Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke. Walter Benjamin
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke - Walter Benjamin страница 187

Название: Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

Автор: Walter Benjamin

Издательство: Ingram

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9789176377444

isbn:

СКАЧАТЬ Leben, den Willen, die Absicht seiner sittlichen Tat, die Kulturprobleme für sich löst.

      Die Jugend selbst hat Ibsen dargestellt in der Hilde Wangel des »Baumeister Solneß«. Doch unser Interesse wendet sich dem Baumeister, nicht der Hilde Wangel zu, die nur das blasse Symbol der Jugend ist.

      Zuletzt komme ich zu dem jüngsten Dichter der Jugend. Zugleich zu einem Dichter der heutigen Jugend, vor allen genannten: zu Carl Spitteier. Wie Shakespeare in Hamlet, wie Ibsen in seinen Dramen, stellt auch Spitteier Helden dar, die für das Ideal leiden. Noch ausgesprochener als bei Ibsen für ein universales Menschheitsideal. Eine neue Menschheit des Wahrheitsmutes sehnt Spitteier herbei. Vor allem seine beiden großen Schöpfungen: die Epen »Prometheus und Epimetheus« und der »Olympische Frühling« sind der Ausdruck seiner Überzeugung und hier, wie auch in seinem herrlichen Bekenntnis-Roman »Imago«, den ich für das schönste Buch für einen jungen Menschen halte, stellt er die Stumpfheit und Feigheit der Durchschnittsmenschen bald tragisch, bald lächerlich oder sarkastisch dar. Auch er geht vom Pessimismus aus, um sich zum Optimismus im Glauben an die sittliche Persönlichkeit zu erheben (Prometheus, Herakles im »Olympischen Frühling«). Macht ihn schon sein universales Menschheits-Ideal und seine Überwindung des Pessimismus zu einem Dichter für die Jugend und besonders für unsre Jugend, so vor allem sein herrliches Pathos, das er einer Sprachbeherrschung verdankt, die er wohl mit keinem Lebenden teilt.

      So steht die Erkenntnis, in der unsre Zeitschrift wirken will, schon fest begründet da in den Werken der Größten der Literatur.

      —————

      1911

      Wenn ich hier im Rahmen einer Zeitschrift eine so bedeutende Gründung wie die Freie Schulgemeinde Wickersdorf (bei Saalfeld in Thüringen) zu charakterisieren suche, so ist zweierlei vorauszuschicken. Im Bestreben, den theoretischen, ideellen Gehalt der Schule darzustellen, muß ich auf eine Schilderung des täglichen, lebendigen Schullebens, das ja an sich durchaus wichtig ist, um den vollkommenen Eindruck einer Schule zu erwecken, verzichten. Ebensowenig kann ich im Bestreben, das Positive der Schulidee zu betonen, die Folgerungen ziehen, zu denen ein Vergleich der Wickersdorfer Anschauung mit den in der Familien- und Staatsschulerziehung verkörperten Prinzipien herausfordert. Für das erste verweise ich auf die Wickersdorfer Jahresberichte, für das zweite auf das zweite Jahrbuch der Freien Schulgemeinde.

      Die F. S. G. ist nicht hervorgegangen aus dem Bedürfnis einer partiellen Reform; im Mittelpunkte steht nicht: »Weniger Griechisch – mehr Sport«, oder: »Keine Prügelstrafe, sondern ein Verhältnis gegenseitiger Achtung zwischen Lehrern und Schülern«. Wenn auch viele Forderungen der modernen Pädagogik in ihrem Programm enthalten sind, wenn auch vor allem ein freier, nicht durch dienstliche Autorität geregelter Verkehr zwischen Lehrer und Schüler zu den selbstverständlichen Voraussetzungen gehört, das Wesentliche der Gründung liegt überhaupt nicht auf engstem pädagogischen Gebiet, ein philosophischer, metaphysischer Gedanke ist ihr Mittelpunkt, ein Gedanke allerdings, der „unabhängig ist von der kosmologischen Metaphysik irgendwelcher Parteien”1232.

      Dieser Gedankengang ist, kurz ausgeführt, folgender: „Auf dem Weg zu ihrem Ziele gebiert sich die Menschheit beständig einen Feind: ihre junge Generation, ihre Kinder, die Verkörperung ihres Trieblebens, ihres Individualwillens, den eigentlich tierischen Teil ihres Bestandes, ihre sich ihr beständig erneuernde Vergangenheit. Keine wichtigere Aufgabe also für die Menschheit, als sich dieses Bestandes ihrer selbst zu bemächtigen, ihn einzuführen in den Prozeß der Menschwerdung. Das ist die Erziehung.” Die Schule ist der Ort, wo es dem kindlichen Geiste aufgehen soll, „daß er nicht ein isoliertes Bewußtsein ist, sondern daß er von früh auf gesehen und erkannt hat vermittelst eines über ihm waltenden, ihn beherrschenden objektiven Geistes, dessen Träger die Menschheit ist, und durch den sie Menschheit ist.” Alle idealen Güter, Sprache und Wissenschaft, Recht und Moral, Kunst und Religion, sind Äußerungen dieses objektiven Geistes. Eine langsame, mühevolle Wanderung hat die Menschheit, den Träger des objektiven Geistes, bis zu der heute erreichten Höhe geführt. Und die Epoche, in der wir jetzt stehen, ist die bisher wichtigste in der Entwicklung des menschlichen Geistes. „Die Signatur dieser Epoche ist die beginnende Emanzipation des Geistes.” Im Sozialismus tritt der Geist den Ausartungen des Kampfes ums Dasein entgegen, im Evolutionismus erkennt er die logische Weltentwicklung, in der Technik nimmt der Geist den Kampf mit den Naturmächten auf. Die Welt ist Objekt des menschlichen Geistes geworden, der früher erdrückt wurde „von der Übermacht der Materie”. Der philosophische Vertreter dieser Anschauung ist bekanntlich vor allem Hegel.

