Mörder im Hansaviertel. Frank Goyke
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Название: Mörder im Hansaviertel

Автор: Frank Goyke

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783356023657

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СКАЧАТЬ »Es gibt auch eine Parallelausstellung in Rijeka. Die heißt ›Rijeka 55 Rostock‹. Dorothee präsentiert …« – ein kurzes Aufstöhnen – »Dorothee hat dort Künstler aus Mecklenburg-Vorpommern präsentiert. Und hier bei uns natürlich Künstler aus Rijeka. Wobei, es geht ja um eine Partnerschaft … also es hängen immer Werke von Gästen und Einheimischen zusammen in den Ausstellungen.«

      »Verstehe. Ich muss Sie leider bitten, mir so genau wie möglich zu beschreiben, was heute Abend passiert ist. Aber zuvor möchte ich noch wissen, woher Sie Frau Klaas und natürlich auch ihren Mann kennen.«

      Meissner nickte und wischte sich noch einmal über das Gesicht. »Wissen Sie, ich habe meine ganze Kindheit und Jugend in Reutershagen verbracht. Wir haben in der Kuphalstraße gewohnt, also direkt am Schwanenteich. Wie weit mag es zur Kunsthalle gewesen sein? Fünf-, sechshundert Meter? Aber, ich muss es zugeben, meine Eltern hatten einen sehr eingeschränkten Horizont. Obwohl mein Vater Ingenieur war und meine Mutter Ökonomie studiert hatte.«

      Eigentlich war jetzt nicht die Zeit für Annalena Meissners Lebensgeschichte, doch Barbara schwieg in der Hoffnung, etwas Relevantes zu erfahren.

      »Mein Vater hat auf der Neptunwerft gearbeitet, allerdings nicht für die Werft selbst, sondern für die dortige Außenstelle der Schiffswerft Rechlin. Sie haben Rettungsboote entworfen, Rettungsmittel für die Seefahrt überhaupt. Meine Mutter war im VEB Schiffselektronik, zuletzt war sie Abteilungsleiterin. Beides gehörte ja zum Kombinat Schiffbau und … Verzeihung, ich will nicht abschweifen.« Meissner klaubte ein weiteres Papiertaschentuch aus der Tasche, behielt es aber nur in der Hand. »Sie sind studierte Menschen … beide leben noch, im PflegeWohnPark Kühlungsborn … Ja, studierte Leute, aber ihre Interessen beschränkten sich auf Wohnung, Garten, Datsche und Lada. Dieses Auto, Sie wissen sicher? Und nach der Wende? Nur noch Reisen! ›Wir müssen ja was nachholen‹, haben sie gesagt und sind jedes Jahr an die spanischen Mittelmeerküsten gefahren, an Orte, an denen man Deutsch spricht. Sie wissen weniger über Spanien als ich, die ich nur einmal für eine Woche in Sevilla gewesen bin.«

      Nun war sie doch wieder abgeschweift, was Barbara mit einem Zusammenziehen der Brauen quittierte.

      Meissner begriff sofort. »Kurz und gut, ich bin nie in der Kunsthalle gewesen. Aber dann … Es ist Jahre her … Ich habe eine Bekannte, wir waren früher an der Heinrich-Schütz-Schule, und sie arbeitete damals im Rathaus. Unter diesem Oberbürgermeister, wissen Sie, für den sich Kultur auf Windjammerparaden, Bier und Bockwurst reduzierte. So hat das jedenfalls Dorothee ausgedrückt. Da wollte wohl die Stadtverwaltung aus der Kunsthalle ein Autohaus machen. Und da endlich habe ich mir gesagt: Das geht nicht! So kann man mit einer Kultureinrichtung nicht umgehen! Als gäbe es nicht genug Autohäuser. Warum werfen wir die Rostocker Filetstücke immer nur schmierigen Typen in den Rachen? Nee! Und ich bin Mitglied im Förderverein ›Freunde der Kunsthalle‹ geworden. Keinen Tag habe ich diesen Schritt bedauert.«

      »Und dort …«, fragte die nun doch etwas enervierte Barbara, »dort haben Sie Frau Klaas kennengelernt?«

      »Ja. Und später auch ihn. Also den Mann. Michael. Er ist inzwischen auch Mitglied.«

      Der Chef der Spurensicherung, Manfred Pentzien, bat zu Tisch. So nannte er es, wenn er ausgewählten Mitarbeitern der Mordkommission gestattete, einen Tatort näher in Augenschein zu nehmen. Bisher war das Haus der Familie Klaas allein sein Reich gewesen, nun war er bereit, sein Herrschaftswissen zu teilen.

