Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe - Levin Schücking страница 147

Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

isbn:

СКАЧАТЬ Frau von Averdonk entführt den Herrn Bender – höre Sie, Traud, mir steht der Verstand still ...«

      »Und der meine bekommt Flügel wie ein Falke dabei ...« fiel Traudchen Gymnich ein.

      »Aber da hätte ja die Frau von Averdonk zwei Männer zur Ehe genommen ... das heißt, sie hätte, wenn dieser Maler Stevenberg die Wahrheit angibt ... aber es ist ganz unglaublich, Traudchen!«

      »Unglaublich? Herr Professor« – rief das junge Mädchen in höchster Aufregung aus – »weshalb unglaublich? Wenn sie ein gutes Gewissen hätten, diese Leute, so würden sie nicht das Tageslicht scheuen und nicht heimlich bei nächtlicher Weile in einem alten, von keinem Menschen besuchten Hause zusammenkommen; noch weniger würden sie jemand, der sie belauscht, behandeln, wie sie Hubert Bender behandelt haben, und sich seiner bemächtigen, um ihn unschädlich zu machen, auf daß er ihre verbrecherischen Geheimnisse nicht verrät.«

      Der Professor wiegte nachdenklich das Haupt.

      »Um Gottes willen, woher hat Sie das Papier, Jungfer Traud? Sie hat es unter den Sachen des Herrn von Ripperda gefunden?«

      »Ich habe es gefunden«, versetzte das junge Mädchen.

      »Und Sie hat es ihm fortgenommen?«

      Jungfer Traud bejahte durch ein ruhiges Nicken des Kopfes.

      »Aber«, sagte der Professor ...

      Traudchen sah ihn so an, daß er seine Worte für sich behielt.

      »Wenn man Krieg führt, Krieg auf Tod und Leben, darf man seinem Feinde doch die Waffen nehmen!« sagte sie. »Sie ist in seinem Dienst ... Sie muß seine Sachen durchstöbert und durchkramt haben ...«

      Traudchen hörte gar nicht mehr auf diese Gewissensskrupel des alten Mannes. Sie war zu sehr von einem Gedanken beherrscht, zu ausschließlich mit aller Energie ihrer Seele einem Ziele hingegeben, als daß sie ein Organ für solche Bedenken gehabt hätte.

      »Es ist seltsam gefaßt«, sagte der Professor, indem er noch einmal die Schrift überflog. »Wie eine Rekommendation bei dem Bürgermeister sieht es aus ... weshalb der Kanonikus aber die ganze Lebensgeschichte dieses Ripperda hineingesetzt hat, und besonders daß er ihn getraut habe ... das ist auffallend, das begreife ich nicht.«

      »Welche Absicht er auch gehabt haben mag,« antwortete Traudchen, »so viel ist gewiß, diese Menschen sind dadurch in meine Hände gegeben, und ich werde mit ihnen ins Gericht gehen, und wehe ihnen, wenn sie an Hubert Bender so gefrevelt haben, daß es nicht mehr in ihrer Macht steht, es vollauf wieder gut zu machen!«

      »Traudchen, was will Sie tun?« fragte der Professor erschrocken. »Wenn Sie es durchaus wagen will, von diesem Papier da Gebrauch zu machen, so wende Sie sich im geheim an einen tüchtigen Advokaten. Lasse Sie den seine Maßregeln ergreifen.«

      »An einen Fremden?« erwiderte das junge Mädchen – – »nein, nein, einem Fremden gebe ich dieses Blatt nicht in die Hände. Er könnte es sich von den Leuten, welche es angeht, für eine große Summe Geldes abkaufen lassen! Die Versuchung ist zu groß. Nein – ich selbst muß handeln. Und bald, bald ... sonst wird es zu spät. Hubert Bender ist jetzt seit vielen Tagen fort, und es ist kein Lebenszeichen von ihm da – ich ertrage das nicht länger«, setzte sie halblaut hinzu und barg ihr Gesicht in beiden Händen.

      In diesem Augenblick wurde das Tête-à-tête des Professors mit seiner jungen Freundin unterbrochen. Die Frau Professorin kam eilig durch das Auditorium dahergeschritten und riß rasch die Tür auf.

      »Bracht,« rief sie mit einer hohen, eifernden Stimme, »wo steckst du? – Um Gottes willen, da sitzt der Mann und schwatzt und kümmert sich um die Welt nicht – und draußen auf der Gasse laufen bereits alle Leute zusammen.«

      »Die Leute werden schwerlich bemerken, daß ich unter ihnen fehle!« entgegnete Bracht, indem er sein gelehrtes Haupt ruhig seiner zürnenden Gattin zuwandte.

