Die Tote im Stadl. Stefan Maiwald
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Название: Die Tote im Stadl

Автор: Stefan Maiwald

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Servus Krimi

isbn: 9783710450297

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СКАЧАТЬ gab das Umfeld nur Gestammel und Banalitäten von sich. Er sprach mit den Mitarbeitern des Zimmerservice, mit Köchen und mit einer weiteren Spa-Mitarbeiterin, mit der Swetlana in der letzten Saison zusammengewohnt hatte. Sie war, bestätigten alle, fröhlich und beliebt gewesen (niemand sagte je etwas anderes über eine frisch Ermordete), niemand könne sich auch nur irgendetwas erklären. Kerschbaumer seufzte. Hier war nicht viel zu holen. Er würde ein paar Tage vergehen lassen müssen. Und er wusste jetzt schon, dass dieses Zeitfenster niemandem schmeckte. Nicht den Vorgesetzten, nicht den Medien, und genau genommen nicht einmal ihm selbst.

      6.Kleinere Nebengeschäfte

      Die Polizeiwache in Bad Kleinkirchheim lag im ersten Stock eines schmucklosen Neubaus an der Hauptstraße des Ortes, direkt über der Bäckerei Weissensteiner, aus der unaufhörlich der Duft frischen Brotes an Wendelin Kerschbaumers unter Entzugserscheinungen leidende Nase drang. Leckereien aus Weizenmehl hatte er sich für die Dauer seiner In-Form-kommen-Diät untersagt. Wenigstens diesbezüglich wollte er standhaft bleiben. Und bestimmt gab es dort doch auch Vollkornprodukte …

      Die Wachstube, die über einen gewöhnlichen Hauseingang zu erreichen war und von dessen Flur auch noch andere Wohnungen abgingen, wirkte nicht gerade wie ein agiles Zentrum zur Verbrechensbekämpfung. Aber schwere Straftaten waren ja auch selten.

      An der Wand neben dem Eingang hing eine Karte Kärntens. Das Bundesland eignet sich wie kein zweites für eine kartografische Darstellung, ähnelt es doch einem relativ gleichmäßig gestürzten Rechteck und passt sich somit wunderbar einer Kartendarstellung an. Bad Kleinkirchheim liegt ziemlich genau dort, wo man das Bundesland, wäre es ausgeschnitten und aus Karton, auf dem Zeigefinger balancieren würde. Bis der Kurbetrieb anlief, dauerte es zwar knappe neunhundert Jahre, doch seitdem gehört »BKK« (wie die Österreicher sagen) oder »Bad« (wie es die Italiener nennen) zu einem der meistbesuchten Urlaubsorte Österreichs. BKK, auf tausend Metern gelegen, hat zudem das Glück, nicht nur Winter-, sondern auch Sommertouristen anzulocken. Es liegt mit seinen tausend Metern hoch genug für schneebedeckte Pisten und gleichzeitig flach genug für lauschige Sommerabende bei angenehmen 25 Grad Celsius.

      Doch weil es ja immer noch mehr Touristen geben kann, wurde ständig an mehrsprachigen Kampagnen getüftelt. Ein Pfiffikus vom Tourismusverband versuchte beispielsweise seit Jahren, für die Nockberge den Begriff Nocky Mountains durchzusetzen.

      Abgesehen von Auswüchsen solcher Art hatten die Touristiker aber durchaus Erfolg, was an Wendelin Kerschbaumer exemplarisch belegt werden konnte. Der Wiener hatte einmal zu oft über den Ort gelesen und ihn daher zum Refugium erkoren, zumal die Hotelpreise zu Saisonbeginn günstig waren. Auch die Verkehrsanbindung war perfekt, nur zwanzig Kilometer vom Autobahnknoten Villach, wo sich A2, A10 und A11 trafen, dreieinhalb Stunden hatte er von Wien gebraucht.

      Feiersinger schien die Kärnten-Karte an der Wand der Wache zu lieben und hatte einige Orte mit Stecknadeln mit roten Köpfen markiert – und zwar jene, in denen er schon ermitteln durfte. Die meisten Stecknadeln kreisten um Bad Kleinkirchheim. Aktenschränke nahmen eine Seite des Raums ein. Sie waren akkurat beschriftet, von A bis Z perfekt geordnet und offenbar staubfrei. Kerschbaumer ahnte, dass auch hierfür Feiersinger verantwortlich war.

      Die klobigen Computer, die auf den zwei Schreibtischen thronten, flackerten mit giftgrünem Display, nur Inspektorin Hofgärtner arbeitete mit flinken Fingern auf einem schmalen Laptop der Marke Apple. Die Telefonapparate mit ihren vielen Knöpfen gehörten wie die Computer eher ins Museum für Völkerkunde. Kerschbaumer wunderte sich, aber die Verbrechensstatistik rechtfertigte anscheinend keine Erneuerung technischer Gerätschaften.

