Die Jahre. Virginia Woolf
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Название: Die Jahre

Автор: Virginia Woolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788726643015

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СКАЧАТЬ wenn es nach dir ginge«, fügte sie mit einem kleinen Seufzer hinzu.

      Eleanor rückte im Sessel. Sie hatte ihre Träume, ihre Pläne, selbstverständlich; aber sie wollte sie nicht besprechen.

      »Vielleicht wirst du’s tun, wenn du verheiratet bist?« meinte Milly. Es war etwas Mürrisches und doch Klägliches in ihrem Ton. Die Abendgesellschaft; die Abendgesellschaft bei den Burkes, dachte Eleanor. Sie wünschte, Milly würde das Gespräch nicht immer aufs Heiraten wenden. Und was wissen sie vom Heiraten? fragte sie sich. Sie bleiben zuviel zu Hause, dachte sie; siesehn niemals jemand außerhalb ihres eignen Kreises. Hier hocken sie im Pferch – tagaus, tagein ... Darum hatte sie gesagt: »Die Armen genießen das Leben mehr als unsereins.« Es war ihr eingefallen, als sie zurückkam in dieses Wohnzimmer mit allen den Möbeln und den Blumen und den Krankenpflegerinnen ... Wieder unterbrach sie sich. Sie mußte warten, bis sie allein wäre – bis sie sich abends die Zähne putzte. Wenn sie mit den andern beisammen war, mußte sie sich davon zurückhalten, an zwei Dinge zugleich zu denken. Sie nahm das Schüreisen und schlug auf die Kohlen.

      »Schau! Wie schön!« rief sie aus. Eine Flamme tanzte auf den Kohlen, ein leichtfüßiges, nichtsnutziges Flämmchen. Es war so eine Flamme, wie sie sie als Kinder hervorzurufen pflegten, indem sie Salz aufs Feuer streuten. Abermals schlug sie auf die Kohlen, und ein Schauer goldäugiger Funken stob prasselnd in den Rauchfang auf. »Erinnerst du dich«, sagte sie, »wie wir Feuerwehr spielten und Morris und ich den Rauchfang in Brand setzten?«

      »Und Pippy lief und holte Papa«, sagte Milly. Sie hielt inne. Geräusche wurden aus der Halle hörbar. Ein Stock scharrte; jemand hängte einen Mantel auf. Eleanors Augen erhellten sich. Das war Morris – ja; sie erkannte ihn an den Geräuschen. Nun kam er herein. Sie sah sich lächelnd um, als die Tür aufging. Milly sprang auf.

      Morris versuchte, sie zurückzuhalten. »Geh nicht – « begann er.

      »Doch!« rief sie. »Ich werd’ gehn und ein Bad nehmen«, fügte sie, einem plötzlichen Einfall folgend, hinzu. Sie verließ die beiden.

      Morris setzte sich auf den Sessel, von dem sie aufgestanden war. Er war froh, mit Eleanor allein zu bleiben. Für einen Augenblick sprach keins. Sie betrachteten die gelbe Rauchfahne und die kleine Flamme, die leichtfüßig und nichtsnutzig, bald da, bald dort, auf dem schwarzen Vorgebirge von Kohlen tanzte. Dann stellte er die übliche Frage:

      »Wie geht’s Mama?«

      Sie sagte es ihm; keine Veränderung, »nur, daß sie öfter schläft«, sagte sie. Er runzelte die Stirn. Er verliert sein knabenhaftes Aussehn, dachte Eleanor. Das sei das Schlimme am Barreau, so sagten alle; man müsse warten. Er machte den Neger für Sanders Curry; und es war eine trübselige Arbeit, bei der man den ganzen Tag in den Gerichtshöfen herumwarten mußte.

      »Was macht der alte Curry?« fragte sie; der alte Curry hatte seine Launen.

      »Ein bißchen gallig«, sagte Morris grimmig.

      »Und was hast du den ganzen Tag getan?« fragte sie.

      »Nichts Besonderes«, antwortete er.

      »Noch immer Evans contra Carter?«

      »Ja«, sagte er kurz.

      »Und wer wird gewinnen?« fragte sie.

      »Carter natürlich«, erwiderte er.

      Warum »natürlich«? wollte sie fragen. Aber erst neulich hatte sie etwas Dummes gesagt, etwas, das zeigte, daß sie nicht aufgepaßt hatte. Sie brachte Sachen durcheinander; zum Beispiel, was war der Unterschied zwischen gemeinem Recht und der andern Art von Recht? Also fragte sie nicht. Sie saßen schweigend und sahn zu, wie die Flamme über die Kohlen tanzte. Es war eine grüne Flamme, leichtfüßig, nichtsnutzig.

