Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren. Manfred Matzka
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СКАЧАТЬ von Schüssel, Gusenbauer, Faymann, Kern

       15.Krisenmanagement am Ballhausplatz

       ZWISCHEN MESSAGE CONTROL UND STAATSRÄSON

       Von Kurz zu Bierlein und wieder retour

       Graue Eminenzen

       DAS WESEN DES HOFRATS

       Dank

       Literatur

       Vieler Herren Räte

       „Kennt der Regent noch so genau seine Pflichten, so ist es doch zur Ausübung der Majestätsrechte notwendig, dass er die Verhältnisse des ganzen Staates und die besonderen Bedürfnisse kennt. Diese müssen ihm nun von seinen Räten getreu vorgelegt werden. Hieraus erhellt, von welcher Wichtigkeit die Wahl des Beamten sei. Auf diese kommt alles an. Ist der Monarch von vernünftigen Beamten umgeben, so ist er vor den meisten Fehltritten gesichert.“

      MARTINI, Lehrsätze über das allgemeine Staatsrecht, 1791

      „Zum Chef! Tausendmal hat mich diese denkbar knappe telefonische Mitteilung einer Sekretärin Richtung Minister, Kanzler oder Kanzlerin in Bewegung gesetzt. Selten riefen die hohen Herren und Damen selbst an – manch ein Kollege fuhr sogleich aus seinem Bürostuhl hoch und zupfte sich hektisch die Krawatte zurecht. Ganz selten erschienen sie persönlich in meinem Zimmer, dann war er oder sie entweder sehr gut oder sehr schlecht drauf. „Zum Chef“, mitunter verstärkt mit „gleich!“, heißt, auf den 50 Metern bis zum Allerheiligsten blitzschnell Revue passieren zu lassen, mit welchem Journalisten du gesprochen hast, welches Projekt aus dem Ruder zu laufen droht, was heute Früh in der Zeitung zu lesen war, welcher Parteirebell oder Intrigant im Terminkalender steht. „Zum Chef“ impliziert nicht immer einen Beratungsbedarf, es kann auch sein, dass er einfach nur jemandem zum Reden braucht, Frustration am Ende des Tages abarbeitet, eine spontane Idee loswerden will, Mensch sein will inmitten des gnadenlosen Offiziellen.

      Das darauf gemünzte Bonmot eines im obersten Stock des Ministeriums residierenden österreichischen Sektionschefs, der gemeint haben soll, „Es ist mir eigentlich egal, wer unter mir Minister ist“, ist allerdings ebenso beliebt wie falsch. Ich war 22 Jahre Sektionschef, fünf Jahre Kabinettschef, mehrmals Kanzlerberater, durfte sieben Bundeskanzlern und acht Ministern dienen – ich weiß das. Kein tatsächlich einflussreicher Spitzenbeamter würde je so etwas sagen und kein Minister würde so etwas dulden. Dennoch ist das Bild von Franz Werfel von „den vierzig bis 50 Beamten, die in Wirklichkeit den Staat regieren“ nicht ganz falsch. Schließlich kommt der Verwaltung, den Routiniers, den Ratgebern in unserem Land seit jeher eine wichtige Bedeutung zu. Auch in meinen 40 Berufsjahren in diesem System war das so.

      Berater, Sonderberater, Kabinettschef, Generalsekretär, Consulter, Spin-Doctor, Thinktank-Leiter – die Bezeichnungen für jene, die hinter den Kulissen die Regierenden beeinflussen, sind vielfältig. Aber allen ist gemeinsam: Sie treten selbst nicht in das Licht der Öffentlichkeit und stellen sich dort nicht der Verantwortung. Sie sind intelligent, gebildet, wissen viel oder Spezielles, sind bereit, hinter dem Chef zurückzustehen und ihm zuzuarbeiten. Sie werden von diesem geschätzt und gefördert, kennen das Umfeld, dessen Strukturen, die Abläufe und die handelnden Personen bis ins kleinste Detail. Sie verlieren nie die Übersicht und haben einen langen Atem, sie denken strategisch und handeln unbeirrt. Sie überdauern die Politiker und sind daher wichtig.

