Feuersetzen. Tom Wolf
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Название: Feuersetzen

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935160

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СКАЧАТЬ Fleisch dem Feuer ausgesetzt, überzieht sich seine zuvor rosa oder violett wirkende Oberfläche zuerst mit einem weißgrauen Schleier. Volpi dachte an den herrlichen Duft, der in diesem Moment entsteht, und sah und roch das große Stück Lamm, das seine Mutter überm offenen Feuer garte … Es folgen Bräunungen, einzelne Stege, fahnenartige Felder, flächige Braunstellen … die Höhen werden schon muskatbraun, während sich das ursprüngliche weißliche Grau in ein dunkleres verwandelt und mehr und mehr vom durchgehenden Hellbraun verdrängt wird … Und so geht es weiter, bis die Stege sich schwärzen, dann die Flächen dunkelbraun und schließlich auch gänzlich schwarz werden. Dies geschieht etwa, wenn man ein Stück Fleisch überm oder im Feuer vergisst … Volpi fühlte eine merkwürdige Veränderung der Wahrnehmung … Die Bilder verschwammen kurz, fluktuierten … Das musste am Rauch liegen, dachte er, genauso wie die Beschleunigung des Atems. Zugleich fühlte er, wie sein Herz zu rasen begann. Erregung am ganzen Körper … Vergiftung durch die feindliche Atmosphäre … Nimm dich zusammen …

      Von der Bettstatt war nur ein verkohltes Nachbild übrig geblieben, und von den beiden Menschen darin auch … denn es waren Menschen gewesen! Wie schwarze Stelen lagen sie nun vor Volpi, nahe beieinander, als wären sie im Liebesakt vereint … Falsch, es sah nicht bloß so aus – sie waren vereint gewesen … Nun war es das äscherne Nachbild ihrer Vereinigung bloß … Volpi nahm es wahr wie ein Naturwunder, wandte sich nicht ab, sondern blickte weiter wie gebannt auf die beiden Körper – gleichsam zwei schwach gekrümmte, aneinandergeschmiegte dickere Äste. Diese verbrannten Leiber, in ihrer fragilen Starre, wie aus Holzkohle geschnitzt, waren so absonderlich anzusehen, dass es ihn weder grauste noch verwunderte. Wo ihre Köpfe gesessen hatten, blähten sich kegelförmige Blasen, verkohlten, gestauchten Brotlaiben ähnlich. Haut und Haar waren verschwunden … Nur eine hellere Schmauchspur, vielleicht vom brennenden Baldachin des Bettes, lag um die schwarzen Schädel. Das Knochenwerk war fast ganz weg oder geschrumpft. Hie und da stach noch etwas davon durch die bröckelige Kruste. Unter der verbrannten Haut gähnte ein Hohlraum. Das Leben war in heiße Luft aufgegangen. Volpis Geist mühte sich, Boden zu gewinnen. Es gab keine Bilder in seinem Kopf, die dem gleichkamen. Von Opfern eines Vulkanausbruches hatte er gehört, die einst geröstet in der Lava gefunden worden waren. Aber die Holzschnitte und Kupfer davon, soweit er sie kannte, waren undeutlich gewesen. Bei öffentlichen Verbrennungen hatte er wohl Menschen brennen sehen, doch stürzten diese stets im Feuerkegel zusammen, bevor das Spektakel zu Ende ging. Man sah später nichts mehr von ihrer Gestalt. Diese dort lagen nun unmittelbar vor ihm … Die Frau … musste die Schwalbe gewesen sein … dagegen der Mann?

      Wieder wurde Volpi schwummerig, und die Bilder gerannen zu reiner Schwärze. Er vernahm Bartholdis Stimme neben sich: »Einer ihrer Liebhaber!«

      Der Kleine hatte es also doch gewagt, ihm zu folgen. Doch – wie sah der andere aus? Das geschwärzte Gesicht Bartholdis verzerrte sich zu einem Kürbis, dann wurde es wieder klein wie eine Birne. Als Volpi kurz die Augen schloss, um sie anschließend auf die beiden Verkohlten zu richten, schrie er auf: »Oh, mein Gott!«

      Da grinsten ihn zwei lebende Verkohlte an! Schnitten Grimassen! Und redeten zu ihm! Waren das nicht der Leib und das Antlitz Johannas? Ihn grauste, denn so war es! Und neben ihr – Jacopo, ihr Amant, der ihm Hörner aufgesetzt … Ganz deutlich vernahm er ihre einschmeichelnden, rauchigen Stimmen: »Den großen wie den kleinen Mann – uns alle kriegt er irgendwann!«

      »Nein!«

      Jetzt schrie auch Bartholdi … Sah er die Untoten ebenfalls? Wie sie mit schwarz-kohligen Händen nach ihnen langten, mit fahrigen länglichen Klauen? Wie ihre Köpfe zu großen schwarzen Schädeln wurden, deren Deckel aufgingen, sodass man in die Esse zweier Feuerschalen blickte … inkohlte Kalebassen mit glühenden Kernen … Wie es in ihren leeren Augenhöhlen brannte? Wie ihre Münder sich öffneten und sie beide, Volpi und seinen gleichsam zitternden Nebenmann, mit Höllenrachen zu umschließen suchten? … Das alles musste Bartholdi doch auch sehen? Hoffentlich! Denn wenn der andere es auch sah, war er – Pietro Paolo Volpi, Doktor der Philosophie, in Logik wohlerfahren – … noch nicht verrückt!

