Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ Sie sich am Ende der Welt geborgen? Freilich haben Sie alles mögliche getan, um es mich denken zu lassen. Sie waren verschwunden, spurlos, keine Silbe, keine Zeile beruhigte mich über Ihr Geschick!« Katharina sprach diese Worte mit einiger Heftigkeit im Andenken an das, was Bernhards Verschwinden sie hatte leiden lassen. Beiden aber wurde noch beklommener zumute, als zuvor. Beide hatten sich oft mit Zweifeln an des andern Liebe gequält, aber dennoch im Innersten ihres Herzens ein Wiedersehen nur von den Ausbrüchen stürmischen Entzückens begleitet denken können. Und nun die kalte, trockene Weise, die es annehmen zu wollen schien!

      »Hatten Sie Ihre Freundin vergessen?« fuhr Katharina fort, als Bernhard stumm blieb.

      Er reichte ihr den Arm, weil der Bergweg, den sie hinunterzuwandeln begannen, uneben und steinig war; als sie den ihren darauf legte, durchrieselte sie ein Gefühl, das ihr bisher fremd gewesen – als ob sie zerschmelzen müsse.

      »Ich hatte Sie nicht vergessen«, antwortete Bernhard, »aber ich glaubte, ich müsse es; ich war auf dem Wege zu Ihnen, ich wollte meinen Kummer Ihnen klagen und hoffte Erleichterung von Ihrem Versprechen, auch in der Ferne Ihre Teilnahme mir folgen zu lassen. Und gerade als meine Gedanken nichts andres in der Welt kannten als Sie, während alles Leben meiner Seele nur Sie waren – da kamen Sie an mir vorüber, als ob Sie kaum mich kannten, als gäbe es nicht zwei fremdere, durch das Leben weiter auseinander geworfene Personen denn wir. Die Pflicht – vielleicht auch der Stolz sagten mir, ich müsse Sie vergessen.«

      »Und Sie haben es getan?«

      »Nein, ich habe es nicht gekonnt, auch nicht gewollt; von Ihnen konnte ich mich entfernen, aber von der Erinnerung an Sie – ich habe zu wenig im Leben, um das zu vergessen, von dem auch nur ein Traum mir einmal sagte, daß ich einen Teil davon besitze.«

      »Bernhard, Sie machen mir Vorwürfe, die Sie bereuen würden, wenn Sie wüßten, wie schmerzlich, wie heftig ich jenen Jagdmorgen verwünscht habe, an dem mich eine Einladung des Kurfürsten, der das Jagdgebiet unsres Stiftes zum Schauplatz seines ritterlichen Vergnügens ausersehen hatte, zwang, seinem Trosse zu folgen. Es war unmöglich, den Wunsch des Fürsten abzuschlagen; so schloß ich mich dem Zuge an, mit trübem Mut, ohne Lust; als ich Sie jedoch an der Buche stehen sah, freute ich mich und fühlte mich stolz, daß Sie Zeuge wurden, wie gut ich ein Roß – nun, es war eine kleine Eitelkeit, die ich bitter gebüßt habe. Ihr spurloses Verschwinden hat mir viel, viel Kummer gemacht!«

      »Katharina«, sagte Bernhard, »ich weiß nicht, welcher Zufall Sie hierher führt und nach kurzer Zeit weiter führen wird; aber ich will ihn benutzen, um einmal das auszusprechen, was mir das Herz abdrückt, wenn ich stumm damit ins Grab fahren soll – ich habe Sie lieber als alles auf der Welt, als meine Mutter, als Gott, glaube ich; ich sterbe aus Liebe zu Ihnen!«

      Bernhard legte, seiner nicht mächtig, die Stirn an ihren Busen und schlang seinen Arm um ihren Nacken, als er tonlos diese Worte gestammelt hatte.

      »Und ich lebe für Sie!« sagte Katharina lächelnd und weinend zugleich, indem sie zurücktrat und seine beiden Hände erfaßte, »aber Sie haben es mir schwer gemacht! Wollen Sie es nicht mehr tun, wollen Sie jetzt ganz, ganz – Bernhard!« rief sie aus und warf sich mit stürmischer Heftigkeit an seine Brust, in einer Bewegung, die nur durch einen Strom von Tränen sich Luft zu verschaffen wußte. »Ja, Sie müssen mich liebhaben, Sie sind mein alles, mein Blut, mein Herz, der Atem meiner Seele.«

