Im Alten Reich. Ricarda Huch
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Название: Im Alten Reich

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 4064066388843

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СКАЧАТЬ Erbsieder hießen. Mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts war die ursprünglich königliche Quelle ganz im Besitz der Erbsieder. Sie bildeten den reichsten und vornehmsten Teil der Bürgerschaft, aus deren Mitte der Rat besetzt wurde.

      Jetzt ist die Haal, der Platz, wo die Quelle gefaßt ist, verödet. Mit Eröffnung des Steinsalzwerks Wilhelmsglück wurde die alte Quelle von Hall, die der König von Württemberg durch Ankauf sämtlicher Aktien erworben hatte, aufgegeben und wird seitdem nur noch zu Solbädern benutzt. Das in gutem Geschmack erbaute Solbad liegt auf der baumbeschatteten Insel Unterwöhrd, die durch Stege und Brücken mit den verschiedenen Stadtteilen verbunden ist. Diese Brücken mit ihren Türmen, ihrem Holzdach, die Ufermauern, die Gebüsche, die kleinen, zutraulich übers Wasser geneigten Giebelhäuser setzen sich bei jeder Wendung zu neuen, unaussprechlich anziehenden Bildern zusammen. Das unerschöpfliche Durcheinanderspielen der Linien wirkt so, als wären die Winkel und Plätze und Häusergruppen weniger zur Benutzung als zur Lust eines müßigen Riesenkindes hingestellt, das sich mit wunderlichen Bausteinen die Zeit vertreibe. Von bösartig lauernden und furchtsam zusammengeschrumpften Häusern umringt steht der Malefizturm da; hier hauste vielleicht der Henker mit Folterzeug und Schwert, und aus diesen verwegenen Schornsteinen konnte man vielleicht nachts auf ihren Besen die blanken Hexen fahren sehen. An das Badtörlein beim Josenturm duckt sich ein kleines gequetschtes Haus mit einem spitzen Hut, wie ein Zauberer ihn tragen möchte; im Süden der Stadt unweit des malerisch reizvollen Weilertores erstreckt sich ein Stück Stadtmauer neben dem Henkersturm. Hier ist es, fern von den Lichtern und der Bewegung der Stadt, wenn der Abend fällt, feucht, einsam und schaurig; aber selbst die Stätten düsterster Erinnerung sind durch den Genius des Ortes ins Märchenhafte, oft Drollige gerückt. Überaus anheimelnd sind die spielzeughaften Häuser, die am Rosenbühel behutsam zum gewaltigen Neuen Bau hinaufklettern. Gemütlich und doch zugleich, seiner Bedeutung gemäß, eine Hoheit darstellend, empfängt uns die Mitte der Stadt, der Markt. Vom stillen Haalplatz durch die Haalstraße hinaufsteigend, kommt man zur Rückseite des Rathauses, an dessen Seiten Treppen zum Marktplatz hinaufführen. Dieser erste Aufstieg ist Vorbereitung eines zweiten: zur Michaeliskirche, die den Markt bekrönt, leitet eine breitausladende Freitreppe, die in den wesentlich mittelalterlichen Platz ein neues festliches Raumgefühl glücklich einführt. Auf beiden Seiten begrenzen ihn herrschaftliche Giebelhäuser, der Kirche gegenüber schließt ihn das Rathaus ab, das nach dem großen Brande von 1728 errichtet wurde, ein Barockbau von heiterer Pracht, der Umgebung angemessen mehr anmutig als imposant. Reizend belebt den Platz ein großer rechteckiger Brunnen, dessen Rückseite geschmückt ist durch drei Heroengestalten unter gotischem Baldachin: Simson mit dem Löwen, Sankt Michael mit dem Drachen und Sankt Georg mit dem Lindwurm. Das wehrhafte Mittelalter hatte eine Vorliebe für die kämpfenden Göttersöhne, Vorbilder des Kampfes gegen die Heiden sowohl wie gegen das Böse. Ein schmiedeeisernes Gitter mit kunstvollen Verschlingungen faßt den Brunnen ein, zu dem rechts der Pranger hinzutritt, ein hübsches Bauglied und zugleich ein Instrument der Justiz. Aus der Mitte des Brunnens speit ein abenteuerliches, steinernes Ungetüm Wasser.