      Damit ist die Aufgabe des Individuums bestimmt. Es hat sich in den Dienst dieses objektiven Geistes zu stellen und in der Arbeit an den höchsten Gütern seine Pflicht zu erfüllen. In der bewußten Ableitung dieses Gedankens aus dem Metaphysischen liegt ein religiöses Moment. Und auch nur dieses religiöse Bewußtsein kann schließlich als letzte Antwort dienen auf die Frage nach dem Zweck, der Notwendigkeit eines Unterrichts, dessen absolutes, oberstes Ziel es nicht ist, die jungen Menschen für den Kampf ums Dasein zu wappnen.

      Aber noch zwei wichtige Fragen erheben sich. Zunächst: »Ist die Jugend überhaupt einer so ernsten Überzeugung, eines so heiligen Willens fähig?« Eine unbedingt beweisende Antwort läßt sich auf diese Frage nicht geben. „Wer in der Jugend … nur eine Vorbereitungszeit ohne eigenen Wert sieht, und in der Schule nur die Vorübung für den späteren Kampf ums Dasein als den eigentlichen Lebensinhalt,” für den dürfte eine Vertiefung und Heiligung des Lehrens und Lernens nicht in Frage kommen.” Jedoch schon Rousseau spricht die Ansicht aus, daß zu keiner Zeit der Mensch empfänglicher für große Ideen sei, begeisterter den Idealen sich hingebe, als in den Entwicklungsjahren, Die Gründe liegen nahe: die Interessen des Berufslebens, die Sorge um die Familie haben den Horizont des Jünglings noch nicht verengert – und, was hiermit Zusammenhangs aber noch mehr ins Gewicht fällt: er kennt noch nicht die Gleichförmigkeit des Tages, der Sitten – die Konvention, »das ewige Gestrige, das immer war und immer wiederkehrt« und der schlimmste Feind alles Großen ist.

      »Wohl: mag der Jüngling fähig sein, nicht nur die Aufgabe zu erfassen, sondern auch im einzelnen Falle ihr gemäß zu handeln. Wird er dann noch jung sein, wird er noch die naive Freude am Leben behalten?« Auch das läßt sich abstrakt nicht beweisen; ein Blick in die Jahresberichte oder besser noch ein Besuch der Schule überzeugt.

      Zu den wichtigsten Erziehungsfragen, welche die F. S. G. löst, gehört das Problem der Koedukation. In Wickersdorf sieht man nicht, wie an vielen anderen Orten, den Schwerpunkt dieser Frage auf sexuellem Gebiet, wenn auch natürlich dieser Faktor mitzusprechen hat. Sondern es entscheidet die Frage: „Gibt es ein spezifisch männliches oder weibliches Ziel, auf das hin dem Leben die Richtung gegeben werden soll?”

      Von vielen Seiten werden wir die Fragen bejahen hören, wird uns Goethes: »Die Knaben zu Dienern, die Mädchen zu Müttern« erwidert werden. Darauf erwidert Dr. Wyneken (der Verfasser des Jahrbuchs): „Soll das nun heißen: das, was die Zeit vom 20. bis 40. Lebensjahre ausfüllt, soll auch schon die vom 1. bis 20ten ausfüllen?” Darin sieht er eine Beschränkung des geistigen Fortschritts; von vornherein wird die Frau auf ein enges Gebiet beschränkt, und „die alte Identifizierung von Geschlecht und Beruf” verhindert ein für allemal einen Fortschritt des Weibes. Gerade wir aber leben in einer Zeit, wo ein gewaltiger Umschwung in Leben, Anschauung und Beurteilung der Frau vor sich geht, und es wäre beschränkt, wollten wir jetzt die Frau „mit vorgefaßten Begriffen” erziehen, mit Rücksicht auf „ein täglich fragwürdiger werdendes Häuslichkeitsideal” und auf „andere Vorstellungen, die der Philister unter dem ›Ewig-Weiblichen‹ begreift”.

      Das ist der Standpunkt der F. S. G. gegenüber der Frage, ob beide Geschlechter die gleiche Erziehung genießen sollen. Und wollte man nun den allerdings schwerwiegenden Einwand gegen diese Ausführungen erheben: »Die СКАЧАТЬ