Feuersetzen. Tom Wolf
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Название: Feuersetzen

Автор: Tom Wolf

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935160

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СКАЧАТЬ das sehr gefährlich?«

      »Es geht so …« Bartholdi lächelte gequält und rieb sich das Bein. »Es hat mich mal erwischt, das Erz, als es herunterkam. Das war der Unfall, von dem ich dir schon erzählt habe. Der Feuerhüter hat eine der verantwortungsvollsten Aufgaben im ganzen Bergbau. Er beaufsichtigt die Feuerknappen beim Setzen der Schränke oder Holzstöße, er zündet sie an, beaufsichtigt den Brand und entwettert die Feuerörter und Stollen.«

      »Entwettert?«, fragte Volpi.

      Der Bergmeister hatte zugehört und schaltete sich ein:

      »Ja, denn er allein weiß immer genau – wenn er denn sein Handwerk von der Pike auf versteht –, welche Entlüftungswege es an jeder Stelle im Berg gibt! Der Feuerhüter öffnet oder schließt demzufolge stets die richtigen Wettertüren, bevor die gesetzten Schränke angesteckt werden. Wenn er Fehler macht, können ganze Trupps von Hauern ersticken. Schlimm besonders nach dem Feuersetzen, wenn die Stickgase in toten, ungelüfteten Stollen oder Schrägschächten stehen, und die ahnungslosen Bergleute im Vertrauen auf gute Wetter wieder einfahren …«

      Henning Adeners Stimme klang unheilvoll, und der kleine, untersetzte Mann schwankte wie eine Pappel im Wind: »Herbsts Erfahrung ist nicht zu ersetzen! Sein Gehilfe, Veit Warbeck, wird hart kämpfen müssen, aber es doch nicht allein bewältigen … Herbst hätte ihn noch über Jahre unterrichten müssen …«

      Wie tragisch und wie komisch, dachte Volpi: Feuerhüter zu sein und durch einen Kaminbrand neben jener Frau zu sterben, für die man freventlich entflammt ist …«

      »Wer überbringt Herbsts Gattin diese Hiobsbotschaft und den Ring?«, fragte Jobst trübselig.

      Er blickte flehentlich zum Bergmeister. Aber Adener wehrte ab, sturmbewegt in den Morgen hinausfliegend.

      Ratsapotheker Kohler hatte sich der kniffligen Aufgabe dankbar angenommen. Das Humanistenlatein des Probenrezepts war ihm Ansporn genug gewesen. Nachdem er den Inhalt der Urinflaschen eingedampft hatte, untersuchte er den Rückstand in der von Volpi beschriebenen Weise: Für diesen Nachweis ist es nicht weiter nötig, den Harn zu reinigen, hieß es in de urinis. Und weiter: Das beim Absieden zurückbleibende Salz ergibt in der Spiritusflamme eine blaue Farbe. Das ist das Salz in der Probe. Man mische ein Gran des Salzes oder ein entsprechendes Quantum zu gleichen Teilen mit Bärlapp- oder DrudenfußSporen (mit diesem Hexenmehl betreiben die Feuerspucker ihre Künste): Leuchtet die Flamme jetzt gelblich, ist die Probe rein. Schwarzer Rauch aber bedeutet Gift.

      Kohler hatte nickend das New Kreutterbuch zu Rate gezogen und auch Volpis treffliche Beschreibung des Stechapfels im Botanologicon nochmals überflogen: Der Stechapfel, dessen pflaumengroße Frucht wie ein kleiner Morgenstern aussieht, enthält reichlich Gift, vor allem in den getrockneten Samen. Denn zu ihrem Schutze vorm Verzehr durch Tiere ist dieses in der Natur gut. Am grasbestandenen feuchten Waldhang, wo das Tageslicht gedämpft oder gar nicht auftrifft, fühlt sich die Pflanze am wohlsten. Oft steht sie dort in Ringen und kann von einem, der sich nicht auskennt, von der Blattform her für eine Kürbis- oder Gurken-Art genommen werden. Die weißen länglichen Blüten jedoch sollten jeden alarmieren, denn sie sehen aus wie die Posaunen von Jericho. Die stacheligen Nüsse stehen oben mittig auf den Astkreuzen und ähneln den Hüllen der wohlschmeckenden Esskastanie. Doch die Stacheln an diesen Schutzkapseln der Samen stechen sehr unangenehm und machen ein Pflücken nur schwer möglich. Dies möge jedem aufmerksamen Wissenden die Gefahr rechtzeitig anzeigen. Der Stechapfel wird höchstens knie-, hüft- oder schulterhoch und ist kein Baum, im Übrigen einjährig. Nicht selten fressen Weidetiere, Schweine und Schafe und Kühe, die man unbewacht gelassen, in ihrer Blödigkeit Stechäpfel beim Grasrupfen mit auf und verzucken daher reihenweis tot auf dem Boden. Das Fleisch vergifteter Tiere muss unbedingt vor dem Verzehr ausgiebig gekocht oder geräuchert werden!

      Schwarzer Rauch hatte die Anwesenheit von Stechapfelgift angezeigt … Kohler hatte dem Boten noch ein Sapere aude! sowie eine Empfehlung an den großen Gelehrten mit auf den Weg gegeben.

