Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren. Manfred Matzka
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СКАЧАТЬ den Krieg ein. Im Oktober 1741 muss ein schmählicher Waffenstillstand geschlossen werden.

      In dieser dramatischen Zeit stirbt auch noch Kanzler Philipp Ludwig Graf Sinzendorf am 8. Februar 1742. Bartenstein macht sich Hoffnungen auf die Nachfolge, hat er doch in den letzten Jahren des Ministers das Außenamt de facto geführt. Die Monarchin aber denkt in Standeskategorien: Nachfolger kann nicht der Bürgersohn Bartenstein werden, sondern nur ein Diplomat von hohem Adelsrang. Als der Freiherr das erkennt, macht er sich auf die Suche nach einer möglichst schwachen Kanzlerpersönlichkeit und findet Anton Corfiz Graf Ulfeldt, den er Maria Theresia erfolgreich präsentiert.

      Damit hat er die zweitbeste Lösung für sich erreicht: Er muss sich jetzt zwar formell auf seine Funktion als Sekretär der Geheimen Konferenz stützen, bleibt aber weiterhin die graue Eminenz am Ballhausplatz, da ihm sein Chef, eine matte Figur, großen Gestaltungsraum in der Außenpolitik lässt. Natürlich kränkt es ihn, dass er nicht als Minister ins Palais einziehen kann, sondern in seinem Privathaus in der Bäckerstraße wohnen bleiben muss. Doch er ist Profi und lässt sich das nicht anmerken. Nur im Amtskalender achtet er pedantisch darauf, gleich neben dem Ressortchef genannt zu werden.

      Gegenüber den geschniegelten Diplomaten bei Hofe ist der Freiherr weiterhin wenig verbindlich. Daher sind auch deren Urteile über ihn alles andere als schmeichelhaft. Der venezianische Botschafter Foscari beschreibt ihn als „eine eher skurrile Gestalt, ein typischer deutscher Rechtsgelehrter, dem es an jeglicher sozialer Kompetenz fehlt und dessen schriftlicher Ausdruck sich durch einen furchtbaren Stil auszeichnet“. Der Preußische Botschafter Podewil wird sogar untergriffig: Bartenstein sei klein gewachsen „und seine Manieren sind die eines Emporkömmlings. Die Leute von Geburt nachäffend hat er dadurch eine impertinente Haltung angenommen. Er stellt sich als Schönredner hin, bemächtigt sich immer des Gespräches, will überall der Erste sein, schreit wie ein Adler, spielt den Kurzweiligen, behandelt Personen vom vornehmsten Range vertraulich und erlaubt sich gegen sie dasselbe Benehmen wie gegen Seinesgleichen. Mit einem Wort, er ist ein pedantischer Geck.“

      Doch Bartenstein erzielt mit dem von ihm gegängelten Minister Ulfeldt außenpolitische Erfolge: England kann zur Intervention gegen Preußen gewonnen werden. Damit wendet sich das Blatt, 1743 kann sich Maria Theresia die böhmische Königskrone aufs Haupt setzen. Noch einmal versuchen die Preußen einen umfassenden Militärschlag, diesmal aber ohne Erfolg. Als 1745 der aus Bayern stammende Kaiser Karl VII. stirbt, schlägt wieder die große Stunde der Diplomaten vom Ballhausplatz: Bartenstein und sein Team schaffen es, Franz Stephan für die Nachfolge als Kaiser in Position zu bringen. Bayern erhält habsburgische Gebiete und unterstützt Franz Stephan. Damit ist auch der Weg zum Frieden mit Preußen frei, der allerdings mit dem Verlust Schlesiens bezahlt werden muss.

      Ulfeldt und sein Einflüsterer betreiben eine strikt antifranzösische Politik des Bündnisses mit England und den Niederlanden. Doch es bahnt sich eine neue, für die Zukunft des Freiherrn entscheidende Entwicklung an: Im Jänner 1749 wird der achtunddreißigjährige Wenzel Anton Graf Kaunitz ins Kollegium der Konferenz berufen und steigt rasch zum neuen Vertrauten Maria Theresias in außenpolitischen Fragen auf. Er aber ist frankreichfreundlich.

      Kaunitz beginnt, die Geheime Konferenz samt ihrem Sekretär zu entmachten und die auf den Einmannbetrieb des Sechzigjährige zugeschnittene Arbeitspraxis der Kanzlei zu „bürokratisieren“. Es sollen nicht mehr einige wenige Personen dem Chef direkt zuarbeiten, sondern Abteilungen sollen eingerichtet und in diese qualifizierte Beamte eingestellt werden. Außenpolitisch leitet Kaunitz mit seiner profranzösischen Linie einen radikalen Kurswechsel gegenüber der bisherigen Ausrichtung ein, den „Wechsel der Allianzen“. Bartenstein erkennt, dass sein Einfluss sinkt. Er unternimmt noch einige hinhaltende Versuche, um seine Macht zu retten, doch kann er die Entwicklung nur mehr verzögern, nicht mehr verhindern. Nach drei Jahren zäher Intrigen wird er 1753 durch Kaunitz als Leiter der Außenpolitik abgelöst.