      In der Küchenecke kämpfte eine Filtermaschine der Marke Privileg ein stilles Rückzugsgefecht gegen eine Kapselmaschine der Marke Nespresso, ein harter nord-südlicher Kulturkampf, Goethe gegen Dante, Butter gegen Olivenöl, Filterkaffee gegen caffè espresso. Der Norden war auf dem Papier zum Scheitern verurteilt, punktete aber durch weitgehende Wartungsresistenz, wohingegen die Filterflüssigkeit für die Entkalkung der Nespresso-Maschine bestellt, aber noch nicht eingetroffen war. Also regierte vorerst die Privileg-Filtermaschine. Kerschbaumer entkam ein schweres Seufzen.

      »Sind die Angehörigen schon verständigt worden?«, fragte er schließlich und schob die Tageszeitungen zusammen, die von dem Mord berichteten.

      »Wir haben schon mit den slowenischen Kollegen gesprochen. Viele Verwandte gibt es nicht«, referierte Feiersinger. »Der Vater ist schon vor vielen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, die Mutter ist mit schwerer Multipler Sklerose ans Bett gefesselt und nicht nur körperlich, sondern offenbar inzwischen auch geistig angeschlagen. Einen Bruder gibt es, Mirko, wir haben ihm eine Nachricht auf seiner Mailbox hinterlassen. Er hat sich noch nicht gemeldet.«

      Kerschbaumers neue Kollegen machten einen angenehmen Eindruck. Sie hatten ihm sogar eine kleine Ecke des Doppelschreibtischs freigeräumt und einen der Computer dort platziert.

      Revierinspektor Volker Feiersinger, ein hagerer, kleiner Kerl um die dreißig, nickte stets freundlich und bewegte die Lippen, wann immer Kerschbaumer etwas sagte, als wollte er dessen Worte in seinem eigenen Mund auf Tauglichkeit überprüfen oder sie im Gaumen auf ihre tiefere Bedeutung schwenken wie einen Schluck Rotwein. Er trug eine Frisur, der man ansah, dass man sie ihm irgendwann mit zwölf Jahren verpasst hatte und dass er sie bis zu seinem Lebensende nicht mehr zu ändern gedachte.

      Inspektorin Hofgärtner trug ihr Haar zusammengebunden in einem Pferdeschwanz und eine schwarz geränderte Brille, hinter der hellblaue Augen neugierig in die Welt blickten. Ihre helle, völlig makellose Haut schimmerte wie Porzellan. Kerschbaumer besah sich ihre Figur, aber nicht aus sinnlichem, sondern aus sportlich-diätetischem Interesse. Redete er sich ein. Definitiv athletisch, dachte er anerkennend und strich sich über den eigenen, definitiv unathletischen Bauchansatz.

      »Gut. Gibt es irgendetwas über das Opfer, das wir wissen müssen?«

      »Nein, keinerlei Einträge bei Interpol, eine blitzsaubere Akte. Der Bruder hingegen – na, sehen Sie selbst.«

      Kerschbaumer beugte sich über Hofgärtners Schulter und freute sich über das angenehme Parfüm, das irgendwie vanillig roch. Er war diesbezüglich kein großer Experte, aber es duftete gut. An den Bewegungen ihrer schmalen Hände bemerkte er, dass sie ihren Computer beherrschte.

      Bruder Mirko jedenfalls, acht Jahre älter als Swetlana, war in seinem nur neunundzwanzigjährigen Leben schon vier Mal verurteilt worden, zwei Mal wegen Fahrens ohne Führerschein und zwei Mal wegen Hehlerei. Auch die Strafen wegen Hehlerei, je sechs Monate Haft und beim zweiten Mal sechs Monate Hausarrest obendrauf, hatten mit Autos zu tun. Er hatte es offenbar mit Motoren.

      Es hatte an der Tür geklingelt, eine Empfangsperson besaß die Wache in Bad Kleinkirchheim jedoch nicht. Also drückte Revierinspektor Feiersinger auf den Summer, und schwer atmend stand bald ein Mann im ersten Stock in der Tür der Polizeiwache. Hofgärtner bot ihm einen Platz auf dem Besucherstuhl an. Noch im Dankesagen plumpste er in die Plastikschale, die für Gäste vorgesehen war und von wackligen, verchromten, wenig Vertrauen einflößenden Streben gehalten wurde.

      Alles an dem Besucher war üppig: die fleischigen Lippen, die geplatzten Äderchen rund um die dicke Nase, die großen, hervorstehenden Augen, das bürstendichte, rotstichige Haar. Der Besucher war nicht dick, eher von oben bis unten breit, wie eine Litfaßsäule. Er trug eine Zehntausend-Euro-Uhr, was Kerschbaumer seit dem Raubmord im vierten Bezirk sofort abschätzen konnte, und wie immer bei solchen Uhren fragte man sich unwillkürlich, ob dieser Mann sehr gut oder sehr schlecht mit Geld umgehen konnte.

      Wilhelm Wiedehopf war Bayer und Stammgast im Hotel Pulracher. Er war auf geschmacklose Art teuer angezogen, mit Loden und Hirschleder behangen, was ihn СКАЧАТЬ