Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe. Levin Schücking
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Название: Levin Schücking: Historische Romane, Heimatromane, Erzählungen & Briefe

Автор: Levin Schücking

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075838650

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СКАЧАТЬ Zeiten waren nun freilich vorüber. Aber die Sitten hatten sich gemildert, das Leben war erträglicher, vor Friedens- und Rechtsbruch gesicherter geworden; und mit welchen Gedanken und Vorstellungen auch diese stillen Gebirgstäler den Wanderer erfüllen, er wird gestehen müssen, daß sie eine großartige Natur vor ihm enthüllen; er wird diese waldigen Gebirge, diese alten Burgen, diese einsamen Flußtäler als ein bleibendes Bild in seine Seele aufnehmen; und wo er in den bevölkertern, mildern Teilen des Landes den emsigen Fleiß und die Betriebsamkeit des in seinen Eisenhämmern, seinen Steinbrüchen, seinen Drahtrollen oder auf seinen bergigen Äckern hart werkenden Volks wahrnimmt, wird er Respekt vor einem Menschenschlag bekommen, der es verstand, seinem eigenen Wesen treu zu bleiben und eine Art von derber Poesie an seinen Herd zu fesseln, an dem noch heute der Väter patriarchalische Sitte, die alten Traditionen und der Brauch der Vorzeit walten. Er wird einen Menschenschlag ehren, der mit seinem hohen Wuchs und seinen breiten Schultern die echten blonden Söhne der alten Marsen oder Sigambrer darstellt, welche in diesen Waldschluchten den Gedanken der römischen Weltherrschaft verhöhnten und mit ihren Fäusten die Adler der Cäsaren zerbrachen; die Söhne jener Sachsen, deren harte Schädel man mit dem Schwerte taufen mußte, ehe die Sonne des fränkischen Christentums wie aus einem Meer von Blut über diese Welt aufging. – –

      Schloß Ruppenstein, wie wir sagten, lag, eine ziemlich ausgedehnte Tallandschaft beherrschend, auf der mittlern Höhe einer sanft ansteigenden Bergwand; einst bloß eine wehrfeste Burg, war es durch allmählichen Ausbau einzelner Flügel zu etwas geworden, was einen mehr schloßartigen Charakter trug. Doch waren seine hohen Ringmauern hinter trockenen, in das feste Berggestein gehauenen Gräben aufrecht erhalten, und ein mächtiger Torbau mit gewölbtem Durchgang und einem praktikabeln Fallgitter verteidigte es. Hinter dem Fallgitter rechts war in diesem Vorbau der Eingang in ein Wachtlokal, welches der gräflich Ruppensteinsche graue Grenadier mit dem Qualm seines fürchterlich schlechten Tabaks und dem Lärm über seine noch schlechtern Spaße füllte. Der Hof, in welchen man gelangte, wenn man an der Wache vorübergekommen war und sich zur Zufriedenheit des kommandierenden Unteroffiziers über Stand, Namen und Absicht des Kommens ausgewiesen, war von einem großen, altersgrauen, sehr hohen Gebäude im Hintergrunde abgeschlossen, das unten noch spitzbogige Fenster zeigte und auch ein breites Eingangsportal mit einer Spitzbogentür hatte. Über diesem letztern zeigten sich mächtige Wappenschilder mit zahlreichen Quartieren, in denen mehrfach der auf die Abstammung von dem Sachsenherzog Wittekind und den alten Grafen im Westfalenlande zu Werl und Altena beutende Silberadler zu sehen war. Zur Rechten dieses, den Kernpunkt der ganzen Gruppe von Gebäulichkeiten bildenden massiven Schloßbaues, der mit seiner Wucht, seinen starken Quadern, seinen breiten und schwerfälligen Verhältnissen für eine Persönlichkeit wie Philipp III. wie geschaffen schien, erhob sich, halb verdeckt von einer mächtigen, uralten Linde, ein zierlicher, schlank aufstrebender Bau in gotischem Stil, die Schloßkapelle. Gebäulichkeiten für Dienstleute und zur Unterbringung des Hofpersonals füllten die übrige rechte Seite des Hofes aus. Zur Linken dagegen zog sich von dem Hauptbau bis an das Ende der linken Seite des Hofs ein ziemlich langer, im blühendsten Rokokostile erbauter Flügel von zwei Stockwerken und mit einer Reihe Mansardenfenster versehen. Da, wo dieser Flügel an den alten Haupt- oder sogenannten »Wiprechtsbau« anstieß, zeigte sich ein gewölbter Durchgang, der auf einen zweiten, von Remisen, Pferde- und Hundeställen gebildeten Hof führte. Aus dieser Gegend der Schloßgebäude pflegte zu den verschiedensten Tageszeiten ein überaus mißtönendes Geheul herüberzuschallen, das namentlich gegen die mittäglichen und abendlichen Fütterungsstunden ganz entsetzlich wurde; es waren Serenissimi Koppelhunde, Solofänger, Teckel und Windspiele, die so für die einzige Musik sorgten, welche innerhalb der Mauern von Schloß Ruppenstein Übung und der Herrschaft geneigtes Gehör fand. Im vordern Hofe pflegte an sonnigen Tagen als Zeremonienmeister und angenehmer Bewillkommner der Fremden, namentlich der schüchtern mit Bitten und Klagen nahenden Untertanen, ein großer alter Bär umherzuspazieren, dem zwar Zähne und Krallen genommen waren, der aber darum nicht minder ganz entsetzlich zornig grunzte, wenn er irgendeinen verwegenen Sterblichen, der ihm nicht als hoffähig bekannt war, sein Gebiet betreten sah.

