Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren. Manfred Matzka
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СКАЧАТЬ sind mit späteren Beratern durchaus vergleichbar. Auch seine Karriere – kluger und eloquenter Jurist mit direktem Kontakt zur obersten Ebene, Macht, Erfolge, Neider, erzwungener, dennoch ehrenhafter Rückzug – entspricht diesem Muster. Aber seine Stellung gegenüber der wichtigsten Person, die er berät, ist eine besondere und einmalige. Der bürgerlich geborene Einzelgänger hat keine Hausmacht und verfügt nicht über ein solides Beziehungsnetzwerk. Er ist „nur“ der Favorit des Kaiserhauses, der „wahrhaft zutiefst ergebene Diener (und) letzte Mitkämpfer ihrer heroischen Jahre“, „der einflussreichste Ratgeber“, dem Maria Theresia „das Wohlwollen (…) wegen seiner Ergebenheit und unermüdlichen Arbeit“ erhält, er ist „erster Beamter“, „wichtige Stütze“, „vertrauter Mitarbeiter der Kaiserin“. Diese Epitheta ornantia aus der Literatur werden Johann Christoph von Bartenstein wohl gerecht, am besten hat es die Monarchin aber selbst getroffen: „Muß Ihme die Justiz leisten, daß Ihme allein schuldig die Erhaltung dieser Monarchie; ohne Seiner wäre Alles zu Grunde gegangen.“

       2.

       Visionär und Lehrmeister

       JOSEPH FREIHERR VON SONNENFELS

       Berater von Maria Theresia und Joseph II. 1765–1815

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      Reformen gehen hierzulande meist von oben aus und werden mit prominenten Namen verbunden. Joseph von Sonnenfels beeinflusste 50 Jahre lang solche Reformen, ohne selbst höchste Staatsämter innezuhaben. Er war in erster Linie Professor für politische Wissenschaften und Publizist, daneben niederösterreichischer Regierungsrat, Hofrat der Hofkanzlei, Projektmanager, führendes Mitglied von Kommissionen, wichtiger Streiter für den Rechtsstaat, Reformator der Gesetzesssprache und Lehrer berühmter Verwaltungsmänner. Er war der „Montesquieu Österreichs“ und sein Wort hatte über viele Jahre Gewicht bei einer großen Königin und drei Kaisern, in der Politik des Hauses Habsburg und der Wiener Staatenlenker. Sein Verdienst um die Abschaffung von Folter und Todesstrafe ist legendär.

      Er hat – anders als viele andere mächtige Berater und graue Eminenzen – nie zu einer höchsten Position oder zum großen Geld gedrängt. Er war persönlich zwar „voll Anmaßung und Eitelkeit, äußerst fanatisch, spricht zuviel und rühmt sich zuviel“, dennoch ist sein Vermächtnis so glorios wie kaum das eines anderen, in der historischen Darstellung kommt er prominenter vor als andere Persönlichkeiten in vergleichbarer Stellung, als „hellleuchtender Stern aus den Tagen des Übergangs von der Dämmerung zum Lichte, unaufhörlich bestrebt, das seines starren Festhaltens am Alten viel verschrieene Österreich vorwärts zu bringen, Mißbräuche beseitigend, Neuerungen fördernd.“

      Weder der Tag seiner Geburt, nicht einmal das Jahr sind präzise feststellbar, er wird 1732 oder 1733 in Nikolsburg (Mikulov) in Mähren geboren, die jüdischen Geburtsbücher beginnen erst 1735. Der Großvater ist Oberrabbiner, sein Vater ein etwas unsteter Hebräischlehrer namens Lipman Perlin, den es in die mährische Kleinstadt verschlagen hat. Der hiesige Fürst Carl von Dietrichstein wird auf ihn aufmerksam und nimmt ihn in seine Dienste auf, zuvor jedoch muss er zum katholischen Glauben konvertieren. 1735 lässt er sich samt seinen Söhnen taufen und nimmt den Namen Alois Wienner an. Die Beziehung der Familie zum Fürsten ist für deren weiteren Weg bedeutsam. Joseph, einer der Söhne des Lehrers, ist sogar sein Patenkind, dem er immer wieder ein paar Groschen schenkt. Im Piaristengymnasium seiner Heimatstadt fällt der Bub als begabter und braver Schüler auf. Mit knapp 14 Jahren jedoch holt ihn sein Vater, der in Wien eine akademische Karriere gemacht hat, in die Reichshauptstadt nach, wo Joseph bereits Vorlesungen der Philosophie besucht.