      Aber die Kaiserin lässt ihren alten Berater und Favoriten nicht ganz fallen. Sie vergoldet ihm den Abschied durch eine Erhöhung seines Gehalts, eine einmalige Zahlung in Höhe von 100.000 Gulden und Stipendien für seine Söhne.

      Seine Dienste sind fortan auf die innere Verwaltung der Kronländer beschränkt. Er wird Vizekanzler des Directoriums in publicis et cameralibus – also der österreichisch-böhmischen Hofkanzlei –, zusätzlich wird ihm die Direktion des neu errichteten geheimen Hausarchives übertragen. Zwei Jahre später soll er einen neuen Zolltarif für Österreich ob und unter der Enns erstellen. Später wird er Präsident der illyrischen Hofdeputation, die die Angelegenheiten der aus Serbien eingewanderten Bevölkerung zu regeln hat, und schließlich führt er die Deputation zur Leitung des Sanitätswesens. Das sind zwar nicht bloß Pensionsjobs und Ehren für einen „Senior Expert“, in den zentralen Regierungsprojekten jedoch hat Bartenstein nichts mehr zu sagen. Maria Theresia hat ihren eigenen Weg gefunden, sie hört immer öfter auf eine neue Generation junger, aufgeklärter, kreativer Geister.

      Dennoch vertraut die Kaiserin die Erziehung und den Unterricht ihres ältesten Sohnes Joseph dem alten Berater an. Er entwirft die Grundlinien der Ausbildung, definiert die Fächer, die für einen künftigen Regenten wichtig sind, und erstellt umfangreiche Skripten. Am Ende umfassen diese 14 handschriftliche Bände sowie sechs zusätzliche mit Beilagen. Eine darin enthaltene Zusammenstellung soll ein detailliertes Bild des aktuellen inneren Zustandes der einzelnen Länder der österreichischen Monarchie vermitteln – diese „Compendien über den Kaiserstaat und dessen Verwaltung, Nachrichten von den ungarischen und siebenbürgischen Bergwerken, Rechtscompendien“ bleiben allerdings unvollendet.

      Einmal ergibt sich noch ein völkerrechtlicher Konsultationsbedarf: Als Maria Theresia nach der verlorenen Schlacht bei Prag im Mai 1757 nahe daran ist, dem preußischen König Friedrich II. einen Teil Böhmens abzutreten, bäumt sich der alte Recke in seiner Funktion als böhmischer Hofvizekanzler dagegen auf: Zitternd legt er die bereits ausformulierte Urkunde aus der Hand und verweigert die Unterschrift. „Wir befehlen es ihm hiermit“, ruft die Kaiserin aus, aber Bartenstein wirft sich ihr förmlich zu Füßen und beschwört sie, von dem Vorhaben abzulassen. Maria Theresia fügt sich schließlich tatsächlich, Feldmarschall Leopold Joseph von Daun erhält Order, Prag zu entsetzen. Wenige Wochen danach entscheidet die Schlacht von Kolin tatsächlich das Schicksal Böhmens zugunsten Österreichs.

      Am 5. August 1767 geht Bartensteins Leben zu Ende. Seinen Kindern hinterlässt er ein enormes Vermögen von mehr als anderthalb Millionen Gulden, das er der Freigebigkeit Maria Theresias verdankt. Nicht ohne realen Bezug hat ja die Kaiserin gemeint, „ich werde, so lange ich lebe, an diesen Ihren Personen, Kindern und Kindeskindern erkennen, was Sie mir und dem Staate vor Dienste geleistet; auch verobligire (ich) meine Nachkömmlinge, solche an denen Ihrigen allezeit zu erkennen, so lang sie selbige finden und seyn“. Zu diesem Vermögen gehören umfangreiche Ländereien in Niederösterreich, Mähren und Schlesien. Um Zigtausende Gulden hat er Güter in Iglau (Jihlava), Johannesthal (Janov) und Hennersdorf (Jindřichov) gekauft, 1749 Ebreichsdorf, 1760 Raabs. Aus den Erträgen wird die Herrschaft Poysbrunn erworben und im niederösterreichischen Falkenstein die Familiengruft angelegt. Später kommen Besitzungen in Schrems, Tribuswinkel und in Deutsch-Knönitz (Miroslavské Knínice) hinzu. Der Migrant aus Straßburg, der einst als mittelloser Referendar nach Wien kam, hat seine Stellung offensichtlich nicht nur offiziell und politisch, sondern auch persönlich und ökonomisch bestens genutzt. Private Haushaltung und öffentliche Repräsentanz sind ja in seiner Zeit noch nicht voneinander getrennt, finanzielle Zuwendungen für amtliche Tätigkeiten üblich. Erst viel später wird die strikte Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Sphäre Auswirkungen auf die Arbeit und das Leben von Hofräten und Ratgebern haben – und einige, die sich nicht daran hielten, unehrenhaft scheitern lassen.

      Johann СКАЧАТЬ