      »Nun seh' Sie, Traud,« eiferte die aufgeregte Dame weiter, »das sind so seine Redensarten, womit er einen zur Verzweiflung bringt – es ist nicht auszuhalten mit dem Mann! – Ei, so steh' doch auf und geh' hinaus und geh' aufs Rathaus und höre zu, was es denn eigentlich gibt. Sie sagen draußen, die Österreicher seien wieder von den Franzosen geschlagen und seien auf dem vollen Rückzuge von Jülich und Düren her, und zwischen hier und Düsseldorf gingen sie über den Rhein, und nun würden wir die Franzosen hier haben, vielleicht in dieser Nacht noch ... Gott steh' uns und allen Christenmenschen bei!«

      Bracht war aufgestanden und nahm seine schöne Pelzmütze mit dem Fuchsschwanz und sein spanisches Rohr. »Es wird so arg nicht sein,« sagte er, »wenn es auch arg genug sein wird. Ich will zum Rathause gehen. Sie geht wohl mit hinunter, Traudchen?«

      »Ja, ich gehe mit Ihnen«, sagte Traudchen und warf ihr Umschlagetuch um. Dann verließen sie beide das Haus. Auf der Straße, wo in der Tat eine ungewöhnliche Bewegung herrschte, ging das junge Mädchen schweigend neben dem Professor her. Dann bot sie ihm plötzlich eine gute Nacht, um in eine nach rechts sich abzweigende Straße einzubiegen.

      »Wohin will Sie, Traudchen?« fragte Bracht.

      »Nach dem Blankenheimer Hof.«

      »Nach dem Blankenheimer Hof?« fragte der Professor verwundert. »Doch nicht zu dem österreichischen General?«

      »Zum Grafen Baillot«, entgegnete Traudchen entschlossen und verschwand eiligen Schrittes in der dunkelnden Nebengasse.

      Bracht blickte ihr kopfschüttelnd nach; dann setzte er sorgenerfüllt seinen Weg fort.

      Der Professor fand die Hiobsposten seiner Gattin nur zu bald bestätigt; als er in die Nähe des Rathauses gelangte, begegneten ihm Bekannte, welche durch ihre Beziehungen zu den regierenden Herren der Stadt imstande waren, die genauesten Nachrichten zu geben, und es zu bekräftigen, daß die Österreicher unter Clairfayt, bei Aldenhoven zurückgedrängt, ihren Rückzug über den Rhein in der Gegend von Neuß nähmen. Aus den fernen Gassen schallte Trommelwirbel herüber, die österreichischen Marschtrommeln, die andeuteten, daß die Truppe, welche die Stadt trotz ihres Widerstrebens hatte als Besatzung aufnehmen müssen, im Abziehen begriffen sei. Die freie Reichsstadt hatte sich aus Leibeskräften gesträubt, sich von andern deutschen Truppen als von ihrer eigenen Soldmiliz beschützt zu sehen; dumpfe Gärung war durch die Reihen ihrer tapfern und ausgezeichneten Funken gegangen, als zum ersten Male nach dem Ausbruch des Krieges österreichische Korps in die Tore gerückt waren.

      Und jetzt – – wo diese Österreicher abzogen, wo eine unberechenbare, fremde, durch den Sieg trunken gemachte, von entfesselten Leidenschaften beherrschte Macht ihnen auf den Fuß zu treten drohte ... wie gern hätten da die ängstlich erregten, auf die kommenden Ereignisse voll Sorge gespannten Gemüter der auf ihre »Neutralität« so eifersüchtigen Bürger diese Österreicher zurückgehalten! Diese gutmütigen Österreicher, die sich so viel gefallen ließen, mit denen man um jedes Quartier, jede Ration, jede Gewährung sich gezankt und gefeilscht, bis man sie in kärglichem Maß den unvergleichlichen Truppen zugestanden ... den Truppen, welche, wenn sie einen ihrer würdigen Führer wie Clairfayt hatten, sich stets mit Ruhm bedeckten, die jetzt aber, wo alles sie verließ, das linke Rheinufer Deutschland nicht retten konnten.

      Die nach ihnen kamen, traten anders auf; denn sie kamen in der Tat; kamen schon am andern Tage. Schüchtern und demütig bot ihnen eine Abordnung des Magistrats, die ihnen eine halbe Stunde weit entgegen gegangen, die Schlüssel der freien deutschen Reichsstadt dar. Ein jugendlicher General, ein hochgewachsener schöner Mann mit anmutigen Bewegungen СКАЧАТЬ