Название: Mörder im Hansaviertel
Автор: Frank Goyke
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783356023657
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»Was mich irritiert, ist die Ordnung«, sagte Uplegger. »Es sieht aus, als wäre dieser Raum nicht durchsucht worden.«
»Das haben wir natürlich auch registriert«, meinte Pentzien. »Ich kann nicht definitiv sagen, dass die Täter nicht im Schreibtisch gewühlt haben, denn darin sah es aus wie bei Hempels unterm Sofa. Könnte natürlich auch die schöpferische Unordnung des Herrn Architekten gewesen sein.«
»Sind denn alle anderen Räume durchwühlt worden?«, fragte Uplegger noch einmal nach.
»Alle, sogar die Schränke in Bad und Küche. Nun ist dieses Zimmer das letzte im Obergeschoss nach Schlaf- und Kinderzimmer. Will sagen, nachdem die Täter den Tresor entdeckt und die Zahlenkombination aus den Geschädigten herausgeschnitten hatten«, Pentzien hüstelte, »haben sie vielleicht die Schätze gefunden, auf die sie scharf waren. Warum hätten sie dann noch weitersuchen sollen?«
»Klingt logisch.«
»Ihnen, Kollege Uplegger, dürfte aus langjähriger Zusammenarbeit bekannt sein, dass ich nie etwas sage, das nicht logisch ist.« Das hörte sich zwar überheblich an, war aber eher selbstironisch gemeint, denn Pentzien grinste von Ohr zu Ohr.
»Ihre Logik ist legendär«, bestätigte Uplegger schmunzelnd.
Der Mann ohne Eigenschaften hatte inzwischen eine Schreibtischschublade und dann noch eine geöffnet und rief: »Die sind ja leer!«
»Wir haben schon alles sichergestellt. Das meiste ist bereits auf dem Weg ins Labor be-zett-weh zur Auswertung.«
»Und? Etwas auf den ersten Blick Interessantes?«
Pentzien hob die Achseln. »Das aus meiner Sicht Interessanteste dürfte die Mappe mit Kontoauszügen und dann das Inventarverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen, Stiche und Grafikmappen sein.«
»Grafikmappen?« Uplegger schaute sich suchend um. Wo sollten hier solche Mappen Platz gefunden haben?
»Im Homeoffice der Frau. Das ist unten. Aber keinen Schreck kriegen, dort sieht es aus wie nach einem Bombeneinschlag.«
Jonas Uplegger und der Chef hatten nur einen flüchtigen Blick in das Schlafzimmer und dann in das Zimmer des jüngsten Sohnes geworfen, die beide deutliche Zeichen einer hektischen Durchsuchung aufwiesen. Wendel hatte sich in den Keller begeben, um sich die Opfer und die Tatortsituation anzuschauen, sodass Uplegger nur in Begleitung von Pentzien ins Arbeitszimmer der Frau getreten war. Doch Pentzien hatte ihn mit den Worten »Sie sind ja schon groß« allein gelassen, weil er sich um die Arbeit seiner Leute im Garten kümmern wollte.
Uplegger hatte sich noch nicht umgesehen, als Barbara hereinkam. Sie hatte von Pentzien erfahren, wo er sich aufhielt, und den dringenden Wunsch geäußert, sich mit ihm auszutauschen. Zunächst blieb sie wie angewurzelt stehen. »Das sieht ja hier noch katastrophaler aus als im Wohnzimmer!«, bemerkte sie. In das hatte sie soeben einen Blick geworfen.
»Ja. Bis auf das Arbeitszimmer des Mannes wurden alle Räume durchwühlt. Eigentlich kann das nur bedeuten, dass sowohl die Frau als auch der Mann der Folter zunächst standgehalten haben. Wohl sogar lange Zeit, aber irgendwann müssen sie dann doch die Zahlenkombination des Tresors verraten haben.«
»Der Herr über Pinsel und Pinzette meint, sie hätten bisher keine Einbruchspuren gefunden«, sagte Barbara. »Möglicherweise haben sich die Täter unter einem Vorwand Zugang verschafft. Oder sie waren sogar Bekannte. Im schlimmsten Fall Freunde. Wobei es mit Freundschaften wohl eher mau aussah.« Im selben Moment fiel ihr ein, dass der Verfasser der Studie über Lütten Klein auch Mau hieß, und sie musste schmunzeln.