      »Was glaubst du, war ich ein schrecklicher Narr?« fragte er plötzlich. »Mit dieser Krankheit jetzt und dem, was Edward und Martin kosten, – Papa muß es doch ein wenig schwerfallen.« Er runzelte die Stirn auf die Art, die sie veranlaßt hatte, sich zu sagen, daß er sein knabenhaftes Aussehn verliere.

      »Selbstverständlich nicht«, sagte sie mit Nachdruck. Selbstverständlich wäre es widersinnig gewesen, wenn er Kaufmann geworden wäre; bei seiner Leidenschaft für die Juristerei!

      »Du wirst noch Lordkanzler werden eines schönen Tags«, sagte sie. »Ich bin überzeugt davon«. Er schüttelte lächelnd den Kopf.

      »Ganz überzeugt«, sagte sie und sah ihn an, wie sie ihn angesehn hatte, wenn er zu den Ferien heimgekommen war und Edward alle Preise gewonnen hatte und er stumm dasaß – sie konnte ihn jetzt noch vor sich sehn – und sein Essen herunterschlang und niemand ihn viel beachtete. Aber noch während sie ihn ansah, überkamen sie Zweifel. Lordkanzler hatte sie gesagt. Hätte sie nicht Lord-Oberrichter sagen sollen? Sie konnte die beiden nie unterscheiden; und das war auch ein Grund, daß er nicht über Evans contra Carter mit ihr sprechen wollte.

      Sie hinwieder erzählte ihm nie von den Levys, oder nur witzelnd. Das war das Schlimmste am Heranwachsen, dachte sie; sie konnten vieles nicht mehr miteinander teilen, so wie früher. Wenn sie zusammenkamen, hatten sie nie Zeit zu reden, wie sie es gewohnt gewesen waren, – über Dinge im allgemeinen; sie sprachen stets von Tatsachen – unbedeutenden Tatsachen. Sie schürte das Feuer. Plötzlich schallte ein Geschmetter durch das Zimmer. Es war Crosby, die in der Halle das Gong bearbeitete. Sie war wie eine Wilde, die an einem ehernen Opfer Rache nahm. Wellen rohen Schalls tönten durch den Raum. »Himmel, es ist Zeit zum Umkleiden!« sagte Morris. Er stand auf und streckte sich. Er hob die Arme und hielt sie einen Augenblick über seinem Kopf. So wird er aussehn, wenn er einmal Familienvater ist, dachte Eleanor. Er ließ die Arme sinken und ging aus dem Zimmer. Vor sich hinbrütend blieb sie einen Augenblick sitzen; dann raffte sie sich auf. Was darf ich nicht vergessen? fragte sie sich. An Edward zu schreiben, besann sie sich, während sie zum Schreibtisch ihrer Mutter hinüberging. Er wird jetzt bald mein Schreibtisch sein, dachte sie und blickte dabei auf den Silberleuchter, die Miniatur ihres Großvaters, die Lieferantenbücher – auf das eine war eine goldene Kuh geprägt – und das gefleckte Walroß mit einem Bürstchen im Rücken, das Martin der Mutter zum letzten Geburtstag geschenkt hatte.

      Crosby hielt die Tür zum Eßzimmer offen und wartete, daß sie alle herunterkämen. Das Silber lohnte das Putzen, dachte sie. Messer und Gabeln blitzten nur so rings auf dem Tisch. Der ganze Raum mit seinen geschnitzten Stühlen, den Ölgemälden, den zwei Dolchen über dem Kaminsims und der stattlichen Anrichte – allen diesen soliden Gegenständen, die Crosby täglich abstaubte und glänzend rieb, – kam abends am besten zur Geltung. Bei Tag nach Braten riechend, von Sergevorhängen verdunkelt, sah er, erleuchtet, halb durchsichtig aus am Abend. Und sie waren eine stattliche Familie, dachte sie, als sie hintereinander hereinkamen – die jungen Damen in ihren hübschen Kleidern von blau und weiß geblümtem Musselin; die Herren, so gepflegt, in ihren Smokingjacken. Sie rückte dem Oberst den Stuhl zurecht. Er sah abends immer am besten aus; er aß mit Genuß; und aus irgendeinem Grund war seine Verdüsterung geschwunden. Er war in seiner jovialen Laune. Die Stimmung seiner Kinder hob sich, als sie es bemerkten.

      »Das ist ein hübsches Kleid, das du da trägst«, sagte er zu Delia, während sie sich setzten.

      »Dieses alte?« sagte sie, über den blauen Musselin streichend.

      Ihr Vater hatte etwas Opulentes, wenn er guter Laune war, etwas Ungezwungenes und Bezauberndes, das sie besonders gern hatte. Die Leute sagten immer, daß sie ihm gleiche; manchmal freute sie sich darüber – heute abend zum Beispiel. Er sah so rosig und sauber und heiter aus in seiner Smokingjacke. Sie wurden wieder zu Kindern, wenn er in dieser Stimmung СКАЧАТЬ