      Sibylle Herbst hätte Jobst am liebsten wieder die Tür gewiesen, obwohl der gute Mann ja ganz ohne Schuld war. So vorsichtig wie nur möglich hatte er ihr beizubringen versucht, was in der Nacht geschehen war … Doch wenn Jobst, der feine, ehrwürdige Hermes mit seiner Hiobsbotschaft, der sich so um Schonung bemühte, Tränen an ihr erwartet hatte, muss er sehr enttäuscht gewesen sein, dachte sie. Denn die Wut war alles, was sie beim Hören der Nachricht gefühlt hatte, was sie noch jetzt fühlte … ohnmächtige Wut, denn es war ja so ganz und gar unfassbar! Nicht Jobst galt freilich ihre Wut … Sondern dem, der sie in diese fürchterliche Lage gebracht … Jetzt war sie endlich allein mit den aufgepeitschten Gedanken.

      Das Haus wirkte nicht stiller als gewöhnlich. Die Nachricht hatte keine hörbaren Auswirkungen auf diesen Morgen. Ihr kleiner Sohn Otto wurde von der Amme versorgt. Manchmal hörte man ihn auflachen, quengeln oder sonstwie Laut geben. Ein Geklapper von kleinen tönernen Spielpferdchen und hölzernen Wägelchen auf den Dielen … Das Kindermädchen schwätzte beruhigend irgendwelchen Blödsinn. Ihr Mann hatte seit Jahren den Garten zu seinem Reich erklärt und war selbst im Winter stets nur sporadisch im eigenen Haus. Garten und Gartenhaus hatten ihm übers Jahr als Zuhause gedient: zum Empfangen seiner Gespielin, zum Leben, zum Schlafen, und selbst die maroden Mauern der kümmerlichen Schwalbe schienen einladender gewesen zu sein …

      Sibylle Herbst sah ins kleine Spiegeloval an der Wand. Die Tränen kamen einfach nicht … Ottos Tod lockte keine einzige hervor, nein, beileibe nicht, der Tod dieses lieblosen Viehs ließ sie völlig kalt. Und doch – jetzt zitterten ihre Wangen, ihre Züge verzerrten sich … Sie erinnerte sich, dass es zu Anfang, im Jahr ihrer ersten Verliebtheit, ganz anders gewesen war … Damals hatte er ihr auch diesen kostbaren venezianischen Spiegel geschenkt. Wie oft hatte sie hier weinend gesessen, wie viel Leid hatte sie diesem kleinen Spiegel geklagt. Denn die Zeit der ersten Liebe, der Blüte, war so rasch verflogen wie das Weiß und das Rosé der Obstbäume.

      Die Jahre der Kümmernis, die sinnlos verstreichenden Jahre. Die Furcht vor dem Sterben bei lebendigem Leib … Dann die Erlösung, die Wiederbelebung. Das glühende Jahr der Blüte und des Frevels. Des schönen Frevels, der süßen Rache. Ein anderer stand ihr vor Augen, den traf jetzt die Wut. Den allein musste sie treffen … Er ist ein Narr geworden! Ein ganz anderer … Ich verstehe und kenne ihn nicht mehr, dachte Sibylle Herbst. Ich will ihn nicht mehr kennen! Wo waren Klugheit, Verstand, Ruhe, Gelassenheit, die sie neben all seiner Glut so an ihm geschätzt hatte? Der Spiegel antwortete ihr nur mit ihrem Bilde …

      Sie fand ihren Körper noch immer schön. Kastanienbraunes Haar, für gewöhnlich zum Knoten geschlungen und unter der Hörnerhaube versteckt, fiel bis auf das Schachbrett des Kachelbodens herab. Schneeweiß und makellos war die Haut. Warum war Ottos Liebe zerbrochen? Warum war ihre Liebe zerbrochen? Weil er ihre Zartheit mit Füßen getreten hatte, weil er ein zügelloser, fühlloser Klotz gewesen war … Am fehlenden Kind, dachte sie erst. Doch als es dann gekommen war vor über einem Jahr, in der letzten Märzwoche, da war es ihm bloß ein Achselzucken wert gewesen. Ob er gespürt hatte, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war?

      Sie sah Otto und die Schwalbe so deutlich nebeneinander vor sich, als sei sie dort gewesen, im brennenden Haus. Sie hatte nie wirklich begriffen, dass er dazu anstands- und umstandslos in der Lage war, die ganze Zeit über … so wie sie nie geglaubt hatte, dass es Frauen gab, die anderen Frauen das Liebste wegnahmen, obwohl sie es doch besser wusste … War sie denn besser gewesen? Wenigstens hatte sie keiner anderen den Schatz gestohlen. Aber selbst die Verweigerung konnte manchmal einen schmerzlichen Tod bei lebendigem Leib bedeuten. Aber konnte sie auch einen Narren aus einem Besonnenen machen? Was für eine Hölle auf Erden … Darin bestand ihrer aller Meisterschaft, dachte sie voller Sarkasmus, sich durch scheinbar so unschuldiges Tun unentwegt das Leben schwer zu machen, sich Dinge vorzumachen, СКАЧАТЬ