      In einem Gemache dieses alten ehrwürdigen Väterschlosses ist seit einigen Tagen Herr von Rippersa als seiner Dienstwohnung installiert.

      Was Traudchen Gymnich im vorigen Kapitel dem Professor Bracht erzählt hatte, daß Herr von Ripperda sich vor den anrückenden Franzosen eiligst geflüchtet, war völlig richtig gewesen. Ein paar lakonische Zeilen ohne Unterschrift von Gebhardens Hand hatten ihm zwei Tage vorher gesagt, daß sie sein Verlangen erfüllt habe, daß er kommen dürfe. Sein Wunsch ist jetzt erfüllt: er ist in den Dienst des Grafen von Ruppenstein aufgenommen. Das Gehalt, welches dem neuen Jägermeister ausgeworfen, ist freilich außerordentlich klein; aber Herr von Ripperda hat eine Wohnung im fürstlichen Schlosse, die Annehmlichkeiten einer guten Tafel, die er nach ihrem ganzen Umfange zu schätzen weiß, eine ihm zusagende Beschäftigung, und die Ehre, einem Herrn zu dienen, unter dessen landesväterlicher Obhut und Fürsorge das edle Weidwerk blüht wie kein anderer Zweig des öffentlichen Dienstes im Lande Ruppenstein.

      Eines Tages, als er von einer Streiferei heimkehrend durch die Hauptstraße des Städtleins schritt, erblickte er einen jungen Mann, in die graue gräfliche Montur steif eingeknöpft, auf der Bank vor einem sehr bescheiden aussehenden Bürgerhause sitzend – und diese Gestalt mußte ihm wie die eines Bekannten erscheinen oder sonst eine anziehende Kraft auf ihn üben, denn er lenkte plötzlich von seinem Wege ab, schlenderte lässig, die Hände aus dem Rücken, darauf zu und ließ sich dann ohne Gruß und schweigend neben derselben nieder.

      Der junge Mann blickte erstaunt zu dem Jägermeister auf und fixierte ihn mit Blicken, in welchen nichts weniger als der Ausdruck einer freudigen Überraschung lag, diesem schmarrenentstellten Gesicht mit der schwarzen Binde über dem Auge wieder zu begegnen.

      »Wenn mir recht ist, so müssen wir uns kennen, mein lieber junger Mann«, begann Ripperda.

      »Allerdings,« versetzte der andere – »es ist nicht das erstemal, daß wir uns begegnen, und Leute, welche aussehen wie Sie, vergißt man so leicht nicht wieder ...«

      »Es ist sehr freundlich von Ihnen, mir dies zu versichern – und um so mehr, als es sonst der Lauf der Welt ist, diejenigen zu vergessen, gegen welche wir eine gewisse Pflicht der Dankbarkeit haben, weil sie freudig eine Gelegenheit ergriffen, uns zu verpflichten ...«

      »Sie werden doch nicht andeuten wollen, daß Sie – Sie mich jemals in meinem Leben verpflichtet hätten?« rief Hubert überrascht aus.

      »Nun – ich meine denn doch – und zwar in nicht ganz gewöhnlichem Maße, mein junger Freund. Brauche ich Sie daran zu erinnern – an jenem Abend in Köln, wo Sie den beklagenswerten Unfall hatten –«

      Hubert Bender unterbrach den Redenden, indem er ausrief: »Ja, Ihnen dank' ich's, wenn ich hier endlich in die Gewalt des tollen Philipp geraten bin – unter sein Militär gesteckt, zu seinem Feldscherer und etatsmäßigen Quacksalber gepreßt – als Studenten der Medizin hat er geruht, mich dazu zu bestellen, was ich noch als eine große Gnade betrachten soll – Ihnen, mein Herr ...«

      »Von Ripperda, wenn Sie erlauben.«

      »Ihnen dank' ich's ... und es kann mir nur sehr angenehm sein, Sie endlich hier vor mir zu sehen, ich weiß jetzt, wo ich mir Genugtuung holen kann für alles das, was man sich gegen mich erlaubt hat! Wenn ich auch für den Augenblick und bis es mir gelungen ist, diesen Sklavenrock abzustreifen, kein würdiger Gegner für den Herrn von Ripperda bin, so kommt doch die Stunde, wo Sie mir, dem Studenten Bender, schon die Ehre erweisen werden, einige Kugeln mit mir zu wechseln – ich habe Mittel, Sie dazu zu zwingen.«

      »Und welche sind dies, wenn ich fragen darf?«

      »Sie sind sehr einfach. Ich habe in Köln mit meinen eigenen Ohren vernommen, daß Sie ein anderer sind, als wofür Sie sich ausgeben ... daß Sie sich scheuen, von den Leuten hier wiedererkannt zu werden, namentlich von einem Herrn von СКАЧАТЬ