Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren. Manfred Matzka
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СКАЧАТЬ kann Joseph auch heiraten. Der Ordinarius nimmt die erst fünfzehnjährige Maria Theresia, Tochter eines böhmischen Amtmanns, zur Frau. Sie wird wegen ihrer hohen sozialen Kompetenz und ihres weithin gerühmten Salons große Bedeutung für das gesellschaftliche Netzwerk ihres Gatten erlangen. Die Ehe hält bis zu seinem Tod.

      Der Hof setzt sein Gehalt mit nur 500 Gulden jährlich fest, wovon die Familie nicht leben kann, erst über Intervention des Staatsrates Borié werden angemessene 1.200 bewilligt. Als er sich verpflichtet, auch am Theresianum zu unterrichten, werden es sogar 2.000 Gulden. Die Kaiserin nimmt lebhaften Anteil an der Arbeit der Lehrkanzel, sie stiftet Stipendien und will sogar die Namen der Studierenden wissen.

      Sonnenfels stürzt sich in die Aufgabe und stellt 1765 ein Lehrbuch fertig, die „Grundsätze der Polizey, Handlung und Finanz“ in drei Bänden, das Standardwerk für alle Verwaltungsmanager des Kaiserreichs in den nächsten 50 Jahren. Allein dieser Erfolg würde ihm einen bleibenden Platz als Berater sichern, zum Dank ernennt ihn die Kaiserin zum niederösterreichischen Regierungsrat – das ist aber nur ein Titel ohne Aufgaben. Sonnenfels intensiviert seine Arbeit, er verfasst zahlreiche Gutachten für den von Borié geführten Staatsrat – niemand anderer kommt in dessen Akten so häufig vor wie er. Zudem erstellt er Musterbücher mit Eingaben und Erledigungsformularen für den Amtsgebrauch, hält Reden, wo immer es geht, und wird gewissermaßen zum Politologieprofessor der Nation. Als solcher setzt er weitere Lehrstühle nach seinem Muster in Linz, Tyrnau (Trnava) und Klagenfurt durch, erhält zusätzliche Assistenten und baut sich ein Netzwerk auf.

      „Sein glänzender Vortrag und die Tüchtigkeit des Inhalts erwarben ihm bald die Liebe und Verehrung der Jugend. In periodischen Blättern trat er gegen alle an dem Baume der Cultur im Laufe der Jahrhunderte sichtbar gewordenen, denselben in seiner Entwicklung störenden Auswüchse auf, gegen den Aberglauben, gegen die Selbstsucht, gegen die schroffen Mängel in der Erziehung, gegen die Vorurtheile des Adels, gegen die Ueberzahl und Zwecklosigkeit der Klöster.“ Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit ist Sonnenfels auch journalistisch tätig, etwa als Herausgeber von „moralischen“ Wochenzeitungen, des Journals „Der Mann ohne Vorurteil“ sowie Publikationen mit blumigen Titeln wie „Der Verkannte“ oder „Theresia und Eleonore“.

      In der Folge ist er immer seltener im Hörsaal anzutreffen. Das führt zu einem heftigen Streit mit der Studienhofkommission, die dem heutigen Wissenschaftsministerium entspricht. Doch das ficht Sonnenfels kaum an. Er hat den Staatsrat und die Kaiserin hinter sich. Als ihm 1770 Maria Theresias Sohn und Mitregent Joseph auf Vorschlag der Kommission befiehlt, mehr Vorlesungen zu halten, wendet er sich sofort an die Monarchin, die ihn wieder von der Lehrtätigkeit dispensiert. Er hat es geschafft, vom bloßen Professor zum Direktor der Verwaltungswissenschaften im Land aufzusteigen. Damit ihm künftig niemand in die Quere kommt, lässt er sich selbst in die Studienhofkommission ernennen.

      Doch mächtige Feinde intrigieren weiterhin gegen ihn: Einerseits die konservative Hochschule, in deren Gremien es gar nicht gern gesehen wird, dass ein neues Fach mit modernem Zuschnitt ihre wohlgesetzte Ruhe stört und zu neuen Arbeitsweisen und Methoden der Personalrekrutierung im Staat führt. Andererseits die Verwaltungspraktiker, die sich ungern von einem Theoretiker belehren lassen wollen. Und schließlich die Politiker, die den aufklärerischen Elan des Parvenüs missbilligen. Schließlich lehrt er ganz nach dem neuen französischen Geist und wird daher beschuldigt, „das Verständniß für die historischen Grundlagen des Staatswesens und Volkslebens verloren zu haben, und die großartigsten, durch jahrhundertjährige Erfahrung gewonnenen Institutionen und Resultate einseitig den philosophischen Doctrinen der Zeit zu unterstellen“.

      Tatsächlich hat Joseph von Sonnenfels die Gabe, moderne Theorien verständlich zu vermitteln und sie für das Reich und dessen Verwaltung nutzbar zu machen. Sein Staatsmodell ist der aufgeklärte Absolutismus, den er als ideale Regierungsform betrachtet. Sinn und Zweck der Gesetze liegen für ihn in der Förderung der allgemeinen Wohlfahrt. Zu große soziale Unterschiede sollen ausgeglichen werden, Herrschaft soll vernunftgeleitet und zweckmäßig agieren, die Regierung verfassungsmäßig handeln. Den Staat teilt er in vier Klassen ein, eine Pyramide mit dem Herrscher an der Spitze.

