Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
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Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

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isbn: 9789176377444

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СКАЧАТЬ Bezeichnung des Experiments sind wiederum Vokabeln der mystischen Terminologie; in ihnen gipfelt, was die Frühromantik über das Prinzip der Naturerkenntnis zu erklären und zu verheimlichen hatte. Die Frage, auf welche der Begriff der Beobachtung antwortet, lautet: welches Verhalten hat der Forscher einzuschlagen, um unter der Voraussetzung, daß das Wirkliche ein Reflexionsmedium sei, die Natur zu erkennen? Er wird wissen, daß keine Erkenntnis ohne die Selbsterkenntnis des zu Erkennenden möglich ist und daß diese durch ein Reflexionszentrum (den Beobachter) in einem anderen (dem Dinge) nur wachgerufen werden kann, indem das erste durch wiederholte Reflexionen bis zum Umfassen des zweiten sich steigert. Diese Theorie hat bezeichnenderweise zuerst Fichte für die reine Philosophie ausgesprochen, und damit einen Hinweis darauf gegeben, wie tief sie mit den rein erkenntnistheoretischen Motiven des frühromantischen Denkens zusammenhängt. Er sagt von der Wissenschaftslehre im Gegensatz zu den anderen Philosophien: »Dasjenige, was sie zum Gegenstande ihres Denkens macht, ist nicht ein toter Begriff, der sich gegen ihre Untersuchung nur leidend verhalte, … sondern es ist ein Lebendiges und Tätiges, das aus sich selbst und durch sich selbst Erkenntnisse erzeugt, und welchem der Philosoph bloß zusieht. Sein Geschäft in der Sache ist nichts weiter, als daß er jenes Lebendige in zweckmäßige Tätigkeit versetze, dieser Tätigkeit desselben zusehe, sie auffasse und als Eins begreife. Er stellt ein Experiment an … wie das Objekt sich äußere, ist … Sache … des Objekts selbst … In den entgegengesetzten Philosophien … gibt es nur eine Reihe des Denkens, die der Gedanken des Philosophen, da sein Stoff selbst nicht als denkend eingeführt wird«.144 Was bei Fichte für das Ich gilt, das gilt bei Novalis vom Naturgegenstand und wird zu einem zentralen Satz der damaligen Naturphilosophie.145 Die Bezeichnung dieser Methode als Experiment, die schon Fichte gab, lag gegenüber dem Naturgegenstand besonders nahe. Das Experiment besteht in der Evokation des Selbstbewußtseins und der Selbsterkenntnis im Beobachteten. Eine Sache beobachten, heißt nur, sie zur Selbsterkenntnis bewegen. Ob das Experiment gelingt, hängt davon ab, wie weit der Experimentator imstande ist, durch Steigerung seines eigenen Bewußtseins, durch magische Beobachtung, wie man sagen darf, sich dem Gegenstand zu nähern und ihn endlich in sich einzubeziehen. In diesem Sinn sagt Novalis vom echten Experimentator: Die Natur »offenbart sich umso vollkommener durch ihn, je harmonischer seine Konstitution mit ihr ist«,146 und vom Experiment, daß es »die bloße Erweiterung, Zerteilung, Vermannigfaltigung, Verstärkung des Gegenstandes«147 sei. Darum zitiert er beifällig die Meinung Goethes: »daß jede Substanz seine (sic!) engeren Rapports mit sich selbst habe, wie das Eisen im Magnetism«.148 In diesen Rapports erblickt er die Reflexion des Gegenstandes; wieweit er damit Goethes Meinung traf, muß hier dahingestellt bleiben. – Das Medium der Reflexion, des Erkennens und des Wahrnehmens fällt bei den Romantikern zusammen. Der Terminus der Beobachtung spielt auf diese Identität der Medien an; was im gewöhnlichen Experiment als Wahrnehmung und planmäßige Einrichtung des Versuchsverlaufs getrennt ist, ist in der magischen Beobachtung vereinigt, die ja selbst ein Experiment, nach dieser Theorie das einzig mögliche Experiment ist. Man darf diese magische Beobachtung im Sinn der Romantiker auch eine ironische nennen. Sie beobachtet nämlich an ihrem Gegenstand nichts Einzelnes, nichts Bestimmtes. Keine Frage an die Natur liegt diesem Experiment zugrunde. Vielmehr faßt die Beobachtung nur die aufkeimende Selbsterkenntnis im Gegenstand ins Auge, oder vielmehr, sie, die Beobachtung ist das aufkeimende Gegenstandsbewußtsein selbst. Mit Recht darf sie also eine ironische heißen, weil sie im Nicht-Wissen – im Zuschauen – besser weiß, – identisch mit dem Gegenstand ist. Es wäre also erlaubt, wenn es nicht richtiger wäre, diese Korrelation überhaupt aus dem Spiel zu lassen, von einer Koinzidenz der objektiven und der subjektiven Seite in der Erkenntnis zu sprechen. Simultan jeder Erkenntnis eines Gegenstandes ist das eigentliche Werden dieses Gegenstands selbst. Denn die Erkenntnis ist, nach dem Grundsatz der Gegenstandserkenntnis, ein Prozeß, der das zu Erkennende erst zu dem, als was es erkannt wird, macht. Daher sagt Novalis: »Der Beobachtungsprozeß ist ein zugleich subjektiver und objektiver Prozeß, ideales und reales Experiment zugleich. Satz und Produkt müssen zugleich fertig werden, wenn er recht vollkommen ist. Ist der beobachtete Gegenstand ein Satz schon und der Prozeß durchaus in Gedanken, so wird das Resultat … derselbe Satz nur in höherem Grade sein«.149 Mit dieser letzten Bemerkung geht Novalis über die Theorie der Naturbeobachtung zur Theorie der Beobachtung geistiger Gebilde über. Der »Satz« in seinem Sinne kann ein Kunstwerk sein.

