kleiner schwarzer Schnauzbart ziert die Oberlippe, über Scheitel und Nacken aber fließt die mächtige Allongeperücke herab, welche der Maler braun und ungepudert gelassen hat, sicherlich, damit das Profil seiner Gemahlin sich auf diesem Hintergrunde desto besser absetzte. Dieses Profil ist von großer Schönheit; es hat etwas klassisch Edles, und auf den ersten Blick erkennt man darin die Tochter des Südens; die Stirn ist hoch, die Nase fein gebogen und der Mund von einer seltenen Lieblichkeit, wie umspielt von den Genien der Heiterkeit und der Güte; stark gezeichnet und dunkel aber sind die Brauen und ebenso dunkel die ausdrucksvollen lebhaften Augen der italienischen Fürstin.
Noch andere Bilder hingen in dem Gartensalon, Frauen und Männer verschiedenen Alters und verschiedener Zeiten darstellend. Die Frauen waren meist im Reifrock dargestellt und blickten lächelnd, über eine schöne Rose oder eine Orangenblüte fort, den Beschauer an; die Männer in roten Mänteln oder in bequemen, malerisch drapierten Schlafröcken von feinen Stoffen – es lag darin eine kleine Kriegslist, welche auf eine gewisse erbliche Eitelkeit in der Familie Ritterhausen deutet. Denn wären sie Edelleute gewesen, die würdigen hier im Bildnisse verewigten Herren, so würden sie sich ohne Zweifel haben malen lassen in voller Puderfrisur, СКАЧАТЬ