      Dies schöne Reich beherrscht die Michaeliskirche. Da alle Salzquellen in der heidnischen Zeit als heilig galten, kann man annehmen, daß auch in Hall schon in Urzeiten ein Gott verehrt wurde, vielleicht Wodan, den gewöhnlich der Erzengel Michael verdrängte. Im Jahre 1156 wurde die Kirche durch den Bischof von Würzburg geweiht in Anwesenheit eines Sohnes Friedrich Barbarossas, des zwölfjährigen Herzogs Friedrich von Rothenburg, der in jungen Jahren vor Rom an der Pest starb. Diese romanische Kirche wurde im Jahre 1427 als zu klein abgebrochen, die neue war erst hundert Jahre später vollendet. Von der alten sind nur die vier unteren Stockwerke des Turms übriggeblieben und die Vorhalle. Auf einer Konsole an der Mittelsäule, die sie stützt, steht im langen Gewande ein schöner Dämon, der Erzengel Michael, der das Schwert gegen den sich aufbäumenden Drachen richtet. Seine hochaufgestellten Flügel gleichen zornigen Flammen; seine Gestalt sowie die dunkle Vorhalle überhaupt hat etwas altertümlich Geheimnisvolles. Anders ist der Eindruck des Inneren: licht, leicht, majestätisch, die Seele zu befreiendem Aufschwung emporhebend. Die beiden mit dem Mittelschiff gleichhohen Seitenschiffe setzen sich in einem Kapellenkranz um den Chor fort, der länger als das Schiff und um mehrere Stufen über dasselbe erhöht ist. Es ist von großer Wirkung, daß der Blick inmitten der Kirche noch höher hinauf und tiefer ins Weite geführt wird. Der Reichtum an Altären, Grabdenkmälern und allem sonstigen Zubehör gibt dem Raum die sinnliche Fülle und das Wohnliche. In einer Seitenkapelle befindet sich ein heiliges Grab, das dem von Gmünd verwandt ist; der göttliche Leichnam ist hier bewegter und schöner, aber weniger feierlich. Herrlich ist das Triumphkreuz über dem Hochaltar mit dem überlebensgroßen Christus, einem Werk des Ulmer Meisters Michael Ehrhardt. Zwischen der Menge geschnitzter Altäre und heiliger Bilder blickt überraschend von der Nordwand des Mittelschiffs das Porträt einer vornehmen jungen Dame in die Kirche, auf dem schön geformten Antlitz ein spöttisch überlegenes, herablassendes und doch anmutig liebenswürdiges Lächeln. Sie stammt der Umschrift nach aus dem Geschlecht der Bonhöffer, die als Goldschmiede aus Holland einwanderten und im 17. und 18. Jahrhundert zu hohen Stellungen gelangten.

      Vor der Kirche wurde einst auf ummauertem Platze unter einer Linde das alte Gaugericht gehalten, und noch im Jahre 1462 wird ein »freyheimlich Gericht« dort erwähnt. Im Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die Linde gefällt und die Mauer abgetragen. Als ein Überbleibsel des königlichen Gerichts ist auch das Kampfgericht anzusehen, eine sehr altertümliche Einrichtung, die noch lange in Hall bestanden hat. Ritter, die keinen ordentlichen Richter finden konnten, durften in Hall miteinander kämpfen, bis der Sturz des einen dem andern erlaubte, das Gottestodesurteil auszuführen.

      War Hall durch sein Salz in vieler Leute Munde, so kam es durch seine Münze in vieler Leute Hand. Die dort geprägten Haller oder Häller waren so verbreitet, daß der Name noch jetzt als Bezeichnung für eine kleine Münze verständlich ist. Das besonders feine Gepräge der Häller war vielleicht die Ursache, daß sie sosehr in Aufnahme kamen. Sie zeigten auf einer Seite das Kreuz, auf der anderen eine Hand, das Symbol der Macht, entweder auf Gott oder, wahrscheinlicher, auf den Kaiser deutend; später blieb eine Seite leer und Kreuz und Hand nebst Reichsadler füllten die andere. Nach einer Bestimmung Kaiser Wenzels durfte dies Gepräge nur in Augsburg, Nürnberg, Köln und Hall geschlagen werden. Von demselben Kaiser, der sich eine Zeitlang städtefreundlich zeigte, erwarb Hall das Münzrecht, das eigentlich ein kaiserliches Hoheitsrecht war, auf ewige Zeiten für sich. Unter den Münzmeistern, die eine hochangesehene Stellung einnahmen, fällt der Name Martin Lerch auf, der später nach Regensburg kam und dort, weil er im Zorn einen Knecht erschlagen hatte, das große Kruzifix im Vorhof von St. Emmeram stiftete.

      Kreuz, Hand und Reichsadler gingen in das Wappen der Stadt über, dessen Farbe rot und gelb war, das Rot und Gold, das mit Schwarz verbunden zur Zeit der Freiheitskriege die Farbe des frei und einig zu erneuernden Reiches wurde. Die Haller rühmten sich nämlich des Rechts, den sogenannten Verlorenen Haufen zu stellen, der im Vordertreffen war und eine rotgelbe Fahne führte; von anderer Seite wird behauptet, diese Fahne sei keine andere als die Sturmfahne gewesen, die die Schwaben seit alters dem Reichsheer vorantragen durften.

      Unter Friedrich I. wurde Hall eine Stadt, indem es Markt und Mauern erhielt, und es war infolgedessen gut staufisch. War auch Barbarossa selbst nie in Hall, so doch sein Sohn Heinrich VI. als Reichsverweser, der hier den neuen Herzog von Brabant belehnte, ferner Philipp von Schwaben, fünfmal Heinrich VII., der unglückliche Sohn Friedrichs II., und sechsmal Konrad IV. Die Haller gingen in der Hohenstaufentreue so weit, daß sie, weil sie Friedrich II. Zuzug leisteten, vom Papste mit dem Bann belegt wurden, und daß Prediger in Hall auftreten durften, die, nachdem durch Glockengeläut das Volk zusammengerufen war, auf dem Markte verkündeten, der Papst, die Bischöfe, Prälaten und Priester wären Ketzer, weil sie in Laster und Todsünde lebten, die Franziskaner und Dominikaner wären Irrlehrer, nur sie selbst sagten die Wahrheit, und wenn sie nicht gekommen wären, würde Gott die Steine haben reden lassen, damit der wahre Glauben nicht verlorengehe. Kaiser Friedrich und sein Sohn wären vollkommen und gerecht.

      Niemals hat irgendein Kaiser grundsätzlich und dauernd die Städte begünstigt; wenn die Staufer einen Stand bevorzugten, so waren es die Ritter, deren Hilfe sie zu ihren Feldzügen benötigten, СКАЧАТЬ