»Tja …« Uplegger widmete sich zunächst den Kunstwerken, die die Wände zierten; es waren überwiegend eher abstrakte oder am Expressionismus und Konstruktivismus orientierte Arbeiten, aber auch ein paar Landschaften und sogar ein Porträt: die Kohlezeichnung einer Frau mittleren Alters. Das Ehepaar Klaas hatte sich eine umfangreiche Sammlung zugelegt, über deren Wert er nicht einmal spekulieren konnte. Ob etwas aus der Kollektion gestohlen worden war, entzog sich ebenfalls seiner Kenntnis, allerdings schien auf den ersten Blick nichts zu fehlen, zumindest nicht an den Wänden. Die Gemälde in Acryl und Öl, die Aquarelle und Zeichnungen, die er in Augenschein nahm, waren allesamt signiert. Manchmal war es mühsam, die Signaturen zu entziffern, und eigentlich war es auch überflüssig, da ja eine Inventurliste vorlag, doch Uplegger hatte nun einmal von seiner verstorbenen Frau ein gewisses Interesse für die Künste geerbt. Die Namen T. Dąbrowski, Anđelko Kos oder Vuk Kovačić sagten ihm nichts, deuteten aber ein Interesse für östliche Künstler an. Eine kleine Landschaftsskizze war von dem Künstler Bukovac signiert, dem er im Arbeitszimmer des Mannes bereits begegnet war, hier nun erfuhr er obendrein den Vornamen: Vlaho. Es gab auch zwei eher expressionistische Aquarelle von einer Küste mit Windflüchtern, die aus dem Pinsel eines gewissen Rolf Kammerer stammten, dessen Namen Uplegger bereits gehört oder gelesen hatte und der seiner Meinung nach in oder bei Rostock lebte. Ein schlichter Holzrahmen enthielt die mit Goldfarbe auf blaues Papier geschriebenen Worte:
RIONER
ICH bin mit dem ersten schmutzigen HINTERN zufrieden, der sich bei mir vorstellt, nur muss er eine HAUT haben, die das LICHT nicht abstößt. ICH HINTERNHAUTLICHT.
Auguste RENOIR
Auch das sollte zweifellos ein Kunstwerk sein.
Über Dorothee Klaas’ Schreibtisch hingen drei Bleistiftskizzen eines Segelschiffs mit geblähtem, aus einzelnen Bildern zusammengesetztem Segel, eindeutig das zum Stadtjubiläum entstandene und im Stadthafen festgemachte SHIP OF TOLERANCE. Auf einer der Skizzen stand die Widmung: For Doro the Best. Emilia & Ilya K.
»Dunnerlittchen!«, entfuhr es Uplegger.
»Was Sie nicht sagen!« Barbara Riedbiester war neben ihn getreten und beugte sich zu den Skizzen vor. »Gott, wie uninteressant! Ich habe etwas, da können Sie mindestens zweimal ›Dunnerlittchen!‹ rufen.«
»Aber sehen Sie denn nicht? Zur 800-Jahr-Feier hat ein russisches Künstlerehepaar … Inzwischen leben sie wohl in den USA, in New York. Ich komme nicht auf den Namen …« Uplegger schnippte mit den Fingern, aber das half seinem Gedächtnis auch nicht auf die Sprünge. »Ka… Kabu…? Ich weiß es nicht. Es sind jedenfalls Konzeptkünstler …«
»Uns bleibt auch nichts erspart«, sagte Barbara. »Konzeptkünstler! Aber noch schlimmer …«
»Frau Klaas muss mit beiden befreundet gewesen sein.«
»Sie sind ja ganz außer Atem vor Begeisterung«, stellte die Hauptkommissarin fest. »Frau Klaas hatte ihre Finger in allen möglichen Sachen: Sie ist Mitglied im Rostocker Kunstverein, sie ist an der Organisation der Rostocker Kunstnacht und der OZ-Kunstbörse beteiligt, sie hat Ausstellungen zum Jubiläum der Städtepartnerschaft Rostock-Rijeka kuratiert und und und. Habe ich etwas vergessen? Ja. Im letzten Jahr war Rijeka europäische Kulturhauptstadt. Es gab ein paar Beiträge aus Rostock, sozusagen freundschaftliche oder partnerschaftliche Beiträge. Maßgeblich beteiligt waren Dorothee Klaas, ihre Galerie und einige von ihr vertretene Künstler. Allerdings waren die Ausstellungsorte dann aufgrund von Corona lange geschlossen, einige Künstler bestanden darauf, ihre Werke nach Ablauf der vereinbarten Zeit zurückzuerhalten, obwohl die Veranstaltungen verschoben oder verlängert worden waren. Die Frau hatte das, was man früher Beziehungen nannte. Oder wie man es СКАЧАТЬ