Im Alten Reich. Ricarda Huch
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Название: Im Alten Reich

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 4064066388843

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СКАЧАТЬ vorüber, an einem Portal der Peterskirche sieht man geheimnisvolle Gesichter, Madonnen voll unnahbarer Hoheit schmücken die Altäre der Marienkirche. Dieser herrliche Bau mußte der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zum Vorbild dienen; aber wohl keiner, der vor einer von beiden steht, denkt an die andere.

Stadtwappen

      Wetzlar

       Inhaltsverzeichnis

      Seit dem Jahre 1495 waltete das Reichskammergericht in Speier, das bestimmt war, auf dem Wege gerichtlichen Prozesses zu schlichten, was bis dahin mit dem Schwerte ausgemacht wurde. Nicht mehr heftete der Ritter, dessen Knecht eine Stadt abgefangen und in den Turm gelegt hatte, den Fehdebrief an ihre Tore; die Reichsstände, die beide auf das gleiche Gebiet Erbansprüche zu haben behaupteten, überzogen sich nicht mehr mit Krieg, sondern warteten auf die Entscheidung des Kammergerichts, meist sehr lange. Als die französischen Raubkriege am Ende des 17. Jahrhunderts die Pfalz bedrohten und schließlich verwüsteten, sah sich das erschreckte Reichskammergericht nach einer anderen Stätte um, wo es sich niederlassen könnte, und wo es gesicherter wäre. Es eignete sich dazu nur eine Reichsstadt, und zwar eine von Frankreichs Grenze hinreichend entfernte; man wies daraufhin, daß im 15.Jahrhundert, als man Speier bezog, Lothringen, Elsaß, die Freigrafschaft und sogar das Erzbistum Besançon, damals Bisonz, noch zum Reich gehörten und die Pfalz deckten. Die Städte, an welche man zunächst dachte, verlockte die Aussicht, das Kammergericht zu beherbergen, durchaus nicht; denn sie fürchteten die Einmischung der hochgeborenen Herren, die demselben vorstanden, in ihr Regiment. Frankfurt, Schweinfurt, Augsburg, Memmingen widersetzten sich nachdrücklichst; in Mühlhausen in Thüringen und Dinkelsbühl war die Bürgerschaft dem Plane geneigt, nicht aber der Rat. In Friedberg und Wetzlar lagen die Dinge anders; da war kein hochmütiges Patriziat, auf nichts als auf seine Alleinherrschaft bedacht, da bestand der Rat aus kleinen Kaufleuten und Handwerkern, welche froh waren, durch den Zuzug vieler wohlhabender Familien ihre Einnahmequellen zu vermehren. Die verschiedenen Kommissionen, welche Wetzlar in Augenschein nahmen, stellten fest, daß die Bürgerschaft 400 Mann stark sei, worunter nicht über 20 Katholiken wären; die Nahrung der Bürger sei Ackerbau, Viehzucht und Tabaksbau, das übliche Getränk Bier, Wein werde wenig getrunken. Sie lobten Luft und Wasser als gesund, die wohlfeilen Preise und die Obst- und Gemüsegärten, welche die Stadt umgäben, auch drei Apotheken und 2 Ärzte gebe es. Dagegen wären die Häuser mit Stecken geflochten und mit Lehm übertüncht, meist mit Stroh gedeckt und ohne Brandmauern, was Feuersgefahr bedeute, und das Wasser müßte bei Feuersbrünsten von der Lahn heraufgeschafft werden. Nur wenige Häuser wären aus Stein oder hätten steinernes Erdgeschoß, auch hätten sie nicht einmal rechte Küchen und gemauerte Schornsteine. Da die meisten Zimmer der Erdgeschosse zu ebener Erde wären, herrsche Feuchtigkeit und wegen der Pferde, Rinder und Schweine, die die meisten Bürger hielten, übler Geruch. Die Straßen wären teils gar nicht, teils schlecht gepflastert und sehr unflätig. Es sei ferner keine Post vorhanden, die Briefe müßten zur Beförderung nach Gießen getragen werden, mit der Kaufmannschaft sehe es schlecht aus, es mangle an geschickten Handwerkern und an allerlei Gewerbe. Die Schulen wären so schlecht, daß man die Kinder schon im zarten Alter auf auswärtige Schulen würde schicken müssen. Die Stadt liege an einem Abhang, so daß das Fahren in Kutschen beschwerlich und bei Schnee und Glatteis auch das Gehen für nicht wohlgeübte Fußgänger gefährlich sein würde. Kurz, Wetzlar sei, obwohl eine Reichsstadt, so gar unansehnlich, daß das Kammergericht ohne Verminderung der ihm gebührenden Achtung und selbst ohne Nachteil der Hoheit des Heiligen Römischen Reichs darin nicht wohnen könne. Niemand erwähnte die liebliche Lage der hügelumgebenen Stadt, die uns so anzieht; ein Kammergerichts-Prokurator schilderte Wetzlar »als einen bergigten, nahe an einem unfreundlichen Himmel gelegenen Ort, als einen nicht durch den Geist ihrer Bürger, sondern durch die Beschaffenheit eins von der Natur stiefmütterlich behandelten Bodens fast unwirtlichen Aufenthalt, des verjagten höchsten Reichsgerichts letztes Los und rauher Wohnsitz«.

