Feuersetzen. Tom Wolf
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Название: Feuersetzen

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935160

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СКАЧАТЬ style="font-size:15px;">      »Das waren die bösen Wetter, die Euren Geist vernebelten!«, sagte Baader.

      »Dann haben sie auch meine vernebelt, denn mir erschienen sie auch, diese lebenden Leichname, sie griffen nach mir …«, stöhnte Bartholdi nun, sich ebenfalls am Bier erfrischend.

      »Eigenartig«, sagte Volpi, »ich kenne solche Gesichter aus Berichten über Vergiftungen durch Fliegenpilze, Tollkirschen, Bilsenkraut … Die Eindringlichkeit der Bilder wurde stets hervorgehoben. Vielleicht hatte die Hausfrau einen Speicher voller Kräuter, der verbrannte, und dessen Nachwirkung wir spürten?«

      Bartholdi, schwarz wie kaum ein Mohr je sein mochte, schlug sich gegen die Stirn, sodass ein helles Zeichen blieb, wie ein umgekehrtes Kainsmal: »Es könnte im Bier gewesen sein, das wir ausgetrunken haben!«

      Volpi stöhnte: »Ihr habt … Du hast Recht. Aber das sollte leicht zu entscheiden sein. Schließlich haben wir es noch in uns!«

      »Wie meinst du das?«, fragte der Großarchivar.

      Baader lachte. Er schien bereits zu ahnen, was der geschwärzte Gelehrte beabsichtigte.

      »Nun, ganz einfach: Wenn etwas im Abschiedstrunk der beiden war, so haben wir es noch im Urin. Und bei der Untersuchung des Urins bin ich erklärtermaßen Fachmann!«

      »De urinis!«, sagte Bartholdi mit dem Strahlen plötzlicher Erkenntnis.

      Jetzt lachten sie alle. Volpi indes war ins Nachdenken versunken.

      »Wenn es so war, erlebten die beiden glücklich-unglücklich Vereinten genau das, was wir erlebten. Erst Trübungen des Gesichts und falsche Vorstellungen, dann erstarb ihnen gänzlich die Wahrnehmung. Es kam zu einer Lähmung, zu einem Scheintod oder doch zu einer Art todesähnlicher Starre. Wir erlebten zuletzt die Unfähigkeit, uns zu bewegen oder zu reagieren. Tödlich in Situationen wie der im brennenden Haus.«

      Es schauerte Volpi bei dem Gedanken, sie hätten ihn möglicherweise lebendig begraben. Und Bartholdi auch …

      »Meint Ihr den Zustand vor oder nach dem Beilager … vorher wäre es in der Tat auch tödlich …«, warf Baader ein. »Tödlich für die Lust!«

      »Euren Witz in Ehren, aber ich meine durchaus danach … Mir fällt ein, dass vor allem der Stechapfel Wirkungen wie die erlebten zeitigt – wenn man zu viel davon genießt. Zur Anregung setzt man ihn in Wein an. Doch das beim Bereiten des Extraktes eingesetzte Quantum entscheidet über die Stärke. Sie tranken ihn sicher zur Verschönerung des Beilagers, aber es war zu viel, daher verfielen sie nach der Extase in diese Todessteife.«

      »Soll das heißen, Ihr vermutet, dass es ihre Absicht war, das zu trinken?«, fragte Jobst.

      »Bei allen Hurenwirten bekommt ihr dieses oder ein ähnliches Gesöff, auch bei den Storchern, Quacksalbern und Schreiern auf dem Markt! Meistens aber ist es Wein und kein Bier, worin es angesetzt wird … Müsste man in Erfahrung bringen, wie es der rote Jakob verkauft«, sagte Baader.

      »Bei dem gibt es das nur im Wein …«, sagte Jobst träge, und alle grienten, da sie sich Goslars Haupt-Bordellbetreiber, die verführerische Lupa und den ehrbaren Wandschneider und Rat Jobst nebeneinander vorstellen mussten.

      »Wer zur schönen Lupa geht, hat es nicht nötig, ein anregendes Gepantsch zu trinken«, sagte Jobst, und die anderen nickten und sprachen dem Stobeken’schen Bier zu. Der Sohn der toten Schwalbe war Brauer.

      »Lupa?«, fragte Volpi schwach.

