Feuersetzen. Tom Wolf
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Feuersetzen - Tom Wolf страница 9

Название: Feuersetzen

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935160

isbn:

СКАЧАТЬ sie die Nacht im Rauchfang verbracht. Krampfhaft hielt jeder seinen Krug umklammert. Der Einsturz der Schwalbe hatte ihnen die Hauptarbeit abgenommen. Sie hatten die Trümmer nur noch zur Seite zerren müssen, wobei ihnen die Verschütteten entgegengefallen waren … In einem kleinen Zelt aus Balken waren sie dem Zerquetschwerden entronnen, doch hatte kein Mittel mehr ihre völlige Reglosigkeit zu vertreiben oder zu beheben vermocht. Volpi und Bartholdi waren aus mangelnder Versorgung der Lungen erstickt und elend eingegangen.

      »Keiner hätte das überleben können! Nur die Götter selbst!«, sagte Jobst. Er war so niedergeschlagen, als hätte er zwei Söhne verloren, und raufte sich das Haar, laut sich selbst anklagend: »Wie habe ich sie nur noch mal hineinlassen können? Was für ein törichter Gedanke, in einen brennenden Dachstuhl zu steigen!«

      »Ich habe es gesehen, sie waren kaum am Kamin, als der Boden unter ihnen wegbrach!«, ließ sich Kilian Buhlmann vernehmen, der das Haus rechts neben der Schwalbe bewohnte.

      »So ganz stimme ich dir nicht zu!«, wandte sein Sohn Michael ein. »Mir wollte scheinen, als ob sie noch etwas gesehen hatten. Sie verharrten noch eine ganze Weile vor etwas, das aussah wie … wie eine verkohlte Bettstatt.«

      »Wie fürchterlich – ein verkohltes Lager … Bist du sicher? … Könnte es vielleicht sein, dass dort … ich meine ja nur … die Schwalbe …?«, fragte Buhlmann senior.

      »Das werden wir nun leider nicht mehr erfahren …«, meinte der Sohn. »Was hängt auch daran, nur noch rauchende, üble Nachrede … Die Schwalbe war vielleicht lebenslustig, aber sie war nicht die Besenreiterin, die alle aus ihr machen wollten … Schrecklich, dass ich noch gestern mit ihr stritt! Es ist ein Jammer, es ging genau um das, was dann eintrat: Sie hat die Wette-Herren bestochen, um sich vor der Reparatur des Schlotes zu drücken … Ich hab es gehört, als sie die Runde machten. Jetzt wäre es beinahe schiefgegangen …«

      »Mein Guter«, sagte Jobst, »es ist schiefgegangen! Nämlich für die Schwalbe und für zwei Unerschrockene …« Er stockte und bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. »Lasst uns auf das Seelenheil der Toten da drinnen anstoßen! Was geschehen ist, war so unnötig! Wir hätten sie zurückhalten müssen: Für immer wird dieses furchtbare Versäumnis auf uns lasten …«

      Groenewold war nicht da; der schrullige alte Mann stieg nur im Notfall vom Turm, um sein selbstgewähltes Zusatzamt auszuüben. Kaum war eine Gefahr gebannt, verschwand er wieder. Es war freilich ihr aller Verdienst, die Stadt vor Schlimmerem bewahrt zu haben. Und es war viel Glück dabei gewesen, im großen Unglück …

      »Bring Groenewold seine Quart auf den Turm!«, sagte Jobst zu einem seiner Gehilfen. »Und nimm eine für den Küster Eck mit, damit er dich hinauflässt!«

      Damian Baader, der Wundarzt, kam aus dem dem früheren Kontor von Jonathan Unruh, in dem Volpi und Bartholdi aufgebahrt lagen. Sie hatten ihren Einsatz teuer bezahlt … Baader, dem man seine 55 Jahre keineswegs ansah, nahm einen Krug, trank begierig und wischte sich genüsslich den Bierschaum vom Mund. Er sah die Blicke aller Anwesenden auf sich vereint. Ihre Trauermienen machten ihn komischerweise lächeln … Der Alkohol, dachte Jobst …

      »Gott sei’s gepriesen! Bartholdi, der Großarchivar und Narr … Und Volpi – der große Harnologe, Botaniker und Logiker …«

      Baader griente blöde und musste sich auf eine Stuhllehne stützen, so schüttelte ihn das lautlose Lachen, allen horribel und unverständlich. Oh, die Trunksucht, dachte Jobst nur.