      „Dass es ihm bei solchem Freimuth in seinen Ansichten nicht an Feinden fehlte, begreift sich leicht; es ergingen heimliche und öffentliche Denunciationen gegen ihn; aber die große Kaiserin ließ sich dadurch nicht irre machen.“ Maria Theresia weiß nur zu gut um die Notwendigkeit, in der Verwaltung gründlich aufzuräumen. Deren Unterbau stammt noch aus dem Mittelalter und wird den neuen Anforderungen nicht gerecht. Die militärischen Niederlagen gegen Preußen haben gezeigt, dass es hoch an der Zeit ist, die Administration zu modernisieren, effizienter zu machen und die Mittel besser einzusetzen. Dafür bedarf sie guter Minister, dafür brauchen diese aber eine wissenschaftliche Basis und eine perfekte Kommunikation. Beides besorgt Sonnenfels für sie. Ab und zu, wenn die Protestnoten überhandnehmen, ermahnt sie ihren Professor, dass er „seine allzugroße Freyheit im Schreiben überhaupt behörig mässige und beschränke“ und sich größerer „Bescheidenheit und reifrer Oberlegung bedienen“ möge. Allenfalls fragt sie Gerard van Swieten, ebenfalls einer der Reformer im Umfeld der Kaiserin, um Rat. Doch der spricht sich immer zugunsten von Sonnenfels aus – das fortschrittliche Beraterteam der Kaiserin lässt sich keinen herausschießen.

      Nun nimmt der Hof den Berater und Verwaltungsexperten auch für Vollzugsaufgaben in Anspruch: Ab 1770 amtiert er zwei Jahre als Zensor und hat damit beträchtlichen Einfluss darauf, was gedruckt erscheinen darf. Dabei begibt er sich aber mit großem Engagement an eine Nebenfront: Er bekämpft die Bühnenfigur des derben Hanswurst und eröffnet „einen hartnäckigen Krieg (…) gegen die Zoten auf den Theatern und den Unfug der extemporirten Stücke. Es entbrannte alsbald ein Kampf auf Leben und Tod zwischen Sonnenfels und dem Hanswurst. Selbst als die Kaiserin Maria Theresia resolvirte: ‚Die Comödianten sind eine Bagage und bleiben eine Bagage und der Herr Hofrath von Sonnenfels könnte auch was Besseres thun, als Kritiken schreiben‘, lässt er sich nicht beirren.“ Als viele Jahre später nach dem Tod Kaiser Josephs II. die konservative Theaterzensur auf Sonnenfels’ alte Ausführungen zurückgreift, trägt es ihm massive Kritik ein, seinerzeit politische Zensur salonfähig gemacht zu haben.

      Am Anfang seiner Tätigkeit für die Zensurbehörde steht er innerhalb der Kommission noch auf der liberalen Seite. Deren Chef Gerard van Swieten hat ihn ja auch genau wegen dieser Haltung zur Unterstützung in seinem Kampf mit dem konservativen Wiener Kardinal geholt. Folgerichtig erbittet Sonnenfels nach dem Tod van Swietens im Jahr 1772 seine Entlassung aus der Kommission, was die Kaiserin umso lieber gewährt, nachdem er für einen Verbleib ein zusätzliches Honorar von 1.500 Gulden begehrt.

      Ein Jahr nach seinem Abgang wird Sonnenfels Referent für Polizeiwesen bei der niederösterreichischen Regierung. Anschließend fungiert er ab 1776 als „Illuminationsdirektor“ von Wien. Der bisherige Beleuchtungspächter hatte kläglich versagt, in den folgenden zwei Jahren zeigt Sonnenfels, dass er nicht nur ein guter Theoretiker, sondern auch ein guter Verwalter ist: Unter seiner Führung entsteht die erste permanente Straßenbeleuchtung Europas. Wieder ist die Kaiserin mit ihm sehr zufrieden: „Nachdeme dieses Werk Sonnenfels so gutt geführt, so solle er noch selbes continuiren mit 2000 Gulden aus dem illumnations fondo remuneration und gratis den Hofraths Titl.“

      Über das Selbstbewusstsein des Beleuchtungsdirektors gibt eine Anekdote beredtes Zeugnis: Eines Spätabends fährt er mit einem Gast von Schönbrunn zurück über die Laimgrube in die Innenstadt. Die Glacis-Laternen brennen lustig, der Himmel ist bewölkt. Plötzlich tritt der Mond hervor und erhellt die Stadt. „Welch’ herrliche Beleuchtung!“, ruft der Fremde aus. Sonnenfels im Glauben, er meine die der Laternen, entgegnet geschmeichelt: „Sie ist ja auch von mir.“

      Sein größter Erfolg als Berater der Regierung und der Kaiserin steht aber noch bevor: der Kampf gegen Folter und Todesstrafe, der ihn 20 Jahre lang nicht loslässt. Schon im Lehrbuch von 1765 führt er aus, dass die Todesstrafe nicht wirklich abschreckend auf Verbrecher wirke. Jedes verlorene Leben eines Untertanen sei ein Verlust für den Staat. Zwei СКАЧАТЬ