      »Aaaaaaaaah… !«

      Ihr beider Schrei galt der plötzlich spürbar werdenden Bewegung unter ihnen: Die Decke begann abzusacken! Mit lautem Knall war der mittlere Tragbalken gebrochen … Es ging doch ganz anders vonstatten, als Volpi es innerlich vorausberechnet hatte, als er noch mehr bei Sinnen gewesen war: Die Decke bekam einen eklatanten Knick, der durch die Mitte des Raumes lief, sodass die Fahrt zunächst einfach abwärts ging. Dann aber, nach kurzer Absenkung, rissen die beiden Hälften am Knick auseinander. Da, wo Volpi und Bartholdi eben noch gestanden und gestarrt hatten, war plötzlich ein Loch, durch das zunächst der Schlot des Rauchabzuges zusammenkrachend verschwand. Und dann kamen sie an die Reihe … Es ging alles so rasend schnell … Der Boden wurde zum Trichter. Ihre Anstrengungen, dem sich vergrößernden Loch zu entfliehen, kamen zu spät, nirgends bot sich ein Halt. Die schwarzen Astgerippe der Toten und ihr kohliges Totenbett rutschten zusammen. Im eigenen Abstürzen konnten Volpi und Bartholdi sehen, wie sich die beiden Kohlekörper samt ihrem Lager raspelnd in Stücke spalteten. Die Knochenreste, zuvor nur noch durch die brandige Kruste gehalten, vereinzelten sich. Und schon befanden sie sich inmitten eines Strudels aus Funken, heißen Kohlestücken, Asche, brennendem Holz und Grus, Staub und Knochensplittern, Stroh und Lehmbrocken …

      Im Moment der Überraschung die Tatsache vergessend, dass vielleicht gleich alles vorbei wäre, krampfte Volpi das Gesicht zusammen und fasste rasch an die Stelle, wo gerade noch die Hand des Toten als schwarzes Nachbild ins Rutschen geriet. Er bekam in die Finger, was er dort hatte blinken sehen. Dann rasselte alles … sie mittendrin … im Mahlstrom nach unten. Direkt vor Volpis Augen passierte etwas mit Bartholdi. Er wurde zu Kohle, zu einem dieser Totenäste … Knoten von verkohltem Holz wölbten sich da, wo eben noch rußgeschwärzte Haut gewesen war … Aber das wollte sein Geist nicht mehr wahrhaben … Seine Ohren hörten noch die Stimme des Feuerreiters, der draußen eben zum dritten Mal vorbeikam. Er spürte Schmerzen im Nacken und auf der Brust, fühlte einzelne Punkte an sich, die bereits zu brennen schienen … Laute Geräusche, als würden Knochen unter großer Anspannung brechen, wie dicke spröde Hölzer … Dann wurde es schwarz vor Volpis Augen und in seinem Geist.

      »Ich gebiet dir, Feuer,

       Du wollest legen deine Glut,

       Bei Jesu Christi teurem Blut,

       Das er für uns vergossen hat,

       Für unsre Sünd und Missetat,

       Das zähl ich dir, Feuer, zur Buß,

       Im Namen Gottes, des Vaters,

       Des Sohnes und des Heiligen Geistes!

       Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit!

       Im Namen der allerheiligen Dreieinigkeit!«

       Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum,

       Hilf uns aus diesen Feuersnöten

       Und bewahre Land und Grenz

       Vor aller Seuch und Pestilenz …«

      Dienstag, 17. Mai 1552

      Die Vögel sangen beim Hellwerden, als ob nichts passiert wäre: Amseln, Singdrosseln, Mönchsgrasmücken, ein Girlitz. Doch um halb fünf in der Frühe war die Luft noch ganz erfüllt von den Ausdünstungen der nahen Brandstätte. Die Gefahr für die Nachbarhäuser war gebannt, der Feuerreiter hatte gute Arbeit geleistet … Das dachten selbst die, von denen man erwartet hätte, dass sie nicht abergläubisch wären. Vor allem sie selbst hatten doch gut gearbeitet! Das Haus der Schwalbe war dem Erdboden gleichgemacht, nachdem man die Besitzerin nicht gefunden und um Erlaubnis СКАЧАТЬ