      Bernhard faßte ein Schwindel an, als er ihre schlanke Gestalt, in seinen tiefsten Nerven erzitternd, an sich drückte. Das Blut pochte durch seine Adern, als wolle es an den Schläfen sie zersprengen. Sie lag wie ein willenloses, stammelndes Kind in seinen Armen und ließ ihn die ganze Seligkeit des Besitzes und all die stolze Freude fühlen, die wir empfinden, wenn zum erstenmal in wunderbarer Metamorphose die eigentliche Psyche des Weibes sich vor uns aus der gewohnten Hülle entpuppt und die ätherischen Flügel ihres Gefühls auseinanderschlägt. Was sie weiter gesprochen, gelispelt und gekost, ist nicht für uns gesprochen worden. Als sie endlich zum Schlosse hinaufgingen, erzählte Katharina Bernhard alle Umstände, die auf ihre Entdeckung Bezug hatten. Das Geständnis der alten Margret machte einen Eindruck auf ihn, der, wenn er nicht an diesem Abende gekommen, ihm kaum zu ertragen gewesen wäre; er war eben auf die Höhe des Daseins hinaufgehoben worden und mußte gleich darauf einen Blick in seine grauenhaftesten Tiefen werfen; das Leben schien sich um ihn aus seinen Angeln loszureißen und plötzlich, wie von einer ungeahnten Gewalt ergriffen, in tollen Wirbeln zu drehen; aber Katharina ließ ihm nicht Zeit, diesen Empfindungen nachzuhängen; sie schien ihm wie ein Engel darüber zu schweben, der ihm die rettende Hand reichte.

      Von den Bewohnern des Schlosses oben empfangen, wußte Katharina ihr Erscheinen so gut zu motivieren, als es gehen wollte, ohne Herrn und Frau von Kraneck ganz in das Geheimnis einzuweihen, das wohl entdeckt war, dem aber noch die eigentlichen Belege fehlten. Um diese zu bekommen, hoffte Katharina auf den Schutz des Kurfürsten und ein gerichtliches Verfahren. Bernhard hatte beschlossen, gegen den Prätendenten seines Namens eine summarischere Prozedur einzuleiten.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      In der Residenz war wieder der Abend einer glänzenden Fete gekommen. Auch der Kurfürst verherrlichte sie durch seine Anwesenheit. Aber obwohl sonst diese imposante Gestalt jedesmal eine ehrfurchtsvolle und aufmerksame Stille verbreitete und seine Umgebung die unverkennbarsten Zeichen zu geben sich bestrebte, daß sie mit dem Glanze seiner Erscheinung, dem tiefen Geiste seiner ernsthaften Bemerkungen und dem schlagenden Witze seiner Scherze viel zu sehr beschäftigt, entzückt, elektrisiert sei, um noch für etwas andres Sinn zu haben, so bemerkte Klemens August heute doch bald, daß eine außergewöhnliche Bewegung in der Gesellschaft herrsche.

      Eine starke Gruppe hatte sich ihm gegenüber am andern Ende des Saales gebildet. Damen und Herren, die im eifrigsten Gespräche sich um Herrn von Kraneck den jüngern, den Kammerherrn, drängten. Der Kurfürst erhob sich von seinem Fauteuil und, obwohl die schmeichelhafte französische Phrase, welche die ihm zur Seite sitzende verwitwete Erbküchenmeisterin sagte, ohne Zweifel sehr viel Wahres und Neues enthielt, konnte er sich doch nicht enthalten, ohne sie zu Ende zu hören, jene Gruppe zu vermehren. Unerhört! Nur die Nächsten nahmen im ersten Augenblicke die Durchlaucht wahr und traten zur Seite, die andern schwatzten fort, bis plötzlich die wohlbekannte tiefe, noch den Dialekt der bayrischen Heimat verratende Stimme des Fürsten ein augenblickliches Verstummen und Zusammenfahren bewirkte.

      »Nun, was habt's hier? Herr von Schemmey, Sie sind halt so übermäßig lustig, daß Sie gewiß irgendeine eklatante Niederlage erlitten haben!«

      Alles lachte, und Herr von Schemmey versetzte etwas, das man nicht recht verstehen konnte; Herr von Kraneck nahm darauf das Wort und berichtete, was schon den ganzen Abend die Gesellschaft so ungewöhnlich in Anspruch nehme. Er hatte einen Brief von seiner Mutter empfangen, mit der unbegreiflichsten, seltsamsten, alle Teilnehmenden betrübendsten und doch ergötzlichsten Nachricht von der Welt. Das eines schönen Morgens so rätselhaft verschwundene Stiftsfräulein von Plassenstein war eines schönen Abends wieder aufgetaucht auf dem Schlosse Hohenkraneck, wo niemand anfangs hatte ausdenken können, was sie da zu suchen habe. Dies aber war der Briefstellerin nur zu bald klar geworden; es war nichts andres als eine höchst unvernünftige, höchst gewissenlose, höchst strafbare Leidenschaft zu einem jungen Menschen, dem Sohne einer ehemaligen Gutsverwalterin, der mit seiner Mutter in einem Häuschen des Dorfes Kraneck wohne. Fräulein von Plassenstein war einem Roturier der untersten Klasse nachgelaufen!

      Obwohl die Umstehenden diese kuriose Nachricht sich jetzt schon zum zehntenmal bis in die genauesten Details, die Herr von Kraneck nur anzugeben vermochte, hatten vorerzählen lassen, so verfehlte sie doch nicht, noch einmal den größten Eindruck auf den СКАЧАТЬ