      »Ihr müsst seine Abhandlung über den menschlichen Harn lesen: de urinis … Man möchte ihn allein dafür in den Olymp setzen. Er würde Jupiter selbst bitten, ihm eine Probe zu liefern, um ihm zu sagen, ob er Asparagus oder Beta rossa genossen hat. Auch ob er mehr dem Biere oder dem Weine zugeflüstert …«

      Jobst seufzte. Der Arme … Wem von diesen beiden Baader wohl zugebrüllt hatte? Man sollte sich nicht mehr in seine Obhut begeben. Das schien sicherer … Aber der Wundarzt kriegte sich wieder ein – unter Aufbietung aller Willenskraft, konstatierte Jobst verächtlich bei sich.

      »Diese Narren … Torheit … Torheit schützt vor Alter nicht … Es klingt verquer und unmöglich – aber sie leben! Sie sind beide am Leben!«

      Die Anwesenden wurden zu Salzsäulen. Dem dicken Hus lief das Bier aus dem Maul, denn er vergaß zu schlucken. Der Bergmeister Adener seufzte laut.

      »Was soll das heißen? Wir haben sie doch alle gesehen? Wir sahen doch, dass sie bereits tot waren!«

      »Keinen Mucks mehr gaben sie von sich! Regten sich doch nicht länger? Ihr müsst Euch täuschen, Meister Baader!«, sagte Jobst. »Ich bin zwar arm im Beutel …«, begehrte Hus auf, »… aber nicht ganz so arm im Kopf, wie Ihr denkt! Auch wenn ich weniger Erfahrung habe als Ihr, so erkenne ich doch einen Toten, wenn ich einen sehe!«

      Baader sagte achselzuckend: »Machen wir uns nichts vor – an dieser Frage sind schon erfahrenere Männer verzweifelt. Sonst gäbe es keine lebendig Begrabenen … Ich wünschte, ich wäre sicherer in solchen Dingen, denn ich dachte zuerst wie Ihr … doch jetzt? Nennt es ein Wunder … von mir aus! Aber sie haben wieder zu atmen begonnen, und da ich nicht an lebende Leichname oder Untote oder Wiedergänger glaube, kann dies nur bedeuten, dass sie vom Rauch zwar tief bewusstlos waren, als wir sie aus dem Trümmerhaufen fischten, aber hernach … ihre Lebensgeister wieder zu ihnen gefunden haben. Jetzt röcheln sie wieder, beginnen zu fabulieren … Ihr Geist scheint wie umnebelt. Sie reden irre, wohl vom Rauch vergiftet. Aber sie leben! Überzeugt euch doch selbst …«

      Das ließ sich keiner zweimal sagen. Alle eilten in die Stube, um die Totgeglaubten leibhaftig-lebhaft zu sehen.

      »Welch ein Glück!«, sagte Jobst zu Baader. »Wenn sie inmitten dieses Sturzbaches aus Steinen, Lehm und Balken überlebten, dann stellt ihr Beispiel selbst das des Vogels Phönix in den Schatten, der bekanntlich aus der Asche eines Feuers unbetroffen hervorging. Die beiden aber, Volpi und Bartholdi, wurden ja überdies noch durch eine Knochenmühle gedreht …«

      Von drinnen kamen Jubelrufe.

      »Ungläubige – dachtet ihr, ich machte Scherze?«, flüsterte Baader, schwach lächelnd, während er sich aus der bereitstehenden Kanne Bier nachschenkte. Er folgte den anderen nach nebenan. Aus der Totenkammer war unversehens eine Krankenstube geworden. Jobst unternahm gerade den Versuch, die beiden ins Leben Zurückgekehrten durch exzessive Einflößung von Bier rascher an die Oberfläche zu ziehen. Sie lagen nebeneinander auf dem nackten Boden. Jetzt wurden rasch Decken untergeschoben.

      »Wir verfrachten Euch gleich in Eure Betten – zuvor aber müsst Ihr uns sagen, was Ihr drinnen gesehen habt!«, sagte Jobst.

      Volpi genoss das Bier, als hätte er bis dahin nie welches getrunken. Die Bilder schwankten – diese vermeintlichen Menschenköpfe etwa hatten noch immer die Neigung, ins Große und Kleine abzudriften …

      Jobst drängte sich eben wieder mit dem Labsal spendenden Krug in sein Gesichtsfeld und fragte: »Habt ihr die Schwalbe gefunden? Ist sie tot?«

      Er dachte schneller, als er sprechen konnte, aber das war wohl immer so. Volpi musste erst noch einen Schluck Bier trinken, dann konnte er Jobst Auskunft geben.

      »Fanden die Dame … und ihren Liebhaber, denke ich. Aber ob sie tot waren?« Vor seinem inneren Auge lief wieder die grauenvolle Verwandlung ab. »Mein Geist narrte mich … Die beiden Verkohlten, anfangs so tot wie nur je zwei Stämmchen Totholz im Feuer, entwickelten zuletzt ein seltsames Eigenleben …«

      »Leben? Meint Ihr, dass die verkohlten СКАЧАТЬ