      Diese Rolle ist kein Phänomen der jüngeren Vergangenheit. Seit es Staaten und Verwaltungen in unserem heutigen Verständnis gibt, wird sie ausgeübt. Seit es Minister gibt, sind sie von solchen Personen abhängig. Ihre Funktionen, Arbeitsweisen und ihre Bedeutung haben sich im Kern wenig verändert, nur die Erscheinungsform passte sich dem Wandel der Politik und Gesellschaft an. Zunächst war es das Mitglied des Geheimen Rates, das dem Kaiser mit Rat und Tat zur Seite stand, dann trat der Hofrat beim k. u. k.-Minister in Erscheinung, danach der Sektionschef oder Kabinettschef in republikanischer Zeit. Ab und zu konnte es auch ein Universitätsprofessor sein. Und mit der Zeit modernisierte sich diese Rolle hin zum Medienstrategen, Consulter und Sonderberater.

      Die Einflüsse dieser Ratgeber sind nicht immer klar nachvollziehbar, schließlich wird nach außen hin bloß der politische Wille des Ministers und der Regierung sichtbar. Unbestritten ist jedoch, dass die höchsten Ränge der Bürokratie und die beigezogenen externen Experten enormen Einfluss haben. Sie sind rechte Hand, Auge und Ohr des Chefs, sie entscheiden, wer und was zu ihm vordringt und wer und was nicht, sie entwickeln, wie er denkt und was er sagt. Die graue Eminenz ist immer in der Nähe, wenn entschieden wird, sie lenkt und steuert – zumeist erfolgreich – in die gewollte Richtung, sie vermag einer Entscheidung im Nu zur Umsetzung zu verhelfen oder alles so zu steuern, bis die Sache still im Sande verläuft. Geschickt kann sie Hindernisse aufbauen und wachsen lassen, sie aber gleichzeitig so kunstvoll tarnen, dass sie zunächst ebenso wenig wahrgenommen werden wie derjenige, der sie errichtet hat – bemerkt werden sie erst, wenn es zu spät ist und wieder einmal eine Initiative an den „allgemeinen Umständen“ scheitert. Die graue Eminenz erkennt frühzeitig Fallstricke, beseitigt sie unmerklich oder knüpft sie noch fester. Sie weiß, wie es geht, und stellt dieses Wissen auch zur Verfügung – vorbehaltlos oder nur teilweise, allen oder nur Ausgewählten, rechtzeitig oder im Nachhinein.

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      Bundeskanzleramt Wien, Sitz der Staatskanzler, Bundeskanzler und Außenminister

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      Der Leopoldinische Trakt der Wiener Hofburg, Arbeitsstätte der habsburgischen Herrscher und Amtssitz der Bundespräsidenten

      Die österreichische Ausprägung dieser Akteure im politisch-administrativen System führt den schönen Titel „Hofrat“. Ein Rollentypus, der die Systeme und Jahrhunderte überdauerte mit einer Titulierung, die nur in unserem josephinisch geprägten Land Sinn ergab und ergibt und weit über die berufliche Stellung hinausgeht, indem sie soziale und kulturelle Eigenschaften, ja sogar eine typische Sprachmelodie miteinbezieht.

      Dieses Buch porträtiert bedeutende oder bloß wichtige Vertreter dieser Spezies. Über die Jahrhunderte hinweg schmückte dieser Titel den Leiter einer obersten Behörde, das ist bis heute so geblieben. Ausnahmen gibt es, manchmal wird jemand auch zum Hofrat ernannt, ohne etwas zu leiten. In der Verwaltung eines Bundeslandes wurde dieser Unterschied einmal fein ziseliert, indem die wirklichen Leiter als „vortragende“ Hofräte bezeichnet wurden. Der Bürokratentratsch machte daraufhin prompt jene, die nur den Titel trugen, zu „nachtragenden“ Hofräten.

      Das Buch erzählt auch von Sektionschefs. Das sind die Leiter der großen Teile eines Ministeriums, der Sektionen. Lange Zeit waren sie die wahren Mandarine in unserem Regierungssystem, direkt und nur dem Minister unterstellt, nahezu allmächtig in ihrem Wirkungsbereich, beeindruckende Persönlichkeiten, die auch ihre gesellschaftliche Stellung im Sozial- und Kulturleben der Stadt behaupteten. Seit es Generalsekretäre СКАЧАТЬ