      »Hört«, sagte Baader, »was Euricius Cordus über sie schrieb!«, und er rezitierte:

       Wann immer du, Lupa, mir dich zeigst in deiner Pracht, stellst all deinen Schmuck am Leib du zur Schau! Haarband, Stirnreif, Brusttuch, Goldgehänge und Gürtel, am Hals ein Geschmeide und an den Fingern Ringe, Amethyst, Karneol, Saphir, Rubin, Opal und Chrysopras … Deine großen Brüste regen sich unterm Busentuch. Aus Frankreich ein Schleier umzaubert dein volles Haar. Wie du mich all das leise lächelnd gering schätzen siehst, sagst du: „Solche Kleinode besitzt sie nicht, deine Frau!“ Das gebe ich dir zu … Doch hat sie auch einen Mann nur, die Ärmste, und diesem allein will sie gefallen.

      Volpi hatte wohl zugehört und registrierte das beifällige Lachen der Anwesenden. Doch im Augenblick war er mit den Gedanken woanders.

      »Die Türen waren zu. Die beiden wollten nicht gestört werden. Ob sie sich den Trank beschafft oder selbst bereitet hatten, wer weiß? … Möglicherweise wollten sie sich gar umbringen …«

      »Durch Gift oder durch Feuer? Oder durch beides in Verbindung?«, fragte Bader, und es klang leicht höhnisch. »Bevor man so viel vermutet, ist tatsächlich erst einmal der Giftnachweis gefordert.« Er trat gebieterisch vor die Liegenden. »Darf ich den Herren die Proben abverlangen, damit wir sie Johann Kohler schicken können, dem Apotheker, dem alten Lurch? Er hat Euer Buch sicher, Herr Volpi, aber für alle Fälle solltet Ihr mir die Prozedur noch einmal diktieren … am besten lateinisch, das mag er besonders!«

      Sie folgten Baaders vernünftigen Worten. Auf dem Weg in ein freundlicheres Zimmer mit einer richtigen Bettstatt machten die wiedererweckten Toten auf dem Necessarium Station, um ihr flüssiges Zeugnis abzulegen. Ein Bote mit zwei warmen Tonflaschen wurde zur Ratsapotheke in die Marktstraße geschickt. Jobst, Baader und die anderen leisteten Volpi und Bartholdi im Krankenzimmer weiter Gesellschaft, trinkend.

      »Wenn man nur wüsste, wer das war, neben ihr …«, fragte Baader, und alle nickten, denn diese Frage beschäftigte sie zuinnerst schon die ganze Zeit.

      »Ach … da habe ich, glaube ich, etwas, das Euch helfen wird, ihn zu erkennen …«, murmelte Volpi und kramte in den geräucherten Innereien seines Wamses.

      Seine rechte Handfläche war noch immer stark gerötet. Als er im brennenden Haus zugegriffen hatte, war er scheint’s durch die Wirkung des Stechapfels gegen Schmerz gefeit gewesen … Jetzt zog er einen goldenen Ring hervor.

      »Den konnte ich erhaschen, bevor die Verkohlten den Abgang machten. Er gehörte dem Liebhaber.«

      Das Wappen zeigte drei Blätter neben der Hälfte eines angedeuteten Baumes.

      »Otto Herbst«, entfuhr es Baader, Bartholdi, Jobst und den anderen fast unisono, als sie es sahen.

      »Der Feuerhüter des Rammelsberges!«, sagte Bartholdi.

      Volpi erinnerte sich dunkel der Bartholdi’schen Worte über die weitere Liebhaberei dieses Herrn.

      »Wie tragisch! Was wird jetzt aus seinem Garten?« fragte er, und verstand nicht, warum ihn jeder missbilligend betrachtete und alle dem Bier noch vehementer zusprachen. Die Mägde kamen kaum nach mit dem Heranschleppen der Schleifkannen. Das war nur noch ein Trinken und Kopfschütteln, allseitiges Schwenken der ohnehin schon schweren Häupter und Becher …

      »Tragisch!«, ächzte der Bergmeister Adener, selbst die Tragödie in Person. »Ohne Otto Herbst wird es im Berg wieder Katastrophen geben! … Auch wenn ich ihn oft auf einen seiner Schränke gewünscht habe …«

      »Feuer im Berg? Feuerhüter? Schränke?«, fragte Volpi und wandte sich, da keiner die Kranken weiter beachtete, an Bartholdi. »Das Feuersetzen ist, wenn ich Cordus’ Schrift recht entsinne, wichtig für den hiesigen Erzabbau …«

      »Ja«, bestätigte ihm sein Bettnachbar. СКАЧАТЬ