      Es scheint indessen, daß diese schonungslosen Urteile etwas übertrieben und von Katholiken ausgegangen waren, die ein Mißfallen an der wesentlich protestantischen Richtung der Stadt hatten; denn als der Stadtrat sich bereit erklärte, den Franziskanern mehr Platz anzuweisen, ihnen das Almosensammeln zu gestatten, öffentliche Prozessionen in wie vor der Stadt zu erlauben, ja sogar die Jesuiten aufzunehmen, milderte sich der Widerstand sichtlich, und als der beflissene Magistrat außerdem noch Abschaffung der Strohdächer und Reinhaltung der Straßen und Plätze versprach, kam es zur Einigung. Eine dringende Einladung von seiten Dinkelsbühls hatte keine andere Folge als einen Wechsel von Schmähschriften zwischen den beiden Städten.

      Im Jahre 1693 konnte das Kammergericht in Wetzlar feierlich eröffnet werden, wobei der Erzbischof von Trier vom Thron herab eine Rede hielt. Anstatt jedoch die Streitigkeiten anderer zu entwirren, gerieten die Herren untereinander in schwere Mißhelligkeiten, die durch die Willkür und den Hochmut des älteren Präsidenten, Freiherrn von Ingelheim, genährt wurden. Es bildeten sich zwei Parteien, deren Mittelpunkt auf der einen Seite Ingelheim, auf der anderen der jüngere Präsident Reichsgraf von Golms-Laubach war. Während Ingelheim beschuldigt wurde, den Lauf der Gerechtigkeit zu hindern, klagte Graf von Wartenberg, ein Anhänger des Ingelheim, den Grafen Solms der Parteilichkeit an. Ingelheim drohte einem Herrn von Pyrk den Degen in den Leib zu stoßen und Nytz ging so weit zu erklären, daß Pyrk von seiner Hand sterben müsse, sei es auch in der Kirche. Kam es dazu auch nicht, so beschlagnahmte doch die Ingelheimsche Partei die Besoldung des besonders verhaßten Pyrk. Dieser scheint allerdings ein sehr bissiger, dabei nicht unwitziger Mann gewesen zu sein; er ließ das kaiserliche Reskript, das zu seinen Gunsten sprach, drucken und setzte ihm als Motto den Vers aus den Psalmen vor: »Große Farren haben mich umgeben, fette Ochsen haben mich umringt, ihre Rachen sperren sie auf wider mich wie ein reißender und brüllender Löwe.« Er nannte ferner den Kammergerichts-Prokurator Flender, der zur Ingelheimschen Partei gehörte, vor Zeugen einen Schelmen und galgenwürdigen Gaudieb. Schelm und Dieb waren offenbar die damals unter Kavalieren üblichen Schimpfworte. Flender schob die von Pyrk gegen ihn ausgestoßenen Beschimpfungen zurück und erklärte, ihn so lange für einen galgenwürdigen Schelmen halten zu wollen, bis Pyrk entweder ihm ein galgenmäßiges Schelmenstück nachweise oder die ausgestoßene Beleidigung widerrufe. Pyrk unterließ beides. Inzwischen war vollständiger Gerichtsstillstand eingetreten, und die ruhigen Elemente verlangten nach einer außerordentlichen Visitation, die der Sache ein Ende mache.

      Es begab sich um diese Zeit, daß ein marktschreierischer Zahnarzt mit einer Truppe von Gauklern und Seiltänzern nach Wetzlar kam und seine Bühne auf dem Marktplatz, dem alten Rathause gegenüber, aufschlug, welches der entgegenkommende Rat dem Kammergericht abgetreten hatte. Die Gaukler führten eine Posse auf, worin als Hauptperson ein Richter figurierte, der, feierlich mit dem Szepter in der Hand, auftrat, um einen Prozeß zu führen, aber der Bestechung zugänglich war und zuletzt offener Verhöhnung anheimfiel, indem der Hanswurst die Kleider mit ihm tauschte und sich statt seiner auf den Richterstuhl setzte. Graf Solms-Laubach, der als Biedermann geschildert wird, sah die Posse für eine heillose Satire an, die das Kammergericht verspotte, und beschuldigte den älteren Präsidenten, Freiherrn von Ingelheim, der Aufführung mir Wohlgefallen zugesehen und sogar die Gaukler beschenkt zu haben. Mit Hilfe des Kaisers setzte er durch, daß der Schauspieldirektor und Zahnarzt, es war Joh. Eisenbart, seine Bühne vor dem Rathause abbrechen und an einer anderen Stelle aufrichten mußte.

      Inzwischen hatte Herr von Pyrk verschiedene Streitschriften drucken lassen mit langen Titeln, von denen der eine anfing »Gedämpftes Ehrengift«, der andere »Pyrkisches Echo oder Widerschall, d. i. abgedrungene Retorsion und Ehrenrettung«; er erklärte in der letzteren die ganze Ingelheimsche Partei für galgenmäßige Schelme. Die Kammergerichts-Visitation, die endlich in Wetzlar eintraf, verlangte zuerst von allen, die einander beschimpft hatten, die Beschimpfungen zu beweisen; das veranlaßte neue Schriften, über deren Verfassen und Drucken wieder lange Zeit hinging. Die Untersuchung schloß damit, daß Ingelheim und Nytz freigesprochen СКАЧАТЬ