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       Die Kunstkritik

      ~I. Die frühromantische Theorie der Kunsterkenntnis~

      Die Kunst ist eine Bestimmung des Reflexionsmediums, wahrscheinlich die fruchtbarste, die es empfangen hat. Die Kunstkritik ist die Gegenstandserkenntnis in diesem Reflexionsmedium. In der folgenden Untersuchung ist also darzustellen, welche Tragweite die Auffassung der Kunst als eines Reflexionsmediums für die Erkenntnis ihrer Idee und ihrer Gebilde sowie für die Theorie dieser Erkenntnis hat. Die letzte Frage ist durch alles Vorhergehende soweit gefördert, daß es nur einer Rekapitulation bedarf, um die Betrachtung von der Methode der romantischen Kunstkritik zu deren sachlicher Leistung überzuführen. Selbstverständlich wäre es völlig verfehlt, bei den Romantikern nach einem besonderen Grund zu suchen, aus dem sie die Kunst als ein Reflexionsmedium betrachten. Für sie war diese Deutung alles Wirklichen, also auch der Kunst, ein metaphysisches Credo. Es ist, wie schon in der Einleitung angedeutet wurde, nicht der zentrale metaphysische Grundsatz ihrer Weltanschauung gewesen, dazu ist sein spezifisch metaphysisches Gewicht bei weitem zu gering. Aber wie sehr auch dieser Zusammenhang darauf angewiesen ist, diesen Satz nach Analogie einer wissenschaftlichen Hypothese zu behandeln, ihn nur immanent klar zu legen und an seiner Leistung für die Auffassung der Gegenstände zu entfalten, so ist nicht zu vergessen, daß in einer Untersuchung der romantischen Metaphysik, des romantischen Geschichtsbegriffs, diese metaphysische Anschauung alles Wirklichen als eines Denkenden noch andere Seiten an den Tag legen würde, als es mit Beziehung auf die Kunsttheorie geschieht, für welche ihr erkenntnistheoretischer Gehalt vor allem ins Gewicht fällt. Seine metaphysische Bedeutung dagegen wird in dieser Abhandlung nicht eigentlich erfaßt, sondern nur in der romantischen Kunsttheorie berührt, welche freilich ihrerseits unmittelbar und mit ungleich größerer Sicherheit die metaphysische Tiefe des romantischen Denkens erreicht.

      An einer Stelle der Windischmannschen Vorlesungen ist noch der schwache Nachklang des Gedankens zu vernehmen, der Schlegel zur Athenäumszeit mächtig bewegte und seine Theorie der Kunst bestimmte. »Es gibt … eine Art des Denkens, die etwas produziert und daher mit dem schöpferischen Vermögen, das wir dem Ich der Natur und dem Welt-Ich zuschreiben, große Ähnlichkeit der Form hat. Das Dichten nämlich; dies erschafft gewissermaßen seinen Stoff selbst«.150. An jener Stelle hat der Gedanke keine Bedeutung mehr. Er ist jedoch der klare Ausdruck von Schlegels älterem Standpunkt, daß nämlich die Reflexion, welche er früher als Kunst dachte, absolut schöpferisch, inhaltlich erfüllt sei. So kannte er denn in der Zeit, auf welche sich diese Untersuchung bezieht, auch noch nicht jenen Moderantismus im Reflexionsbegriff, demzufolge er in den Vorlesungen der Reflexion den sie begrenzenden Willen gegenüberstellt (s. o. p.37). Früher kannte er nur eine relative, autonome Begrenzung der Reflexion durch sich selbst, die, wie sich ergeben wird, in der Kunsttheorie eine wichtige Rolle spielt. Die Schwäche und Gesetztheit des späteren Werkes beruht auf der Einschränkung der schöpferischen Allmacht der Reflexion, welche einst für Schlegel in der Kunst sich am deutlichsten offenbart hatte. Mit ähnlicher Deutlichkeit, wie an jener Stelle der Vorlesungen, hat er in der Frühzeit die Kunst als ein Reflexionsmedium nur in dem berühmten 116. Athenäumsfragment bezeichnet, in dem es von der romantischen Poesie heißt, daß sie »am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden151 frei von allem … Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen« kann. Von dem produktiven und rezeptiven Verhältnis zur Kunst sagt Schlegel: »Das Wesen des poetischen Gefühls liegt vielleicht darin, daß man sich ganz aus sich selbst affizieren … kann«152. Das heißt: Der Indifferenzpunkt der Reflexion, an dem diese aus dem Nichts entspringt, ist das poetische Gefühl. Ob in dieser Formulierung eine Beziehung СКАЧАТЬ