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      Joseph Freiherr von Sonnenfels (1732–1817)

      Alois Wienner ist mittlerweile Lehrer an der Universität, besitzt ein Haus in der Stadt und wird 1746 mit dem Prädikat „von Sonnenfels“ geadelt. Dann aber schlittert er in finanzielle Probleme, seiner Frau droht wegen unbezahlter Rechnungen sogar der Schuldturm, er muss die Universität verlassen und aufs Land übersiedeln. Josephs Ausbildung bricht ab. Längere Zeit geht er weder zur Arbeit noch zur Schule. Erst mit 17 sieht er ein, dass ihn sein Vater nicht unterstützen kann, und meldet sich unter dem Namen Joseph Wienner als Soldat bei den Deutschmeistern. Mit diesen zieht er in den folgenden fünf Jahren nach Maribor, Klagenfurt, ins Böhmische und nach Ungarn. Da er einer der wenigen Gebildeten in der Truppe ist, avanciert er zum Korporal, bildet sich nebenher weiter, liest viel, lernt Französisch von Deserteuren und Böhmisch von den Mädchen und spricht am Ende neun Sprachen.

      Als er erfährt, dass sich die Lage seines Vaters wieder gebessert hat und dieser ihn nun „mit Kost und Wohnung unterstützen“ kann, erwirkt Joseph – über Vermittlung seines Fürsten – seine Entlassung aus dem Militär und beginnt mit 22 Jahren an der Universität Wien Recht zu studieren. Vor allem der reformorientierte Naturrechtler Karl Anton von Martini, der spätere Justizminister Josephs II., beeindruckt ihn. Als Sonnenfels Senior wieder an die Universität zurückkehren kann, arbeitet sein Sohn nach der Promotion zeitweilig als sein Assistent und publiziert einen juristischen Aufsatz. Tatsächlich aber strebt er eine Lehrtätigkeit für Sprachen an, vor allem seiner ausgezeichneten Hebräischkenntnisse wegen. Eine Stelle findet er jedoch nicht.

      Der junge Jurist hilft jüdischen Bürgern bei Übersetzungen von Testamenten und Vorschriften, schließlich fängt er in der Hoffnung auf eine spätere besoldete Anstellung als Rechtspraktikant in der „Obersten Justizstelle“ an. Zwei Jahre arbeitet Joseph von Sonnenfels ohne Einkommen, obwohl er bereits aufgrund einiger Publikationen in Insiderkreisen als aufstrebender Wissenschaftler geschätzt wird. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, bewirbt er sich schließlich 1761 um die Stelle eines Rechnungsführers und Schreibers bei der kaiserlichen Leibgarde. Sie ist zwar mit 356 Gulden schlecht besoldet, dafür lernt er einen für seinen weiteren Weg wichtigen Mann kennen, General Ernst Gottlieb Freiherr von Petrasch. Dieser erkennt bald, dass der talentierte Achtundzwanzigjährige für den Schreiberposten überqualifiziert ist, und interveniert für eine Dozentur an der Universität. Der junge Mann nutzt die Freundschaft zum Freiherrn, um Zugang zur hochadeligen Wiener Gesellschaft zu erhalten. Einmal darf er sogar ein kleines Theaterstück für die Kaiserkinder schreiben – sein erster direkter Kontakt zum Hof.

      Am 2. Jänner 1761 macht der umtriebige Sonnenfels in einer Deutschen Gesellschaft in Wien durch ein brillantes Referat über Sprachkultur von sich reden. Petrasch vermittelt ihm daraufhin einen Kontakt zu Staatsrat Egid Freiherr von Borié, der seit Längerem die Etablierung der Polizei- und Kameralwissenschaften und damit erstmals eine systematische Ausbildung der Beamten an der Universität Wien plant. Mit ihm entwickelt sich eine angeregte Diskussion über Staat, Verwaltung und die Wichtigkeit des Bevölkerungswachstums. Sonnenfels publiziert 1762 mehrere Schriften dazu, die bis zu Kaiserin Maria Theresia gelangen. Sowohl die Monarchin als auch ihr Kanzler Wenzel Graf Kaunitz erkennen die Bedeutung der „Cameralwissenschaft“ als Grundlage für eine Staats- und Verwaltungsreform.

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      Doppelporträt Kaiserin Maria Theresia und ihr Sohn und Mitregent Kaiser Joseph II. (1741–1790)

      Am 17. Mai 1762 hält Sonnenfels eine öffentliche Lobrede auf Maria Theresia anlässlich ihres 45. Geburtstags, die gedruckt und bis Berlin verbreitet wird. Zeitgleich verfasst er ein langes Bewerbungsschreiben für eine Dozentenstelle, in dem er zwar nicht die verlangten Vorlesungspläne darlegt, aber die Kaiserin über seine Quellen informiert: „Die berühmtesten Schriftsteller, deren Werth durchwegs erkannt wird, als: L’esprit de loix, Les Elements du Commerce, La theorie et la practique du Commerce“. Dank seiner beiden hohen Förderer erhält Joseph von Sonnenfels СКАЧАТЬ