      Es war Uplegger, der den Chef Gunnar Wendel ins Haus begleitete. Zunächst betraten sie einen Flur, der mit den üblichen Möbeln zum Aufbewahren von Garderobe und Schuhen aussah wie die meisten Flure der Welt. Ungewöhnlich war die weiße Wandgarderobe, die aus einzelnen braunen Sticks bestand, die man vorklappen konnte, um Kleidungsstücke aufzuhängen. Im Kontrast zu diesem modernen Stück stand das barocke Tischchen, dessen Schublade herausgerissen worden war. Der Inhalt lag auf dem Boden zerstreut und bestand aus mehreren Schlüsselbunden, einem Paar roter Lederhandschuhe für Damen, ein paar Quittungen und Werbebriefen. Über dem Tischchen hingen zwei Stiche, die ältere Ansichten der See- und Hansestadt Rostock zeigten. Im Schuhregal, das auch neueren Datums war, standen die Schuhe so ordentlich aufgereiht, als erwarte man jederzeit die Stubenrevision eines Oberfeldwebels. Im Schirmständer befanden sich keine Schirme, sondern drei Paar Fußballschuhe unterschiedlicher Größe, doch auf jeden Fall für ein Kind bestimmt. Die Schuhe hatten einiges durchgemacht, von dem Kind wusste Uplegger noch nichts.

      »Hatten sie Kinder?«, erkundigte er sich. Seine Frage war an beide Chefs gerichtet.

      »Mindestens eins, denn die Mansarde ist eindeutig ein Kinderzimmer«, erwiderte Pentzien. »Ein Jungenzimmer, wenn es politisch korrekt ist, es so zu nennen. Ohne Gendersternchen und so. Hansa-Plakate an den Wänden, ein Hansa-Wimpel steht im Regal und ein Hansa-Schal hängt am Fensterknauf.«

      »Es könnte ja auch ein Mädchen sein, das sich für Fußball interessiert«, meinte Uplegger.

      »Mädchen haben mehr Bücher«, behauptete Pentzien.

      »Sie haben drei Kinder«, ließ Gunnar Wendel verlauten. »Eine Tochter, zwei Söhne. Der älteste Sohn und die Tochter sind meines Wissens schon aus dem Haus. Es muss das Zimmer des Jüngsten sein.«

      »Voilà!« Pentzien stieß eine Tür auf und wies in einen Raum, der hell erleuchtet war, weil seine Leute alle Lampen eingeschaltet hatten. Seine Geste gemahnte an einen Immobilienmakler.

      Was Uplegger neben der unbeschreiblichen Unordnung und neben der jungen Frau im weißen Overall als Erstes auffiel, waren die teuren Möbel im Bauhausstil. Zweifellos handelte es sich um Repliken, aber auch diese waren teuer. Da Upleggers verstorbene Ehefrau als Designerin ihr Geld verdient hatte, kannte er sich ein wenig aus und erkannte das nougatfarbene Sofa und die beiden dazu passenden Sessel als Werke von Le Corbusier. Für die drei Stücke hatte man bestimmt mehrere Tausender hinblättern müssen. Im Übrigen war das große, zum Garten hin gelegene Zimmer minimalistisch eingerichtet, vermutlich damit die drei Gemälde an den weißen Wänden den Raumeindruck bestimmen konnten. Doch alles, was es sonst noch gab, hatte zumindest einmal an der Wand des Bauhauses gelehnt – der Esstisch mit den sechs Armlehnstühlen, die niedrigen kommodenartigen Schränke, die beiden schlanken Bücherregale. Auf einer der Kommoden stand ein großer Flachbildfernseher, daneben ein Hi-Fi-Tower von Bose. ›Von wem auch sonst‹, dachte Uplegger und ein leises Neidgefühl krampfte sein Herz zusammen. So einen Tower hätte auch er gern sein Eigen genannt.

      Die gut verpackte junge Kollegin von Manfred Pentzien hatte nur kurz aufgeschaut und sich dann wieder der Sicherung von Fingerspuren gewidmet. Dass sie jung war, verriet allein ihr Gesicht, vor allem der jugendlich frische Teint. Pentzien, der nicht müde wurde, sich darüber zu beklagen, dass alle Schutz- und Kriminalpolizisten der Welt an Tatorten mehr Spuren verursachten als sicherten, hatte seine Kapuze in den Nacken geschoben und verteilte Haare und Schuppen.

      Die Gemälde sagten Uplegger zunächst nichts. Es waren eher zeitgenössische Werke, jedenfalls durften sie alle nach 1945 entstanden sein, vermutlich sogar vor gar nicht langer Zeit. Ein ziemlich großer Schinken, der zwischen dem Eckfenster und der Gartentür hing, zeigte auf eine pastose weiße Leinwand aufgetragene, extrem breite schwarze Pinselstriche, was an Franz Kline gemahnte, aber beim Nähertreten entdeckte Uplegger die Signatur P. Fischer. Ein in schreienden Acrylfarben gehaltenes, der Farbfeldmalerei ähnelndes Werk, das an der Wand neben dem Bildschirm angebracht war, war von H.P. signiert, und das dritte Gemälde im Bunde enthielt auf cremefarbenem Grund einen breiten orangefarbenen Querstrich, auf dem schwarze Buchstaben tanzten und das Wort ETERNITY bildeten. Der Stil erinnerte Uplegger an etwas. Die Signatur überzeugte ihn vollends: Penelope Pastor. Die Künstlerin aus Schwaan kannte er. Wenn er Barbara davon berichtete, würde sie aufschreien, denn für sie war die Pastor ein dunkelrotes Tuch.

      »Habt СКАЧАТЬ